Wilhelm Mangold an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Darmstadt, Dienstag, 12. Dezember 1865
Settings
Show markers in text
Context
Absolute Chronology
Preceding
- 1865-09-09: to Jähns
Following
Direct Context
Preceding
- 1865-09-09: to Jähns
Following
Hoch geehrtester Herr Musik-Direktor!
Diese Zeilen die bereits vor zwei Monaten an Sie abgehen sollten verzögerten sich zu meinem Bedauren durch die vor ihrer Absendung zuerst in Einsicht zu nehmende Partitur des „ersten Tons von Weber“. Die Güte des Herrn Dr. Weber hatte mir diese zwar mit freundlicher Bereitwilligkeit alsogleich zugesagt, da sie aber verliehen war konnte ich erst vor wenigen Tagen zu ihrer Einsicht gelangen*. Entschuldigen Sie mich daher freundlichst wenn der Schein einer Vergessenheit oder Nachlässigkeit von meiner Seite bei Ihnen damit auf mich gefallen sein sollte.
Gleich nach meiner Rückkunft von Bensheim hierher zu Anfang des Monats Oktober wiederholte ich meiner Schwester Ihren Wunsch in Betreff des Weber’schen Duetts* worauf sie sogleich bereit war – um Weitläufigkeiten mit dem Copisten zu vermeiden und Ihnen damit sich gefällig bezeigen zu können – das nun hiermit | beikommende Original Ihnen zur Einsicht mitzutheilen und Sie nur zu ersuchen, nach gemachtem Gebrauch alsbald dasselbe ihr durch mich wieder gefälligst zurücksenden zu wollen.
Was die Hauptpartitur des ersten Tons* betrifft, so befinden sich – wie ich mich erinnerte – auf der Rückseite des letzten Blattes derselben geschriebene Noten, sind aber mit feinem Bleistift geschrieben nunmehr ganz verwischt und unkenntlich, so daß sie über eine Beziehung zu der – von Weber wohl später geschriebenen u. hinzugekommenen – Fuge keinen Aufschluß mehr zu geben im Stande sind. Die Partitur dieser Fuge* – für 4 Singstimmen u. Orchester – ist auf anderes Papier wie das der Partitur des ersten Tons geschrieben u. in einem besonderen Hefte derselben, wie sie jetzt im Besitze der Familie Weber dahier vorliegt, beigelegt. Die für mich im Jahre 1833 abkopirten Chor u. Orchesterstimmen sind ohne diese Fuge u. schließen wie die Hauptpartitur. War auch anderwärts dieses Werk ohne die Fuge bekannt geworden, so gewinnt die Annahme ihrer späteren nachträglichen Entstehung* | damit einen Halt und wenn die auf der Rückseite des letzten Partiturblattes geschriebenen, nunmehr ganz verlöschten, Noten immerhin noch auf dazu gemachte Bemerkungen schließen lassen so ist es‡ doppelt zu bedauern, daß die Handschrift Voglers* nicht mehr zu erkennen ist u. sie damit ihren tatsächlichen Beleg verloren haben.
Besonders über die in Einsicht genommene Partitur wüßte ich nun weiter, Verehrter Freund, Ihnen nicht[s] mitzutheilen ergreife aber zum Schlusse die angenehme Gelegenheit, mich Ihnen sowie unbekannterweise Ihrer Frau Gemahlin bestens zu empfehlen und mit den Meinigen Sie auf das herzlichste zu grüßen mit der Bitte, mich in Ihrem freundschaftlichen Wohlwollen zu behalten und dabei der Verehrung u. Anhänglichkeit gesichert zu sein
Ihres
stets aufrichtig ergebensten
Wilh. Mangold.
Darmstadt den 12ten Dez.
1865.
Editorial
Summary
es geht um Ausleihe eines Duett-Autographs (?) von Weber aus dem Besitz von Mangolds Schwester, das er beilegt, des weiteren beschreibt er das Autograph zum Ersten Ton aus dem Besitz von Dr. Weber und Antonie Weber in Darmstadt; auf der Rückseite der letzten Notenseite sind geschriebene Noten, die aber fast verloschen sind, sie stammen von Vogler
Incipit
“Diese Zeilen die bereits vor zwei Monaten”
Responsibilities
- Übertragung
- Frank Ziegler
Tradition
Text Constitution
-
“es”added above
Commentary
-
“… Tagen zu ihrer Einsicht gelangen”Gemeint sind zwei heute verschollene Quellen aus dem Nachlass Gottfried Webers: eine von C. M. von Weber annotierte Partiturkopie des kompletten Werks (mit Schlusschor in erster Gestalt) sowie das Autograph des Schlusschors in endgültiger Version.
-
“… Betreff des Weber ’schen Duetts”Manuskript seit 2000 in D-B, 55 MS 40.
-
“… die Hauptpartitur des ersten Tons”Gemeint ist die Kopie mit der Erstfassung des Schlusschors.
-
“… sind. Die Partitur dieser Fuge”Gemeint ist das Autograph des Schlusschors in endgültiger Version.
-
“… Annahme ihrer späteren nachträglichen Entstehung”Die Erstfassung des Schlusschors von 1808 verwarf Weber im September 1810 und ersetzte sie durch eine Neukomposition.