Rezension der Simrock-Ausgabe sämtlicher Haydn-Symphonien

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Collection des Symphonies de J. Haydn à grand Orchestre, ouvrage classique, édition tres correcte, rédigée sur les partitions originales, dediée a S. A. R. M. Ie Prince Primat, par I ’éditeur. Bonn chez Simmrok. N. 1. bis XX. (Jedes Nro. 2 fl. 45 kr.)

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Nicht den Werth der Werke des jetzt doppelt verewigten und, wie wenige andere, nach Verdienst allgemein gefeyerten Mannes kritisch aufs Neue zu beleuchten, kann die Absicht der gegenwärtigen Anzeige seyn (wiewohl ein erschöpfendes Urtheil darüber im Allgemeinen bis jetzt noch nicht ausgesprochen ist, und wohl noch zu wünschen wäre). – Jedes Urtheilen wird, beym Anblick der vorliegenden Ausgabe, verdrängt vom erhebenden Gefühl, daß durch diese Sammlung dem unsterblichen Nestor der Tonsetzer unsers Zeitalters das schönste Denkmal aufs Neue gesichert ist, an dem er selbst sein Lebenlang aufzubauen nicht müde ward, unzerstörbarer und herrlicher als Marmor, und gewiß seiner würdig – denn welches wäre wohl würdiger, als eine treue Darstellung seiner Werke.

Und doch auch nicht bloß in dieser Hinsicht verdient diese neue und vollständige Ausgabe Aufmerksamkeit und rühmliche Erwähnung in den Annalen der musikalischen Litteratur, sondern auch als erfreuliches Zeichen der Zeit, als Gewährzeichen dafür, daß unsre Musikverleger, welche das heutige Publikum am Ende denn doch am besten kennen – demselben noch ernstlichen Willen zu Aufnahme und Beförderung des wahrhaft Großen und Guten zutrauen dürfen; denn ohne solches Vertrauen würde begreiflich kein Verleger sich an eine so höchst kostspielige Ausgabe wagen.

Was vor einigen Jahren die Breitkopf- und Härtelsche Musikhandlung zu Beförderung des Studiums zu unternehmen gewagt hat, durch Herausgabe eben dieser Symfonieen in Partitur, das thut nun Simmrok für den Genuß der Aufführung, durch Herausgabe der gesonderten Stimmen.

Läßt sich nun auch freylich nicht erwarten, daß ein solches Unternehmen, zumal in den ersten Jahren schon, sehr lucrativ seyn werde, zumal da die ältern Ausgaben der einzelnen Symfonieen sich doch nun schon einmal in den Händen der meisten Liebhaber und Directionen befinden – so ist darum das Unternehmen des Verlegers nur um desto verdienstlicher, welcher denn auch verdienter Maßen von dem kunstehrenden Fürsten, dessen Name die Ausgabe ziert, mit der goldnen Verdienst-Medaille belohnt worden.

Daß übrigens eine Sammlung, welche, wie diese, auf Vollständigkeit Anspruch macht, mitunter auch Mittelmäßiges enthält, wird jeder natürlich finden: doch ist es höchst interessant zu beobachten, wie der so einzige und originelle Schwung der Haydnschen Scherzo’s herrlich und unverkennbar auch schon in den ältern Symfonieen hervorleuchtet, deren übrige Sätze noch recht unbedeutend einherlaufen, z. B. in der mit der Introduction aus B moll. |

Betrachten wir nun die vorliegende Ausgabe nach den Hauptforderungen, welche sich an eine solche Collection complette machen lassen: strenge Treue und Correctheit, zweckmäßige Anordnung und Schönheit des Stiches.

Ref. hat durch tägliche Erfahrung sowohl, als durch die sorgfältigste Vergleichung und Zusammenhaltung sich überzeugt, wie viele – oft sinnentstellende, wenigstens gewiß Effect verderbende Incorrectheiten sich in den ältern Editionen, selbst in den Leducschen Pariser und Breitkopf und Härtelschen Partitur-Ausgaben finden: So z. B. in N. 4. der letztgenannten tritt S. 8 letzte Z. das obligate Vell um einen ganzen Takt zu spät ein, welches 5 volle Takte lang so fortwährt – so ist in N. 23. der Leducschen Partitur S. 17 Z. 8 und 16, dann S. 22 Z. 8 und 16 das obligate Fagott ganz ausgelassen – unzähliger fehlerhafter Strichbezeichnungen, unrechter Noten u. dgl. gar nicht zu erwähnen. An der vorliegenden Auflage aber hat es Ref. nicht gelingen wollen, irgend einen auch nur halb bedeutenden Stichfehler zu entdecken. Zum Beweise daß er es an aufmerksamer Durchsicht nicht hat fehlen lassen, führt er an: Etwa möchte in der zweyten Violinstimme von N. XIX. S. 4 Z. 2 v. u. T. 7 die letzte Note eher his als h heißen müssen. Ebendas. S. 4 Z. 4 T. 9 und an der correspondirenden Stelle der Oberstimme ist das Wiederherstellungszeichen überflüssig, – in N. 1. sollte die letzte Note des T. 4 Z. 4 S. 2 der zweyten Violinstimme nicht b, sondern c’ seyn.

Was das Aeußere des Notenstiches angeht, so ist die Schönheit aller Simmrokschen Verlags-Artikel, welche bey aller Schärfe der Conture[n] das Auge doch nicht blenden, jedem Musikfreund bekannt.

Rücksichtlich der Anordnung wäre es doch besser gethan gewesen, die Blase-Instrumente paarweise auf einerley Notenblatt, aber auf zwey Zeilen zu drucken, als sie bald auf zwey Blättern zu sondern, bald im Gegentheil auf Einem Blatt und zugleich auf einerley Linie zusammenzudrängen, welche erstere Anordnung unnöthig Blätter häuft, Raum auf dem Notenpult verschwendet, und beyden Spielern manche Bequemlichkeit entzieht – letztere aber meistens beschwerlich zu lesen ist, besonders für den Secundarius. Dagegen wäre wohl nicht unzweckmäßig gewesen, jedem Exemplar die Violin- Viola- und Baßstimme in duplo oder triplo beyzulegen, oder wenigstens diese Duplirstimmen, welche sonst doch wieder durch kostspielige und meist nur halb correcte Abschriften ersetzt werden müssen, besonders und im verhältnißmäßig herabgesetzten Preis zu verkaufen, wofür jeder Interessent dem Verleger ohne Zweifel Dank wissen müßte.

Gottfried Weber.

Editorial

Summary

1813-Gottfried-15: Rezension der Simrock-Ausgabe sämtlicher Haydn-Symphonien

Creation

Responsibilities

Übertragung
Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, vol. 6 (1813), issue 40, pp. 638–640

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