Aufführungsbesprechung Leipzig, Stadttheater: vollendete Fassung von “Die drei Pintos” von Gustav Mahler am 20. Januar 1888

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Die drei Pinto’s.

Komische Oper in drei Aufzügen von C. M. von Weber.

Unter Zugrundelegung des gleichnamigen Textbuches von Theodor Hell, der hinterlassenen Entwürfe und ausgewählter Manuscripte des Componisten ausgeführt: der dramatische Theil von Carl von Weber, der musikalische von Gustav Mahler.

Erstmalige Aufführung im Stadttheater in Leipzig am 20. Jan. 1888.

Noch ehe die Composition des „Freischütz“ beendet war, beschäftigte sich Carl Maria von Weber bereits mit der Oper „Die drei Pinto’s“ und noch zur Zeit, als die der „Euryanthe“ beschlossen wurde, arbeitete er daran, worauf dann aber die schriftliche Thätigkeit dafür eingestellt wird. Die Absicht, die „Pinto’s“ zu vollenden, wurde von da ab zwar nicht aufgegeben, selbst gegen Ende des Jahres 1824 noch nicht; mit dem 8. Nov. 1821 jedoch wurde die letzte Note des Vorhandenen aufgeschrieben. So ist in F. W. Jähns’ 1871 erschienenem sehr verdienstlichem Werke „Carl Maria von Weber in seinen Werken“ zu lesen. Demselben Buche ist ferner zu entnehmen, daß die von Weber niedergeschriebenen Partien der „Pinto’s“ nur in den Entwürfen von sieben Nummern bestehen: der Introduction, einer Arie, eines Duetts (in ein Terzett auslaufend), noch eines Duetts, eines Terzetts, des Finales zum ersten Act und eines Duetts aus dem zweiten Act. Die Ergänzung dieses Torso wurde anfänglich von Meyerbeer, dem Jugendfreunde und Studiengenossen Weber’s beabsichtigt, nachgehends aber aufgegeben; auch Julius Benedict, der Schüler des Freischütz-Componisten, wurde um die Fertigstellung des Werkes angegangen, hat sie aber | abgelehnt. Nunmehr haben sich dieser Arbeit Carl von Weber, Hauptmann in der sächsischen Armee und Enkel Carl Maria’s, sowie August Mahler, Capellmeister am Leipziger Stadttheater, unterzogen und sind damit – wie aus der Ueberschrift dieser Zeilen ersichtlich – bereits vor die Oeffentlichkeit getreten. Herr von Weber hat das Theodor Hell’sche Libretto – dessen Stoff in einer „Der Brautkampf“ betitelten Novelle des Dr. Carl Seidel (in der „Dresdner Abendzeitung“ von 1819) enthalten ist – umgemodelt, jedoch mit Beibehaltung der Haupt- und Grundzüge (die man in dem angeführten Werk von Jähns nachlesen mag), und wenn man auch seine Arbeit weder in literarischer noch in dramaturgischer Beziehung ein Meisterstück nennen kann, so ist sie doch immerhin unterhaltend und stößt nur zuweilen durch Forcirt-Komisches und in’s Possenhafte Uebergreifendes ab (was dabei auf Hell’s oder Herrn von Webers Rechnung zu setzen ist, bleibt dahingestellt). Was nunferner Herrn Mahler betrifft, so ist nicht zu verkennen, daß er bei seiner musikalischen Completirung (die fast noch schwieriger als die literarische gewesen sein mag) mit großem Geschick verfahren ist. Erstens hat er die Ausführung der vorhandenen Entwürfe zu entschiedener Wirksamkeit und in einer den immanenten unbestreitbaren Reiz dieser Nummern nicht antastender Weise besorgt; dann hat er unter den Weber’schen Manuscripten für die übrige Vervollständigung der Oper eine verständige Auswahl getroffen, wenn auch nicht geleugnet werden kann, daß die gewählten Fragmente zu vorwiegend auf dem Boden des Polonaisenhaften und des Tanzrhythmus überhaupt sich bewegen. Was Herr Mahler etwa aus eigenen Mitteln hinzugefügt hat, entzieht sich unserer Kenntniß, kommt aber auch kaum in Betracht gegenüber den vielen unzweifelhaft Weber’schen anmuth- und reizgeschmückten übrigen Elementen und Momenten. Ferner wäre es unangebrachter Rigorismus, wenn man Herrn Mahler die öfter etwas Wagner’sche Färbung seiner Instrumentirung als für die leichter gewogene komische Oper nicht recht passend vorwerfen und viel Gewicht darauf legen wollte, daß den „Pinto’s“, wie sie jetzt vorliegen, die eigentliche musikalische Styl-Einheitlichkeit und Gleichwerthigkeit abgeht und man ihnen das Zusammengetragene, von verschiedenen Seiten Herbeigeholte ansieht.

Die Leipziger Aufführung der „Pinto’s“ (am 20. Jan.) war eine richtige Première, und zwar eine solche von glänzendster Art. Denn erstens war das Haus bis in den letzten Winkel gefüllt, dann sah man im Publicum zahlreiche fremde musikalische und theatralische Sommitäten, und endlich zeigte sich ein Enthusiamus in der Entgegennahme des Werkes, wie er in solcher Stärke hier in Leipzig bei Novitäten wohl kaum je vorgekommen sein mag. Die Ovationen für die Herren Mahler und von Weber, für die Darstellenden und für den Director Herrn Stägemanm (der die Oper höchstselbst inscenirt hatte), waren zahllos, und von den massenhaften Blumen- und Kranzspenden kam schließlich noch ein gutes Theil der schnell herbeigeschafften Büste Carl Maria von Weber’s zu gute, welche von den Artisten damit geschmückt wurde.

Die Vorstellung selbst – natürlich mit Herrn Mahler am Dirigentenpulte – war eine präcise, frische und flotte, sowie von Liebe zur Sache durchwehte, und hat man sich insonderheit bei den Interpreten der Hauptrollen – den Damen Baumann, Artner und Neuhauser, den Herren Hedmondt, Hübner, Grengg und Köhler – für ihre lebensvollen Bethätigungen zu bedanken.

E. Bernsdorf.[…]

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Amiryan-Stein, Aida

Tradition

Text Constitution

  • “August”sic!
  • “Enthusiamus”sic!
  • “Stägemanm”sic!

Commentary

  • Neuhauserrecte “Rothauser”.

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