Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Wien, Freitag, 1. bis Samstag, 2. März 1822 (Nr. 7)
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Guten Appetit geliebte Mukkin. jezt mampfelst du wahrscheinlich schon, und Gott gebe daß du es tüchtig thust, es dir gut schmekt, und gut bekomt. mir ist vorgestern Abend ein Schüll* mit Kartoffeln schlecht bekommen. Nachdem ich meine No: 6 an dich abgeschikt hatte, holte mich Pixis zu sich zum eßen ab. und spielte mir dann seine neue Oper vor. dann gieng ich zu der Lang, die mich zu Mlle: Unger schleppte. da war auch Mozart, und es wurde mir viel vorgesungen und zwar recht gut. von da fuhr ich ins Theater*. und ging dann mit Grillparzer in Erzherzog Carl. da verzehrte ich den dumen Schüll, der war ein bißel fett. gehe nach Hause schlafe recht gut. wache Gestern früh 1/2 7 Uhr auf, und muß gleich tüchtig speyen, und das war gut. um 8 Uhr kam ohnedieß Schwarz sein Arzt, der verschrieb mir etwas, und befahl mir im Bett zu bleiben weil man jezt mit nichts spaßen müßte, und man einen Mann wie mich doppelt wie krankes Ey hüthen müße. ich hatte natürlich Kopfweh und Fieber; und schlief fast den ganzen Tag, wie aber am Abend mein Fieber nachließ statt sich zu verstärken war ich schon wieder fidel.
Da ich aber Gott vor Augen und meine Lina im Herzen hatte, so nahm ich mir vor mich recht zu halten, und blieb auch heute im Bett bis der Arzt kam, obwohl ich mich ganz heiter fühlte. Der erlaubte mir auch gleich von selbst, aufzustehen, da er mich ganz fieberlos fand, und der Lekker schön sauber war. und da bin ich denn wieder auf dem Zeuge, werde aber doch heute und Morgen noch im Zimmer bleiben um selbst das Tüpfelchen auf dem i nicht fehlen zu laßen.
Die Sorgfalt meiner guten Hausleute ist gränzenlos, und ich könnte nicht beßer gepflegt sein. ich hatte schon halb und halb lust dir gar nichts davon zu schreiben, aber es ist doch beßer. erstlich weil man immer ehrlich sein muß; und 2t weil du durch irgend einen Zufall erfahren könntest ich sei krank, und dich dann gewiß entsezlich ängstigen würdest.
Um 4 Uhr. Jezt habe ich ein gutes Fleischbanadel* und ein halbes Poulardel mit 2 Äpfeln mit gutem Appetit verzehrt, und dann ein Mittagsschläfchen gemacht. ich werd also schon nicht sterben. da ich im 1t Stok wohne, so sehe ich nur ein klein Stükchen Himmel, der ist aber so schön blau, und die Schornsteine so goldig, daß ich gar zu gerne hinaus möchte. aber thue es doch nicht eher, bis mich der Dr. mit Gewalt aus der Stube jagt. Verschiedene Leute habe ich schon zur Verzweiflung gebracht, z: B: Gestern die Baronin Ergelez* die eine große Fète mir zu Ehren arrangirt hatte, eben so heute die Caroline Pichler, heute Abend eine Gesellschaft Künstler, Morgen Graf Festetiz pp. Nun, übermorgen werde ich die Leute wieder glüklich machen. Die Theilnahme und das Nachfragen ist ungemein groß. Es ist mir schon langweilig, und ich schäme mich fast vor dir, immer so von mir prahlen zu müßen. aber es ist nun einmal so, und mündlich solls erst recht los gehen. Das Buch ist noch immer in der Zensur*TT. Sängerinnen höre ich eine Menge*, aber wenn sie auch recht brav im Zimmer und Saale singen, im Theater haperts immer. Die Grünbaum ist auch noch krank. Uebrigens ist es mir als wäre ich schon 10 Jahre hier, so lange komt mir die Zeit vor, obwohl jeder Tag wie eine Minute vergeht. Ich sehe es schon mit mir ist nichts anderes zu machen, als ruhig bei der Mukkin hotten, und Arbeiten. Gegen die Weihrauch Wolken wird man bald dikfellig, und wer weiß welcher andere Mode Artikel mich verdrängt. Mit der Herrschaft | Woerdl, wozu ich 2 Loose hatte, ist es abermals — niz. unser Herr Gott will, ich soll die Freude haben, alles selbst zu erwerben. auch gut. Unter uns gesagt, man möchte mich gar zu gerne hier haben. ich sage natürlich nicht gerade zu, nein, sondern erkläre nur immer daß ich mich in Dr: sehr wohl befinde. Auf Morgen freue ich mich, da kommt ein Brief von meinem herzlieben Weibe. wenn es nur nicht zu sehr zankt, oder was ärger ist, sich grämt, daß der Mann 8 Tage länger wegbleibt — gelt nein? bitte, bitte, ich kann nicht anderst, das Geld ist doch auch ein Nothwendig Uebel, dem man was opfern muß.
