## Title: Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 4. bis 12. November 1817 ## Author: Winkel, Therese Emilie Henriette aus dem (für den 12.11.) ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030202 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Am 4. November. Edelsinn und Armuth. Lustspiel in 3 Akten, von Kotzebue. Mad. Blume gab die Josephine. Wir fanden unsre bei der Elisene ausgesprochene Hoffnung nicht bestätigt. Im Gegentheil trat in dieser jede Künstlerin so ansprechenden Rolle, nicht eine Idee von Naivetät und muntrer Laune hervor. Durch Wiegen mit dem Oberkörper sollte das Schalkhafte angedeutet werden, die herrliche Scene mit van der Husen, den Herr Kanow sehr wacker gab, ging ganz verloren, und das Publikum überzeugte sich bald von den Mängeln dieser Schauspielerin. Um so ausgezeichneter stellte Mad. Hartwig die unbedeutend scheinende Rolle der Frau Rose dar, und erhielt mehrmaligen Beifall. Am 6. Novbr. Hamlet. Trauerspiel in fünf Aufzügen nach Shakespear, von Schröder. Herr Werdy vom Nationaltheater zu Frankfurt am Mayn, gab den Hamlet als erste Gastrolle. Sein Künstler-Name ist anerkannt, und prägte sich auch in seinem Spiele wieder aus. Hätten wir vielleicht auch hie und da etwas mehr Feuer in den Character des jugendlichen Prinzen gewünscht, so waren doch Haltung, Declamation besonnenes Spiel und deutliches Organ so lobenswerth, daß der reichlich gezollte Beifall des Publikums wohl verdient war. Am 8. Novbr. Wiederholung der italienischen Oper, La Semplicetta, von Morlacchi. Am 9. Novbr. Octavia. Mad. Vohs vom Nationaltheater zu Frankfurt am Mayn, die Octavia, Herr Werdy den Antonius, als Gäste. Sehr erfreute es uns, auch diese so ruhmvoll genannte Künstlerin bei uns auftreten zu sehen, und wir wünschten nur, daß die Schranken dieses Blattes uns erlaubten, in die Entwicklung ihres in so vielen Stellen trefflichen Spiels einzugehen. Gestalt und Organ unterstützen sie vortheilhaft. Ihre Deklamation ist gedacht, vielleicht hie und da etwas zu monoton, und in den Stellen des höhern Gefühls, deren dieser schön gezeichnete Charakter so viele besitzt, war sie ganz die liebende Gattin und Mutter, oder die edle Römerin. Allgemeiner Beifall ward ihr zu Theil. Der Character des Antonius bietet dagegen viel weniger dar, und Herr Werdy, der ihn mit Fleiße gab, konnte daher auch weniger wirken. Am 10. Novbr. Tony. Mad. Blume, Tony. S. Elisene im Wald bei Hermannstadt. Ganz wun derbar verfehlt war auch heut der flitternde Anzug. Hierauf: Adrian von Ostade. Singspiel mit Musik von Weigl. Am 11. Novbr. Zur Benefize für Mad. Blume: Die Hagestolzen. O! Du herrlicher, idyllischer Character Margarethens, wie wenig warst Du in dieser Gastdarstellung wieder zu erkennen! Der Hofrath Reinhold wurde von Herrn Werdy als Gast sehr wacker gezeichnet, und erhob besonders den schönen Schluß des dritten Akts. Späterhin sah man es offenbar, wie ihm diese Margarethe zum Herzen sprach. Trefflich und mit reiner Natur gab Mad. Schirmer die kleine Rolle der Bäuerin Therese, unter dem lauten Beifall der Versammlung. Am 12. Novbr. Il Barbiere di Siviglia, von Morlacchi. Einen reizenden Genuß gewährte uns heute wieder diese Oper, denn sie wurde mit Feuer, Lust und Liebe ausgeführt. Hinreißend sind diese Zauberklänge des Südens von so feinem Sinn und gründlicher Harmonienkenntniß begleitet. Meisterhaft in dieser Oper beides verwebt, was die ächt komische Oper so interessant macht, daß nämlich die Musik bald ganz Gesang und Gefühl wird, bald ganz Deklamation und Rede, und an zarter zauberischer Sinnigkeit in beiden Gattungen alles übertrifft, was das Wort geben kann; wenn zugleich alle Charactere so treffend durchgeführt sind, und jede Scene, von denen an, wo Gefühl und Scherz innig verschmelzen, bis zu den lustigen wahren Maskenscenen, einen originellen Reiz hat wie hier, da wächst für alle ächte Musikfreunde der Genuß bei jeder Wiederholung. Nirgends könnte aber auch diese Oper trefflicher besetzt seyn als hier: unserer Sandrini Grazie, ausdruckvoller Gesang und schalkhaft feuriges Mienenspiel, Signor Benelli's schöner seelenvoller Vortrag, geben uns Rosina und Almaviva wie der Dichter sie dachte, und wo könnte man einen gewandtern, fröhlichern, schlauern und doch gutmüthigern Figaro, einen ächt spanischern, treffender durchgeführten Bartolo, einen trocknen komischern Basilio finden, als hier in den Sign. Benincasa, Bassi und Decavanti alle spielten und sangen sehr brav und wurden von dem Orchester trefflich unterstützt. Die höchst liebliche Violen-Begleitung von Rosina's großer Arie wurde vom K. M. Pohland herrlich, mit süßem Zauberschmelz der Töne, vorgetragen. C.