Theaterbericht Dresden (Dezember 1816)
Theater-Nachrichten aus Dresden.
Ende Decembers 1816.
So sehr es auch allgemeiner Wunsch war, daß die Bühne wenigstens vom zweiten Feiertage an wieder geöffnet seyn möge, und so sehr auch die Kasse, auf welche nunmehr sehr dringende Ansprüche werden gemacht werden, die Einnahme, die vom 26ten December bis 1sten Januar zu verhoffen war, hätte brauchen können; so bleibt, wir wissen nicht warum, dennoch das Theater bis zum 21ten Januar verschlossen, wo es mit dem Debüt der Madame Kupfer die in der Johanna von Montfaucon zum ersten Male auftritt, eröffnet werden soll. Diese neu engagirte Schauspielerin erhält 1300 Rthlr. Gehalt. Da Madame Schirmer, welche die erste Künstlerin auf unserer Bühne ist, und bestimmt in der Reihe der vorzüglichsten Schauspielerinnen Deutschlands steht, ein weit Geringeres an Gehalt empfängt, und da die Intendantur, nach der ihr anstammenden Gerechtigkeitsliebe, einem Jeglichen giebt, was ihm gebührt; übrigens aber gewiß keine Ursache da ist, Madame Schirmer, die von jeder bedeutenden Schauspieldirektion deutscher Zunge mit offenen Armen aufgenommen werden würde, zurückzusetzen; so müssen wir uns von Madame Kupfer etwas ganz Außerordentliches versprechen.
Die Zeit, daß Thaliens Tempel uns verschlossen bleibt, haben wir uns bisher auf mancherlei Weise vertrieben. Von zwei Concerten, die zum Besten der Armen gegeben wurde, war unstreitig das im Gewandhause das Vorzüglichere; obgleich vieles Mittelmäßige, in einem Concerte, was in der Residenz gegeben wurden, unangenehm überraschte; indessen das Concert in dem Harmoniesaale *) blieb doch auch gar zu sehr unter der Erwartung; alle Zuhörer lachten ob der Erbärmlichkeit, und nur der Zweck konnte den Unternehmer vor der Rüge sichern, daß er der Gutmüthigkeit der Interessenten ein wenig zu viel zugetraut hatte. Beide Concerte waren auf einem Sonntage, und beide waren sehr stark besucht.
¦Sehr elegant war das Fest, mit dem der Graf Vitzthum den Geburtstag des Königs feierte; Mad. Schirmer sprach eine von Fr. Kind gedichtete Rede, und die Dreißigsche Singeakademie wetteiferte mit den Sängern der italiänischen Oper, uns den Abend, seiner Würde gemäß, höchst genußreich zu machen. Schade nur, daß das Lokale für die zusammengetretene Gesellschaft viel zu klein war. Ueberhaupt ist Mangel an Platz hier bei solchen Gelegenheiten überall ein drückender Uebelstand. Weder die Harmonie, noch sonst eine unserer vielen geschlossenen Gesellschaften, haben einen ihres Vereines würdigen und ihrem Bedürfnisse angemessenen Saal aufzuweisen; und in den Privathäusern unserer Großen ist selten die zum Anstande erforderliche Geräumigkeit zu finden. Die einzigen brauchbaren, jedoch auch nicht übergroßen Säle sind im Hôtel de Pologne und in der Stadt Wien. In ersterem werden mehrentheils die öffentlichen Concerte gegeben; auch versammeln sich das Cassino und mehrere andere Tanzgesellschaften darin.
Eine andere Abendunterhaltung hat uns ein wohl geordnetes Wachsfiguren – Kabinet gewährt, und seit dem zweiten Feriertage wallfahrtet eine große Menge Kunstverehrer in die Puppenkomödie des Hrn. Lorgie*. Warum dieser seinen Vorhang aufrollen darf, während der im Hoftheater unangerührt bleiben muß, bleibt Vielen ein Räthsel. Sollten und müßten Theaterferien seyn, so würden sich die Monate Junius und Julius vielleicht mehr dazu eignen, als die Advents- und Fastenzeit.
Maria v. Weber ist mit 1500 Rthlr. bei der deutschen Oper als Kapellmeister engagirt. Die Kapelle hat Zulage erhalten, um auch im deutschen Schauspiele das Orchester zu besetzen. Das ist eine sehr dankenswerthe Einrichtung, denn die Musik in den Zwischenakten des deutschen Schauspiels war bisher oft unerträglich. Zwanzig neue Musiker sind in die Kapelle aufgenommen worden; unter andern hat man einen kleinen Duodez-Bassisten hinter den Contra-Violon gestellt, der dies Instrument erst seit acht Wochen gelernt hat. Der Neid behauptete, der Kleine sey durch die Wege der Sippschaft auf diesen Platz gekommen; indessen Maria v. Weber wird ihn schon wegweisen, wenn er nicht dahin gehört. Auch ein ehemaliges Mitglied der Berliner Kapelle, Hr. Höl|zel, befindet sich unter den zwanzig neu Engagirten. – Signora Sandrini, die vollkommen gut deutsch spricht, wird in der deutschen Oper mit auftreten; auch ist, heißt es, Signora Benelli dafür engagirt. – Das sich immer mehr bestätigende Gerücht, daß die Hofgesellschaft den Sommer über im Linkeschen Bade spielen werde, erregt allgemeine Freude. Bleibt das Theater in der Stadt, so geht kein Mensch hinein. Wir haben unsere schöne Natur viel zu lieb. Die Kasse mag dann sehen, wie sie zurecht kömmt.
Editorial
Summary
Aufführungsbericht Dresden, Ende Dezember 1816 mit Erwähnung der Anstellung Webers
Creation
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Tradition
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Text Source: Dramaturgisches Wochenblatt in nächster Beziehung auf die königlichen Schauspiele zu Berlin, vol. 2, issue 29 (18. Januar 1817), pp. 229–230