nun ade, für heute. will noch allerhand ordnen. gute gute Nacht, mit Rosen gemacht, mit Nelken bestekt von der Männe — gelekt*. + + +. Ewig dein Carl.
Seit 9 Uhr habe ich buchstäblich, die Feder 6 mal in die Hand genommen und immer wegen Stöhrung wieder weg legen müßen. Nun ist dein lieber No: 5 angekommen der mich ganz heiter und froh gestimmt hat, und der Dr: hat mir auch erlaubt Morgen auszugehen, und nur gewünscht daß ich heute noch zu Hause bliebe, was will ich also mehr. Nun geschwind zu deinem Briefe ehe wieder jemand komt. O weh der Freysch: soll nicht ohne mich gegeben werden?* da wirds nicht viel mehr werden vor den Ferien, denn wenn ich d: 14t mein Concert gebe*, so kann ich doch vor dem 15t Nachmittags nicht abreisen. da es verboten ist des Nachts zu reisen, und ich einen Tag doch in Prag ruhen muß, so kann ich also erst d: 21t in Dresden eintreffen.
Allerdings hatte ich mich schwer geärgert bei der ersten Vorstellung die ich hörte*, aber mein Verdruß verschwand sehr bald, wenn ich troz dem an die Resultate dachte, und an den Eifer Aller. Der junge Komponist aber wäre sicher verzwazelt. liebe Mukkin du weißt daß ich dir nicht eher etwas sage, als bis ich es — selbst weiß. das ist eine alte Gewohnheit von mir. also kann ich jezt erst Ew: Gnaden die Hand küßen, und sagen daß ich [die] Ehre haben werde Mittwoch‡ d: 6t zu dirigiren. da den 5t ein HofConcert dazwischen kömt. ich soll Leute nach Dr: engagiren? Wenn sie mich nur nicht nach W: engagirenT
Die Leute sprechen von nichts geringerem als 4000 rh: sage Viertausend Thaler gut Geld. sprich aber noch nicht weiter davon als allenfalls mit Rhode und Böttiger. ich höre alles ruhig mit an und sage weder ja noch nein. Wie könnt ich auch ohne die Mukkin mir nur einfallen laßen eine Meynung zu haben in einem solchen Punkt. Die 2 Roßeln die an den Lebenswagen sich zusamen gespannt haben, müßen auch zugleich anziehen. gelt? Ich freue mich daß du über der Chezy Logis denkst wie ichT. das andre? ja das wäre nicht übel, aber der Saal — und wie wird es sich heizen? Also die Madame giebt viel Geld aus? sieht sie, da muß die Männe wieder welches verdienen. Meine Oper ist von hieraus auch nach Brünn und Preßburg spaziert. wieder 40 #* Nun, Gott segnet mich reichlich. komts auch nicht so | Maßen weise wie bei Romberg*, so sind es doch sehr anständige Tropfen.
Die melancholischen Tage verbitt ich mir, aber ich darf nicht viel sagen, denn ich habe auch dergleichen, und wahrhaftig ohne Ursache, denn mehr fetirt kann Niemand werden. Also Wolfs komen in der Charwoche?* das freut mich recht sehr. Ich bringe schöne Sachen mit, viele Haarlokken /: aber nicht etwa als Liebespfänder, sondern ehrlich beim Friseur bezahlt :/ Würstel, und Wein. Die herrlichen Kipfel die ich alle Morgen zum Fee verschlukke, kann ich aber leider nicht mit bringen. dabey denke ich immer an dich, wie wir in Bamberg sie Schaarenweise verschlukten. ach lieber Gott, bei welcher Gelegenheit dächte ich nicht an dich? Also sie will das nächste Mal mit? nun das wäre eine schöne Fuhre, ein kleines Weib, ein kleines Kind, ein kleiner Affe, ein großer Hund und ein großer Mann —T. Nun, komt Zeit komt Rath. für mich ist aber in diesem Augenblik der beste Rath, nicht mehr zu schreiben, weil es mir doch ein bißel das Kopferl angreifft. also guten Appetit vor der Hand!
