Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 26. November 1817
Mittwoch, den 26. November. Ser Marcantonio, von Pavesi. Die liebliche Carolina Benelli machte die Wiederholung dieser Oper durch ihren trefflichen Gesang und ihr ausdrucksvolles Spiel sehr interessant. Die Musik ist weder groß, noch durch bestimmte Charakterzeichnung bedeutend, aber sie ist angenehm, fließend, melodisch und ächt südlich. Es wäre sehr zu wünschen, daß in den Chören mehr komische Kraft und Originalität wäre, sie böten Gelegenheit dazu an. Ausgezeichnet ist: das erste Duett zwischen Bettina und Tobia; reizend giebt die junge Künstlerin hier das vielgewandte Mädchen, selbst ihre Aussprache bekommt dann, wenn sie die Einfältige spielt, einen ganz eignen, höchst passenden Accent. Sigr. Tibaldi sang die nächste Arie sehr brav. Das Terzett, wo Bettina mit Stimmen- und Waldhornruf aus der Portchaise gelockt wird, ist allerliebst; doch noch ausgezeichneter ist das nächste Quartett, es macht eine köstliche Wirkung, wie gegen den Schluß eine Stimme nach der andern mit diesem raschen Staccato eintritt, und alle Saiteninstrumente pizzicato dazu accompagniren, es ist, als hörte man das Klopfen aller Pulse! Die erste große Arie Bettinens im zweiten Akt ist von dem Hrn Kapellmeister Schubert sehr passend und geschmackvoll komponirt und wurde trefflich vorgetragen. Diese junge Sängerin hat eine eigne seltne Gabe, die höchsten Töne sanft und weich, ohne Druck und Anstrengung zu intoniren, damit verbindet sie umgemeine Leichtigkeit und Biegsamkeit in den Passagen und feste Reinheit bei den langausgehaltnen Noten; dies alles zeigte sie besonders in der zweiten großen Arie: „Quando Amor a lui giurai“, die sie eben so kunst- als seelenvoll vortrug. Die Arie Marcantonio’s ist im ächt italienischen komischen Styl, und das fliegend-schnelle Drängen der Worte macht sich sehr hübsch. Köstlich ist sein vorhergehendes Duett mit Bettinen; wie passend ist die süßfühlende Begleitung im Anfang und die zarten, halb neckenden, halb schmeichelnden Triller, welche die erste Violine immer scherzend dazwischen wirft; wie ausdrucksvoll ist dann das Ganze mit dem stets rascher und schwindelnder sich drängenden Schluß. Der dreistimmige Gesang: „Or che fra i taciti notturni orrori“ ist sehr lieblich, im süßesten Serenatenstyl. Es wäre wohl passender, wenn Lisetta’s Cavatine im zweiten Akt auch im Garten gesungen würde, um nicht durch das öftere, nicht immer gut gehende Verwandeln der Scene zu stören.
Editorial
Summary
Aufführungsbericht Dresden: “Ser Marcantonio” Stefano Pavesi
Creation
vor 13. Dezember 1817
Tradition
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Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 298 (13. Dezember 1817), f 2v