Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Wien, Mittwoch, 1. Oktober und Donnerstag, 2. Oktober 1823 (Nr. 7)
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- 1823-09-30: to Haizinger
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Gestern Mittag erhielt ich deinen lieben No. 3 vom 25t Sept: obwohl der Schluß mir eine gute Nacht, versicherte; hat mich doch der ganze Brief besorgt gemacht. die arme Mäzze, und die arme Weibe, wenn doch der liebe Gott, endlich die Zähne gnädig schikken wollte. doch es ist frevelhaft seiner Allmacht vorschreiben zu wollen und muß in Geduld tragen was Er auferlegt. Wenn du mir nur nichts verschweigst, oder doch ins Schöne malest. besonders auch mit deinem Bravsein. Mir geht es recht gut. ich schone mich außerordentlich, und alle Welt beschreit mein gutes Aussehen, und sagt, ich hätte mich um 10 Jahre verjüngt.
Es war recht klug das Paquet zu öffnen. laßt es nur ruhig liegen. Der eine Brief den du mir schiktest, war eine Wein Ankündigung aus Bremen. Wenn der Wein ankommt wird der gute Roth schon wißen was zu thun ist wegen der Akzise. es ist rother französischer Tischwein, und Proben von andern.
Gewiß schreibe ich dir genaustens alles. aber du brauchst dich nicht zu ängstigen, denn wer noch etwas davon hörte ist ergriffen. Gestern früh z. B. kam S: Excellenz der Graf Dietrichstein wie ich eben zum erstenmale mit Haitzinger den Adolar durchgieng, er ließ nicht nach mit Bitten, bis wir fortfuhren, und da war er ganz außer sich über die Arie und das Duett*, und Abends sprach schon die halbe Stadt davon. Von einer solchen Erregbarkeit hast du keine Ahndung.
Mit dem Tumlen zum wiederkommen, wirdst wohl nichts sein, ich muß schon Katz aushalten. Der arme Schubert, nun wäre Gänsb: recht nöthigT, hast du noch nichts gehört? daß mir der Prinz auch keinen Brief schikt, ist doch unbegreifflich.
An die Ouvert: bin ich noch nicht gekommen, da ich an dem Klavier Ausz: oxen muß. Die Stecher sind mit dem ersten Akt fertig. und ich werde getrieben. da sizze ich den fleißigst um 6 Uhr schon dran, obwohl ich spät zu Bette komme, aber die Morgensonne wekt mich gar zu gut in meinem schönen Ouartier. Ich bin sehr gut versorgt, meine liebe Mukkin, und du kannst ganz ruhig sein. obwohl Duports Frau in Baden ist, so besorgt doch die Köchin und der Bediente alles ganz ordentlich, und Duport erkundigt sich alle Tage sorgfältigst ob ich etwas wünsche. Von der Chezy habe ich dir schon geschrieben; sie ist zum Glück auch in Baden, und hat sich hier schon vortrefflichst bekannt | gemacht. ich werde dir Anektoden genug erzählen können. Meiner guten Mäzze, Mi, habe ich herzlich geküßt; der liebe Junge, könnte ich doch nur zuweilen ein 4tel Stündchen bei Euch sein. — Geduld. —
Jezt geh ich zu Tisch. Guten Appetit Frau Mukkin!
Möget Ihr lieben doch eben so gut und süß geschlafen haben als ich, und könnte ich Euch den guten Morgen gleich selbst auf den Mund drükken. — — Nun zu meinem Tagebuche ehe ich gestört werde. d: 29t gieng ich nach Tische mit Forti und Schwarz in den Prater, und sah dann die Libußa. ein sehr mittelmäßiges Werk, ohne Eigenthümlichkeit*. im 2t Finale ist eine reizende Stelle, die die Unger sehr schön vortrug* und wo das Publikum gleich Feuer fieng und sie wiederholen ließ; da sage man noch die Wiener seyen einseitig; was gut ist erkennen sie gewiß, und daß die ital: Oper Enthusiasmus erregen mußte, ist auch gewiß, ich ärgere mich hier oft mehr über die Deutschen als Italiener.
d: 30t früh arbeitete ich fleißig, und Haitzinger kam um seine Parthie durchzugehen, das Resultat stand schon auf voriger Seite. Dann kamen noch viele viele Besuche, und dann der Liebste, dein Brief.
Mittag as ich bei Graf Festetisch, wo ich denn auch etwas spielen mußte. hierauf fuhr ich in die Josephstadt, wozu der Direktor Hensler mir eine Loge geschikt hatte und amüsirte mich sehr gut in Arsena die Männerfeindin. Ein herrliches Theaterchen. Orchester, Chöre und Tänze, recht brav, Dekorationen ausgezeichnet, Sänger nicht übel*. Dann schleppte mich Schwarz noch in die LudlamT.
