Zulehners Stellungnahme gegen Webers Vorwurf der widerrechtlichen Verbreitung seiner Werke

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Antwort auf eine unbillige Beschuldigung.

In der Frankfurter Oberpostamts-Zeitung und in andern öffentlichen Blättern las man ein sogenanntes Rundschreiben von Karl Maria v. Weber, worin er mich namentlich als einen gewissenlosen Musikhändler anführt. Diese Beschuldigung, welche eigentlich mehrere ansehnliche Musikhandlungen träfe, hat so wenig Grund, daß ich sie mit Stillschweigen übergehen könnte, wenn nicht diese Schonung des Angreifers als ein Bewußtseyn meiner Schuld, von weniger Unterrichteten ausgelegt werden dürfte.

Schon seit 30 Jahren verkaufe ich Opern in Partitur, und erhalte dieselben theils aus Deutschland und Italien geschrieben. Ich erlaube mir nicht, diese Partituren stechen zu lassen, sondern verkaufe sie, wie ich sie erhandle. Karl Maria v. Weber, welcher der erste ist, der über diesen erlaubten Handel Geschrei erhebt, hat selbst Partituren bei mir gekauft*, und also ein Geschäft, das er gewissenlos nennt, befördert. Wie konnte die Einseitigkeit den Componisten des Freischüzen so verblenden, daß er einen Mann, welcher gegen ihn nicht die geringste Verbindlichkeit verlezt hat, vor dem Publikum als gewissenlos hinstellt? Wo ist das Gesez in Deutschland, und wo kan es seyn, das mir untersagt, Opern-Partituren, die mir zum Kauf angeboten werden, nicht zu kaufen, davon Abschriften zu machen, und nachher wieder zu verkaufen? Kan ich von dem Verkäufer einen Autorisationsschein vom Componisten verlangen? Schon oft habe ich von Schauspieldirektoren ihr ganzes Musiklager gekauft, oder von reisenden Künstlern einzelne Partituren. Wer berechtigte mich, ihr Eigenthumsrecht in Zweifel zu ziehen? Wollten die Componisten darüber sicher seyn, so müßten sie dieselbe sogleich zum Druk befördern, und nicht ihr Recht darauf einzeln verhandeln. Und auch alsdann wäre es, wie bei jedem gedrukten Buche, erlaubt, sie abzuschreiben, und die Abschrift zu verkaufen, wenn es thunlich wäre, und man das Gedrukte nicht wohlfeiler und schöner erhielte.

Dem sey wie ihm wolle, so paßt der Ausdruk gewissenlos weder auf mich, noch die andern bedeutenden Musikhandlungen, welche Opern-Partituren kaufen oder verkaufen. Er sezt in jedem Falle eine Verbindlichkeit gegen den Componisten voraus, die ich gegen Karl Maria v. Weber nicht habe. Ich erkläre daher jenen Ausdruk als unzeitig, unwahr und verläumderisch, und werde auf künftige Beleidigungen, die seine leidenschaftliche Hize sich erlauben könnte, nicht anders als vor dem Gericht antworten, wo mir die Genugthuung nicht verweigert werden kan.

Karl Zulehner.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Ziegler, Frank

Tradition

  • Text Source: Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Jg. 29, Nr. 115 (25. April 1826), pp. 460

    Commentary

    • “… selbst Partituren bei mir gekauft”Tatsächlich kaufte Weber laut Tagebuch am 24. November 1817 bei Zulehner eine Partitur von Weigls Oper Das Dorf im Gebürge und betonte im Brief an seinen Vorgesetzten vom 3. Dezember 1817, wie „wohlfeil“ er das Manuskript erhalten habe. Zudem findet sich in Webers Tagebuch am 21. Februar 1819 der Hinweis auf eine Zahlungsanweisung an Zulehner.

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