## Title: Korrespondenz-Nachrichten aus Mannheim, Juli bis September 1812 ## Author: Gottfried Weber ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031392 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Mannheim. July, August, September. Ich löse mein Versprechen durch Einsendung des gegenwärtigen Quartal-Berichtes, obgleich ich des Erheblichen diesmal nur sehr wenig anzuzeigen habe. Von neuen Opern wurde dem Publicum auch diesmalPublikum im Verlaufe dieses Quartals, ausser dem kleinen Singspiel, die Wette, von Bernh. Ans. Weber, und den Blinden von Toledo, nichts Neues geboten. Ersteres machte wenig Sensation: mehr Eingang fanden letztere, welche auch bald nach ihrer Erscheinung bey vollem Hause wiederholt wurden, obschon auch diese Oper zur Zahl derjenigen gehört, deren Musik durch Lebhaftigkeit des Spiels erst gehoben werden muss: denn was man gearbeitet nennt, ist die Musik wol nicht, am wenigsten die Ouverture. Der Charakter des Onkels, welcher bald durch seine gutmüthige Rechtlichkeit und Verständigkeit uns Theilnahme abgewinnt, bald als der nicht blos Betrogne, sondern wirklich Gefoppte, lächerlich wird, ist nicht gehalten. Die meiste Wirkung machte hier, wie vermuthlich auch sonst überall, das Quartett mit eingeflochtener Romanze. Auch von fremden Künstlern hörten wir wenig Bedeutendes. Mad. Köhler vom Düsseldorfer Theater gab Hulda, Emmeline, u. Aschenbrödel, als Gastrollen, und gefiel durch niedliche Figur, lebhaftes Spiel und angenehmen Gesang. – Hr. Femi aus Paris, Eléve des berühmten Baillot, liess sich sowol im Museum, als auch bald darauf in einem öffentlichen Concerte hören. Seine Mechanik ist wirklich vortrefflich, und die Sicherheit und Leichtigkeit, mit welcher er manche Schwierigkeiten – z. B. in einigen von ihm selbst componirten und in Paris im Stich erschienenen Variationen – besiegt, wahrhaft bewundernswerth: von seinem Vortrage und seinem Geschmacke etwas zu sagen, möchte aber schwer seyn. Ich sage von seinem: denn die Art, in der er spielt, ist nicht sein, ist durchaus manierirt; sein ganzes Spiel ist Manier, und alles, was er vorträgt, immer und überall auf dieselbe Art manierirt: grelle Contraste von gerupften Noten mit zarten Cantabiles. Wollte er eigen seyn, und, statt das Extérieur einer der, die Tagesordnung in Paris behauptenden Schulen gläubig nachzubeten, eine eigne Individualität auszusprechen wagen: so möchte er eher dereinst eine Stelle im ersten Range jetziger Violinisten einzunehmen versprechen dürfen. Der Anschlagzettel zu seinem öffentlichen Concerte kündigte das musikal. Declamationsstück, der erste Ton, von Rochlitz und Carl Maria v. Weber, (jetzt bey Simrock im Stich erschienen) an, und zog eben dadurch ein grosses Auditorium herbey: durch ein vorgefallnes Versehen wurde aber das Publicum des gehofften schönen Genusses beraubt – es konnte nicht gegeben werden. Im Museum wurde neu gegeben: die Ouverture aus Carl Maria v. Weber’s Oper: Silvana. Die Oper selbst ist schon durch den in dieser Zeitung ihr eigens gewidmeten, ausführlichen Artikel nach Würden geehrt und ausgezeichnet, und durch Correspondenz-Nachrichten in eben diesen sowol, als vielen andern Blättern der glänzende Erfolg bekannt, welcher die Aufführungen derselben auf der berliner Bühne gekrönt hat: es möchte darum unnütz seyn, über die einzelne Ouverture hier eine besondre Beurtheilung niederzulegen. Neu waren ausserdem: ein ganz allerliebstes Violoncell-Concertino, ebenfalls von Carl Maria v. Weber, sehr gut vorgetragen von Hrn. Dusch, und mehrere Gesänge für vier Männerstimmen, vom kön. bayerschen Hofmusiker, Georg Schinn; (München, bey Sidler;) vortrefflich fliessende Melodien, durch reine Harmonie gehoben, passen sich dem Sinne der wohlgewählten, theils ernsthaften, theils höchst jovialen Texte trefflich an, und unter dem Vielen, was seit einiger Zeit in dieser leichtern Musikgattung erscheint, gehören sie ohne Zweifel mit in die erste Klasse. Unter den Wiederholungen von ältern Symphonien war die interessanteste die, von Beethovens Eroica, über welche ich jedoch ebenfalls in diesen Blättern mein Glaubensbekenntnis schon im Jahr 1807. abgelegt habe. Im gegenwärtigen Augenblick giebt der Tenorist Molke vom weimarschen Theater hier Gastrollen, und Gern aus Berlin ist hier, um deren gleichfalls zu geben. Ueber beyde mehr in meinem nächsten Berichte. Gottfried Weber.