## Title: Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 1. bis 4. Mai 1817 ## Author: Winkler, Karl Gottfried Theodor ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030125 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Am 1. Mai. Wilhelm Tell. Die Darstellung des Ulrich von Rudenz gehörte noch zu den Gastrollen des Herrn Genast, und das Publikum hatte volle Ursache damit zufrieden zu seyn. Besonders wurden die kräftigern Stellen seines Charakters in ein helles Licht gestellt, und die jugendliche Freudigkeit zum Werke der Befreiung, in dem früher durch kleinliche Rücksichten gefesselt gewesenen Gemüthe, durch Liebe nur noch erhöht, trat mit gewinnender Wärme hervor. Tell ward von Herrn Hellwig sehr wacker dargestellt. Besonders ergriff die Scene mit dem Knaben, wo der Künstler eine reiche Fülle von Kraft und Innigkeit entfaltete. Sehr gelungen ward der erste Theil des berühmten Monologs von Geslers Ermordung, in gehaltener Ruhe, nur mit dem Aufblitz des kühnen Entschlusses gesprochen, im Fortgange aber schien eine Störung von außen dem Künstler nachtheilig zu werden. Und in der That ging es den Zuschauern eben so, denn das Stampfen der Pferde im Hintergrunde, raubte ihnen auch den Genuß mancher Stelle jener Rede. Ich bin nun einmal kein Liebhaber dieser vierfüßigen Darsteller auf dem Theater, die noch dazu nicht selten, wie es auch heut während des Dialogs der braven Armgard (Dem. Christ) geschah, die ernsthafteste Scene durch spashafte Impromptü's unterbrechen, und meine Scheu gegen die Vierfüßler dehnt sich sogar bis auf den vortrefflichen Hund aus, der im neusten Beispiele sich durch seine Abstoßungskraft leider berühmter gemacht hat, als alle Verehrer ausgezeichneter Männer wünschen müssen. Am 3. Mai. Johann von Paris, komische Oper in 2 Akten, nach dem Französischen des St. Just, von J. Ritter von Seyfried, die Musik Boieldieu. Ein neuer Stern erster Größe erschien in dieser Oper gastlich am Himmel der Tonkunst. Mad. Grünbaum, Mitglied des Theaters zu Prag, entzückte uns als Prinzessin von Navarra. Doch ich verspare die Entwickelung der glänzenden Verdienste dieser Sängerin, welcher nirgends die ausgezeichneteste Huldigung fehlen kann zu einer besondern Auseinandersetzung nach Endigung ihrer Gastrollen. Hier nur soviel, daß sie mit Enthusiasmus gerufen ward. Von der Darstellung und Ausführung der ganzen Oper sowohl in scenischer als musikalischer Hinsicht kann man nur recht viel lobenswerthes sagen, und das zahlreich versammelte Publikum erkannte dies auch durch immer steigenden Beifall dankbar an. Die Anordnung des Ganzen war sehr gelungen, einfach, aber geschmackvoll alles, nirgends Störung, überall ein freudiges Streben sichtbar. Herr Genast stellte als Seneschall bei bravem Gesang einen sehr ergötzlichen und fein karikirten Charakter auf, und erfreulich war es, wie er die Klippe der gemeinen Spasmacherei vermied, an der ich schon manchen Künstler in der Darstellung dieses Höflings scheitern sah. Herr Wilhelmi gab den Johann von Paris mit Laune und Lust. Sein Gesang war in dem Duett mit dem Pagen wie mit der Prinzessin, und im Troubadour recht angenehm, und nur einigemale hätten wir gewünscht, daß er den Prinzen mehr hätte hervorleuchten lassen. Dem. Julie Zucker war allerliebst als Olivier, und sang ihre Strophe des Troubadour mit erfreulicher Kunstfertigkeit; so wie Dem. Emilie Zucker die Lorezza sehr artig wiedergab. Auch Herr Metzner blieb als Wirth in den Schranken des feinern Singspiels, ob er gleich schon etwas stärker auftragen darf, als der Seneschall. Die Chöre, die Tänze, alles ging nach Wunsch, und vollkommen befriedigt verließen die Zuschauer das Haus. Ich bemerke nur noch, daß: am 8. Mai, Donnerstags, dieselbe Oper mit gleichem Beifall wiederholt ward, und alles noch runder zusammen zu gehen schien, auch Herr Wilhelmi die Stelle im zweiten Akt, auf welche sich unsre obige Bemerkung bezog, ganz in der richtigen Maße sprach. Am 4. Mai. Pagenstreiche, Posse in 5 Aufzügen, von Kotzebue. Der sprudelnde Quell von Lustigkeit in dieser Posse, wird stets für alle erquicklich bleiben, die sich nicht für zu vornehm halten, recht von Herzen über recht herzlich komische Dinge zu lachen. Die Scene, wo der alte Stuhlbein einen Geist in seinem Bette vermuthet, und vor allen der Auftritt des letzten Akts, wo die Ahnenbilder an der Wand ihn zu haranguiren anfangen, sind classisch lustig, und wurden auch diesesmal, besonders durch die heitre Laune von Mad. Hartwig als Page, Herrn Geyer als Stuhlbein, und Herrn Hermanns als Stiefel recht wacker gegeben. Da Mad. Hartwig einmal der neualtdeutschen Tracht halber, die sie gar nicht übel gewählt hatte, eine Schnurr- und Zwickelbärtchen trug, hätte sie nur nicht in letztgedachter Scene im Gesicht der Ahnfrau, sondern des Ahnherrn sich präsentiren sollen. Th. Hell.