## Title: Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater und auf dem Bade: 9. bis 24. September 1823 (darunter “Abu Hassan” und “Das ledige Ehepaar”) (Teil 1 von 2) ## Author: Hell, Theodor ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032570 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Chronik des königl. sächs. Hoftheaters in Dresden.Am 9. Septbr. In der Stadt. Clementine. Drama in 1 Akte, nach dem Französischen von Th. Hell. Mad. Schirmer zeigte wieder in der Hauptrolle die größte Innigkeit eines künstlerisch-durchdachten Spiels. Besonders gelang ihr wieder die schwierige Erzählung im fünften Auftritte ungemein. Das kleine Stück selbst ist nun in dem von mir in der Arnoldischen Buchhandlung herausgegebenen ersten Bändchen meines dramatischen Vergißmeinnichts im Druck erschienen. Hierauf folgte Abu Hassan, Oper in 1 Akt von Hiemer und C. M. v. Weber. Am 12. Sept. Auf dem Bade. Zum erstenmale: Das ledige Ehepaar. Singspiel in 2 Akten, nach dem Englischen des C. Baron von Livius, von Malsburg. Die Musik von C. Baron von Livius. Der Grundstoff zu diesem Singspiele ist eigentlich französisch, und irren wir nicht, so heißt das kleine Stück, das ihn behandelt, auf der Pariser Bühne: Frontin, mari et garçon. Aus dieser heiteren und mit entschiedenem Beifalle aufgenommenen Kleinigkeit hat der Baron von Livius, ein Engländer, welcher sich seit einiger Zeit in Dresden aufhält, die Idee zu seiner englischen Bearbeitung genommen, hat das Ganze mehr als Singspiel behandelt, da es ursprünglich nur Vaudeville ist, und es daher auch zu zwei Akten verlängert, da, so viel uns bekannt, das französische Vaudeville, wie gewöhnlich, nur einen Akt hatte. Nach dieser englischen Verarbeitung hat es nun der geistreiche Uebersetzer des Calderon, Freiherr von Malsburg, mit der Gewandheit, die er in jenen Werken so vielfältig bewiesen hat, übertragen, und wie es aus der nationellen Farbe derselben deutlich zu ersehen, noch manchen heiteren und witzigen Zug selbst hinzugefügt. Dadurch hat der Dialog, dadurch haben die kleinen metrischen Einschaltungen eine Natur und Lebendigkeit erhalten, wie sie solches allerdings als den Stempel guter Uebertragungen immer haben sollten. Wie leicht webt sich z. B. das Duett zwischen Fertig und Aennchen hin: „Rothe Bänder, grüne Ränder“ u. s. w. und wie innig dagegen das zweite des Grafen mit der Gräfin: „Ferne Lieb' ist eine Rebe, die sich sehnet nach dem Stab; wo Du bist, blüh' ich und lebe, wo Du nicht bist, welk' ich ab.“ Nur wollte uns der Ausdruck: „Schelmin!“ etwas unnatürlich vorkommen, da wir wenigstens bis jetzt den Schelm für generis communis gehalten haben. Was nun die Intrigue dieses Singspiels betrifft, so streift sie allerdings wohl sehr an der Gränze des bühnenmäßig Erlaubten hin, denn der Herr Graf sind ein gar arger Flüchtling und vergessen sein liebes Weibchen doch allzu schnell und allzu stark, die Fröhlichkeit der Laune, die darin weht, das Anspruchlose des Ganzen, die Flüchtigkeit des Gebildes selbst aber entschuldigt dieß, und bei dem steten Lächeln um den Mund darf die Stirn gar nicht Zeit erhalten, sich in strenge Falten zu legen. Daher muß aber auch dieses Ganze so wenig ernst als möglich seyn, so leicht als möglich vorüber schlüpfen, und jede Beziehung, die auf ein Ergreifen mit dem Gemüthe hinführen könnte, so viel als möglich vermieden seyn. Und aus diesem Gesichtspunkte erlauben wir uns zweierlei als störend in dieser Arbeit zu bemerken. Erstlich sollte sie durchaus (wie das französische Original unstreitig) in Einem Akte sich halten, damit in keiner Zwischenpause das Zweideutige des Verhältnisses zwischen dem Grafen und Aennchen bei dem dunn weniger hinreißend gewordenen Lachreize vor den Verstand trete. Geht Verwickelung, Peripetie und Entwickelung rasch hinter einander ohne Unterbrechung fort, so bleibt die gleiche Stimmung durch's Ganze, und dieses selbst bekommt ein weniger anspruchvolles Ansehen. In Bezug auf letzteres hat sich der Franzose wohl gehütet, die holde und doch etwas betrogene Gräfin uns gleich zu Anfange vor die Augen zu führen und das Interesse des Zuschauers auf sie zu lenken, damit man eben deßhalb, weil man an ihr innigern Antheil nahm, nicht im Fortgange mit dem leichtsinnigen Herrn Grafen um so unzufriedener werde, und nun er wieder eben dadurch einen großen Theil unserer Theilnahme und unsers Wohlgefallens verlöre. (Der Beschluß folgt.)