## Title: Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 8. Februar 1817: I fratelli rivali von Peter von Winter ## Author: Winkel, Therese Emilie Henriette aus dem ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030065 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Sonnabends den 8ten Februar wurde die Oper: I fratelli rivali, vom Kapellmeister Ritter von Winter zum zweitenmale aufgeführt. Diese Oper, welche vor 20 Jahren hier oft mit ungemeinem Beifall gehört wurde, bleibt stets dem wahren Musikfreund willkommen, da sie eben so gefällige als durchdachte Musik hat, die des berühmten Meisters würdig ist, aber dennoch fühlt man lebhaft dabei wie sehr sich seit diesen 20 Jahren der Geschmack in der Musik verändert hat. Kühl und nüchtern erscheint uns manches, was damals begeisterte; an höhere Kraft, an überraschendere Würkungen, an reichere Fülle sind wir in der neuern Tonkunst gewöhnt und sehr leicht nennen wir jetzt leer, was sonst nur klar und faßlich hieß. Diese Fortschritte sind würklich erfreulich, besonders in so fern eine wärmere, farbenreichere Poesie der Tonsprache dadurch gewonnen wurde, und jene Kraft und Originalität der neuern Zeit nicht Zweck wird, sondern Mittel bleibt. Unbillig wäre es aber, das ältere Kunstwerk deshalb nicht freundlich aufnehmen zu wollen, besonders wenn es so viel wahrhaft Schönes enthält wie diese Oper. Daß die Scene derselben in Sicilien liegt hört man freilich der Musik nicht an, und auch hierinn, nämlich in dem was man den Lokalton einer Oper nennen kann, sind die jetzigen Forderungen strenger, wir würden jetzt verlangen, entweder durch glühenderes Feuer, oder durch idyllischere Anklänge, an dies südliche Hirtenland erinnert zu werden, doch zum Herzen sprechen viele dieser lieblichen Melodieen und so sind sie überall heimisch. Ausgeführt wurde die Oper mit Fleiß und Liebe, besonders zeichnete sich Mad. Micksch durch braves Spiel, Frau von Schüler-Biedenfeld durch ihren trefflichen Gesang einer eingelegten glänzenden Arie, und Signor Benincasa durch die ächt komische Laune aus, womit er den gutmüthigen Alten meisterhaft darstellte. Sehr ausdrucksvoll und brav trug Mad. Micksch die beiden großen Recitative im ersten und zweiten Akt vor. Herrlich ist in dieser Scene die Würkung der Waldhörner, welche so als innigste Stimme der Sehnsucht und des Gemüthes, tiefrührend verhallen. Mit überlegter Sparsamkeit ist diese ergreifende Würkung der Blasinstrumente zu dieser erschütternden Scene allein benutzt, so oft sie auch in der übrigen Oper angewendet sind, so erscheinen sie immer nur versöhnend und lieblich, weder feierlich noch leidenschaftlich, aller tiefere Schatten im Tongemälde ist auf jene Scene konzentrirt. Besonders süß und Friede athmend erklingen sie bei der Versöhnungsscene: „non v'è cosa più dolce, più cara“ mit dieser lieblichen Melodie möchte man jedes sturmbewegte Gemüth einlullen! Recht schön ist auch das Finale des ersten Aktes, die Musik wird hier ganz Sprache und ist eben so kunst- als gemüthvoll behandelt. Es ist gewiß nicht fruchtlos, sich zuweilen auch des stillen Genusses einer solchen älteren Musik zu erfreuen, denn vielseitige Bildung, Fähigkeit jedes Gute und Schöne in seiner Eigenthümlichkeit rein und froh zu genießen, ist das Wünschenswertheste. Sehen wir doch in einer Gemäldegallerie auch die früheren Werke sehr gern neben den vollendetsten, und wie Pietro Perugino's Madonnen neben Raphaels Verklärung, so still und klar erscheint in der Tonwelt eine solche Oper neben der glühenden Fülle einer Schöpfung wie Spontini's Vestalin. C.