Gestern, d: 1t 8b nun, hieß es wieder arbeiten, und Besuche annehmen. da kommen denn auch mitunter Betteleyen aller Art, so hat mich gestern eine Tochter der Schauspielerin Foßetta aus Stuttgart um einige Gulden gebracht. sie war hochschwanger, hoffte in wenig Tagen ihre Niederkunft, und hatte nichts; da mußte ich wohl geben. Mittag aß ich im Schwan, machte dann Visiten, auf der Wieden und Leopoldstadt*, zwei entgegen gesezte Vorstädte, ohne zu Fahren, und sah dann abends den Freyschütz, der recht schön voll war zum 68t male*, die Sonntag war sehr brav, und ich denke, die Euryanthe wird gut werden. Schon ein paarmal ist es mir aufgefallen, daß mir jezt die Entfernungen in Wien nicht so groß vorkommen, da ich doch unterdeßen in keiner größeren Stadt war. es mag aber daher kommen, daß ich dießmal gesund bin, und also nicht so leicht ermatte. Der liebe Gott erhalte mich dabei. Nun werdet Ihr eben Euch aus den Betten wälzen, und Mazi bald pappen. ich werde | auch bald mein Frühstük bekommen. und gehe jezt von dir zu dem angenehmen Klavier Auszug!!! nun es kann nichts helfen. Er muß gemacht werden. Die ungebohrne Ouverture habe ich bereits an Steiner verkauft für 50 #*. ich brauche entsezlich viel Geld, keinen Tag komme ich unter einem # weg. wenn ich nur noch eine Kleinigkeit componiren könnte, das wieder einzubringen. ängstige aber deßhalb nicht, und knausre dir etwa was ab. bist du denn bei all dem herrlichen Wetter schon spazieren gefahren? gewiß nicht. Gleich geh und bestelle den Mayer. Da kommt der Fee. ade! ade!
Da habe ich den ganzen Morgen am Klavier Auszug gebüffelt, nun kom ich noch der Mukkin ade zu sagen, Sie zu bußen in Gedanken, gute + + + ihr und Max zu geben, und sie meiner treusten innigsten Sehnsucht nach ihr zu versichern. Dann nehme noch Halstuch um pp und gehe zu H: v. Griesinger zu Tisch. Von den Liederkreißlern hast du wohl noch Niemand zu sehen bekommen. sind Nostizens da, so grüße schön, gehe überhaupt ja einmal in den Lieder KreisT, oder noch beßer, halte ihn bei dir.
Was macht der gute Böttger? Piquots habe ich noch nicht besuchen können, habe aber seinen Brief an sie richtig bestellt*. es wohnt noch alles auf dem Lande, und komt erst in der Hälfte oder Ende 8b zurük. Das warte ich ab sonst verliehre ich zu viele Zeit.
Nun lebe wohl innig geliebtes Leben, Mutter und Sohn. Gott schenke Euch Gesundheit und behaltet lieb Euren treuen Carl.
Editorial
Summary
alle, die Teile aus seiner Oper kennenlernten (z.B. Dietrichstein), seien ergriffen; Ouvertüre sei noch nicht fertig, da er noch am Klavierauszug arbeite; lobt neues Quartier und Versorgung; die Chezy habe sich schon “vortrefflich bekannt gemacht”; 2.10.: über Theaterbesuche (Libussa) u. Visiten; Freischütz-Aufführung; Ouvertüre bereits an Steiner verkauft; Privates
Incipit
“Gestern Mittag erhielt ich deinen lieben No. 3”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 166Physical Description
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- Siegelspur und -loch
- PSt: WIEN
- Rötelanstreichungen von Max Maria von Weber
Corresponding sources
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Reisebriefe, S. 27–30
Thematic Commentaries
Commentary
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“… die Arie und das Duett”Beginn Akt II: Szene und Arie des Lysiart Nr. 10 und Duett Eglantine, Lysiart Nr. 11.
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“… Dekorationen ausgezeichnet, Sänger nicht übel”In der Premiere am 20. September 1823 spielten u. a. Dem. Richter (Arsena), Dem. Wella (Fee Alinde), F. Hopp (Knappe Arthur), F. Heckermann und Dem. Wirdisch; vgl. die Wiener Allgemeine Theaterzeitung, Jg. 16, Nr. 120 (7. Oktober 1823), S. 478.
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“… auf der Wieden und Leopoldstadt”Laut Tagebuch u. a. Besuche bei I. X. von Seyfried (wohnhaft Kothgasse Nr. 162), J. von Seyfried und A. Bäuerle (wohnhaft Jägerzeile Nr. 510).
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“… Brief an sie richtig bestellt”Vgl. dazu auch den Brief von G. A. Griesinger an Böttiger vom 27. September 1823.