## Title: Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 15. Juni 1817 ## Author: Winkler, Karl Gottfried Theodor ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030139 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Am 15. Juni. Auf dem Linkeschen Bade. Der häusliche Zwist, Lustspiel in 1 Aufzuge von A. v. Kotezbue. Ein Herr – – machte, wie der Anschlag-Zettel besagte, seinen ersten theatralischen Versuch in der Rolle des Nachbars, aber mit so ausgezeichnetem Unglück, daß wir ihm sehr rathen müssen, das Fach, dem er sich jetzt in spätern Jahren zu widmen gedenkt, nicht mit einem andern zu vertauschen, in welchem er bereits Geschicklichkeit erlangt hat. Wir können es uns bei dieser Gelegenheit nicht versagen überhaupt auf die Nachtheile aufmerksam zu machen, welche die Meinung, es sey das Geschäft des Darstellers eines der leichtesten in der Welt, und es koste nur den Willen, um auch sofort ein Künstler zu seyn, sowohl für die Kunst selbst, als für das Individuum, welches sich durch diese Ansichten leiten läßt, mit sich führt. Möge im Beginnen der deutschen Bühnenkunst vielleicht dieses mehr oder weniger der Fall seyn, auf dem Grade der Ausbildung, auf welchem sie jetzt steht, ist er es gewiß nicht. Natürliche Anlagen, als Gesichtsbildung, Gestalt, Organ, Auffassungskraft, Bildsamkeit, müssen sich mit Kenntnissen aller Art, mit Sprach- und Sachstudien, mit feiner Sitte und regem Geiste, höhere Ansicht mit einfacher Beurtheilung, Gedächtniß mit Scharfsinn, Beherrschung und Hingebung an das Gefühl verbinden, um in einem Subjekte etwas brauchbares für die Bühne zu versprechen. Wir dürfen wohl sogar sagen, daß jetzt selbst schon die Erziehung auf die Bildung eines bedeutendern Künstlers hinarbeiten muß, und daß höchst selten, aber wohl nie Personen, welche die Blüthe des Lebensalters, von praktischer Ausübung der Darstellkunst entfremdet, andern Beschäftigungen weihten, zu einem Ziele gelangen werden, wohin nur spärlich selbst diejenigen kommen, die mit steter Richtung bei weitem früher als jene dahin strebten. Es muß aber erst recht allgemein und innig anerkannt seyn, wie viel Streben, Aufopferung, Naturgabe und erworbenes Theil dazu gehört, um als Künstler würdig und wohlgefällig das Werk des Dichters ins Leben überzutragen, um Unberufene von diesem Stande abzuschrecken, den Darsteller aber, die das wirklich leisten, wozu sie berufen sind, und den ganzen Grad der Achtung ertheilt zu sehen, der ihnen in mehr als einer Hinsicht gebührt. Die kleine komische Oper, Das Geheimniß, welche auf den häuslichen Zwist (in den andern Rol len von Mad. Hartwig und Herrn Hellwig ausgezeichnet brav dargestellt), der sich bald am Schlusse in einen Zwist im Schauspielhause verwandelt hätte, folgte, gefiel sehr. Die Musik von Solié ist leicht und dem Sujet angemessen. Frau von Biedenfeld sang die Parthie der Räthin mit wackrer Stimme und Vortrag. Noch hatten wir sie in keiner deutschen Oper gehört, erfreuten uns aber an ihr einer guten Aussprache und eines einfachen Spiels, das zwar anfangs etwas befangen schien, später aber dem Stoffe der Rolle recht wohl sich anschmiegte. Die Hauptrolle im Singspiel hat der Bediente Thomas. Herr Geyer gab ihn höchst belustigend. Es ist schon mehr als einmal bemerkt worden, daß die komische Oper das stärkere Auftragen duldet, und so dürfen wir dem genialen Schauspieler keinen Vorwurf weder über seine Maske, noch das vielleicht Allzulebendige seines Spiels machen. Hat er uns doch im geregelten Schauspiel sehr oft gezeigt, wie er Charaktere kunstgemäß zu halten verstehe. Nur verwöhne sich nicht ein Theil des Publikums an diesem bunten Getäfel der komischen Oper, und vergesse dann nicht, daß das Lustspiel einfachere Farbengebung, ruhigere Parthieen verlangt, und wenn jene aus sich herauszugeben strebt, dieses in sich hinzeinzuziehen bemüht ist. Th. Hell.