Tonkünstlers Leben. Fragment III (Entwurf)

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Fragment aus einer musikalischen Reise, die vielleicht erscheinen wird.

Voll Zufriedenheit über eine Vormittags glüklich geendete Sinphonie, und ein vortreffliches Mittagsmahl, entschlummerte ich sanft, und sah mich im Traume plözlich in den ConcertSaal versezt, wo alle Instrumente belebt, große Assemblée unter dem Vorsiz der gefühlvollen und mit naiver Naseweisigkeit erfüllten Oboe, hielten. Rechts hatte sich eine SpielParthie aus einer Viola damour, Bassethorn, Violdi Gamba, und Flöte Douce arrangirt, die über die verfloßnen guten alten Zeiten Klagetönten, links hielt die Dame Hoboe Zirkel mit jungen und alten Klarinetten und Flöten, mit und ohne unzählige Modeklappen, und in der Mitte war das galante Klavier, von einigen süßen Violinen die sich nach Pleyel und Girowetz gebildet hatten umgeben. Die Trompeten und Hörner zechten in einer Eke, und die PikoloFlöten und Flagoletchens durchschrien den Saal mit ihren naiven kindlichen Einfällen, wovon Mama Hoboe, durchsaus behauptet es sey ächt Jean Peaulsche Anlage und durch Pestalozzy zur höchsten Natürlichkeit erhoben in ihren Tönen. Alles war seelenvergnügt, als auf einmal der grämliche Contrabass von ein Paar verwandten Violoncellen begleitet zur Thüre hereinstürmte, und sich so voll Unmuth auf den dastehenden Direktionsstuhl warf, daß das Klavier und alle anwesendende GeigInstrumente vor Schreken unwillkührlich miterklangen. Nein, rief er aus, – da sollte einen ja der Teufel hohlen, wenn täglich solche Compositionen vorkämen,. da komme ich eben aus der Probe einer Sinphonie eines unserer neuesten Componisten, und obwohl ich wie bekannt, eine ziemlich starke und beleibte Figur kräftige Natur | habe, so hat konnte ich es doch nicht kaum mehr aushalten, und binnen 5 Minuten wäre mir unausbleiblich der Stimmstok gefallen, und die Saiten meines Lebens gerißen. dann Hat man mich nicht wie einen Geisbok springen und wüthen laßen; habe ich nicht mich nicht zur Violine umwandeln sollen, um die Nicht-Ideen des H: Comp: zu executiren, so will ich zur Tanz Geige werden, und mein Brot mit Müllerschen, und Kauerschen TanzDarstellungen verdienen. [Abschnitt. 1stes Violoncell /: sich den Schweis abwischend, :/ Allerdings haben mon cher pére recht, ich bin auch so fatiguirt, daß ich seit den Cherubinischen Opern mich keines solchen Echauffements errinnere. 

[Absatz Alle Instrumente: Erzählen Sie, erzählen Sie.

2t Violoncell. Erzählen läßt sich kaum so etwas kaum, und eigentlich wohl noch weniger hören, denn nach den Begriffen, die mir mein göttlicher Meister Romberg eingeflößt hatt, ist freylich die von uns eben executirte Sinph: ein musikalisches Ungeheuer, wo weder auf die Natur irgend eines Instruments noch auf Ausführung eines Gedankens, noch auf irgend einen andern Zwek, als den, des neu und originell Scheinenwollens hingearbeitet wäre. Mann läßt uns gleich den Violinen in die Höhe klettern, [Absatz. /: 1stes Violonc: :/ ihn unterbrechend. Als ob wir das auch nicht eben so gut könnten,

Eine 2t Violine, Ein jeder bleibe in seinen Schranken,

Bratsche, Ja, denn ich stehe ja auch noch zwischen Ihnen, und was bliebe dann mir übrig. –

1t Violoncell, Ach, von Ihnen ist ja gar nicht mehr die Rede, sie fluthen | nur noch mit Uns im Unisono oder sind zum Schauder und Spannung erregen wie z: B: im Waßerträger da, aber was den schönen Gesang betrift, –

1ste Oboe da kann sich doch wohl mit mir nichts messen,

1t Clarinette Erlauben Madam, daß wir auch unsere Talente bemerken,

1t Flöte Ja, für Märsche und auf Hochzeiten,

1t Fagott, wer kommt dem göttlichen Tenor näher als ich?

1t Horn Sie werden sich doch nicht einbilden so viel Zartheit und Kraft verbinden zu wollen als ich, [Absatz Klavier Und was ist alles dieses gegen die Fülle der Harmonie die ich umfaße? Wo ihr alle nur Theile eines Ganzen seyd bin ich selbständig, und – [Absatz Alle Instrumente schreyen zugleich, Ach schweigen Sie, Sie können ja nicht einmal einen Ton aushalten,

1st Oboe Kein Portamento

2 Flagoletschen, Da hat Mama recht.

2t Violoncell Da kann kein ordentlicher Ton zum Tönen kommen, in diesem Lärm.

Trompeten und Pauken fallen Fortiss: ein. Stille! Wir wollen auch reden. Was wäre die ganze Comp: ohne unsre Effekte, wenn wir nicht knallen, applaudirt kein Mensch.

Flöte die Gemeine Seelen reißt der Lärm dahin, das Hohe wohnt im Lispeln,

1t Violine Und wenn ich euch nicht führte, was würde aus euch allen?

Contrabass aufspringend nein Meine doch, ich halte das Ganze, und ohne mich ist nichts

alle Instrumente zugleich schreiend Ich allein bin die Seele, ohne mich nichts, p p: [ Auf einmal trat | der Calcant in den Saal, und erschroken fuhren die Instrumente aus einander denn sie kannten seine gewaltige Hand, die sie zusammen pakte, und den Proben entgegen trug. Wartet! rief er; rebellirt ihr schon wieder? wartet gleich wird die Sinphonia Eroica von eine Beethoven Sinph: aufgelegt werden, und wer dann noch ein Glied oder Klappe rühren kann, der melde sich, [Absatz Ach nur das nicht, baten alle. ieber eine Italienische Oper, da kann man doch noch zuweilen dabey nikken, meinte die Bratsche. [Absatz Larifari, rief der Calcant, man wird euch schon lehren. Glaubt ihr daß in unsern aufgeklärten Zeiten, wo man über alle Verhältniße wegvoltigirt euretwegen euch ein Componist seines Göttlichen riesenhaften Ideen Schwunges entsagen wird? Gott bewahre, es ist nicht mehr von Klarheit und Deutlichkeit, von Haltung der Leidenschaft, wie die alten Knasters Gluk, Hendel, und Mozart, wähnten die Rede, Nein, hört das Rezept der neusten Sinph. das ich so eben von Wien erhalten, und urtheilt darnhach: 1stens ein langsames Tempo, voll kurzer Abgerißner Ideen, wo ja keine mit der anderen zusammenhang haben darf; alle Viertel stunden 3 oder 4 Noten, das spannt, dann ein dumpfer Paukenwirbel, und misteriöse Bratschen Sätze, alles mit der gehörigen PortionGeneralPause und Halte, geschmükt; endlich, nachdem der Zuhörer vor lauter Spannung schon auf das Allegro Verzicht gethan, ein wüthendes Tempo, in welchem aber Hauptsächlich dafür gesorgt seyn muß, daß kein HauptGedanke hervortritt, und dem Zuhörer desto mehr*

Editorial

Summary

Protagonist schildert aus der Ich-Perspektive einen Traum mit einer Versammlung der Orchester-Instrumente in Dialog-Form, die sich über die Sinfonien eines zeitgenössischen Komponisten (Anspielung auf Beethoven) echauffieren

Creation

Entwurf undatiert, aber vor 27. Dezember 1809

Tradition

  • Text Source: Draft: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 6 (I), Bl. 5r–6v

    Physical Description

    • 2 Bl. (4 b. S.); Text unvollständig
    • WZ: bekröntes, an beiden Seiten von Greifen gehaltenes Wappen; Gegenmarke: stilisiertes, herzförmiges Blatt
    • zahlreiche Korrekturen von Georg Reinbeck, Hg. des Morgenblattes

    Corresponding sources

    • "Fragment aus einer musikalischen Reise, die vielleicht erscheinen wird", in: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 3, Nr. 309 (27. Dezember 1809), S. 1233f.
    • Minerva als Beilage zum allg. musik. Anzeiger, Jg. 1, Nr. 37 (14. März 1827), S. 289–293, bezeichnet als "Traum von Carl Maria von Weber"
    • HellS I, S. 41–47 (Zum zwei und zwanzigsten Kapitel. Fragment aus einer musikalischen Reise, die vielleicht erscheinen wird.)
    • MMW III, S. 256–260 (Zum zweiundzwanzigsten Kapitel)
    • Kaiser (Schriften), S. 462–466 (Viertes Kapitel) (Nr. 160)
    • Jaiser, S. 172/174/176

Thematic Commentaries

Text Constitution

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Commentary

  • darnhachrecte “darnach”.
  • “… d em Zuhörer desto mehr” Fortsetzung fehlt im Manuskript; vgl. Erstdruck Fragment III.

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