Nun Brieflein wandre hin zu der Liebsten Mein. sag sie soll brav sein, heiter und gesund, und den Mann lieb haben, was sie ihm am besten dadurch beweiset wenn sie heiter ist, und ihm Freude macht. Da bringt mir auch Schwarz ein paar Zeilen die er heute Früh geschrieben hat. ich habe ihn aber nicht etwa um ein Attestat gebeten, er hat es von selbst gethan; und ich weiß die Mukkin glaubt ihrer Männe allein schon. Sie weiß daß er ehrlich ist. Grüße mir alle Freunde bestens. daß gar keine Briefe kommen ist wirklich sonderbar, aber gut. von Braunschweig noch keine Nachricht, oder vielmehr Geld, ist aber sehr curios*. Jezt weiß ich nichts mehr zu schreiben, als das alte Lied von dem verliebten Fahnen schmidt*, das ewig neu bleibt. Gott segne dich + + +.
Mariechen* auch +. den ditten Aliza, über den ich lachen muß wenn ich an ihn denke, und den armen Schnuff, buße für michT dir aber schikke ich vor der Hand noch papierne Bußen weil ich sie eben nicht beßer geben kann. und umarme dich innigst in Gedanken.
Ewig dein treuer Carl [Kußsymbol]
Editorial
Summary
überschwänglicher Bericht aus Wien; man spräche von einem Engagementsangebot mit 4000 Taler
Incipit
“Guten Appetit geliebte Mukkin. jezt mampfelst”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 156Physical Description
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- Siegel u. -loch
- Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber
Corresponding sources
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MMW II, S. 422 [Auszüge]
Thematic Commentaries
- Kosenamen und Familiensprache
- Zur Entstehung des Euryanthe-Librettos
- Zu den Honorarstreitigkeiten Webers mit Helmina von Chézy um das Euryanthe-Libretto
- Webers Konzertreisen von Dresden aus in den Jahren 1817 bis 1822
- Vergebliche Anstellungsprojekte und -offerten
- Webers Dresdner Quartiere bzw. Wohnungen
- Haus- und Nutztiere der Familie von Weber
Text Constitution
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“… ”Absenderangabe seitlich in umgekehrter Schriftrichtung:
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“Mittwoch”“Dienstag” overwritten with “Mittwoch”
Commentary
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“… ist vorgestern Abend ein Schüll”Schill = Zander.
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“… da fuhr ich ins Theater”Fraglich ob das Burgtheater (gegeben wurde an dem Abend Jüngers Lustspiel Der Revers) oder das Kärntnertortheater, wo König Waldemar und das Ballett Joconde von A. Gyrowetz auf dem Spielplan standen. Allerdings spielte im Schauspiel C. L. Costenoble den Baron von Seeburg; er hätte Webers Besuch der Vorstellung mit hoher Wahrscheinlichkeit in seinem Tagebuch erwähnt (was nicht geschah). Weber interessierte vermutlich eher das Musiktheater, allerdings hatte er die genannte Oper bereits am 17. Februar (mit identischer Besetzung, nur gekoppelt mit einem anderen Ballett) besucht. Im Ballett am 27. Februar wirkten erneut F. Taglioni (Joconde), Jean-François Rozier (Lucas) und T. A. Rozier (Jeannette) mit. Das „ritterliche Familiengemählde“ Die Scharfenecker von F. C. Weidmann, das im Theater an der Wien gegeben wurde, dürfte Weber kaum zu einem Besuch gereizt haben.
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“… habe ich ein gutes Fleischbanadel”Die klassische Panadelsuppe wird aus Rinderbrühe und altbackenen Semmeln zubereitet und ist in Österreich tradiert.
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“… B: Gestern die Baronin Ergelez”Vermutlich fehlerhaft für Erggelet; die Einladung dürfte von Josefa von Erggelet, geb. von Henikstein (1769–1848), der Witwe von Johann Fidel Freiherr von Erggelet (1751–1815), ausgegangen sein. Zu den unterstützenden Mitgliedern der Gesellschaft der Musikfreunde gehörten deren Sohn Rudolph Freiherr von Erggelet (1800–1882) und eine Freiin von Erggelet; vgl. Anton Ziegler, Addressen-Buch von Tonkünstlern, Dilettanten [...] in Wien, Wien 1823, S. 160.
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“… Sängerinnen höre ich eine Menge”Weber hoffte, in Wien neue Sängerinnen für das Dresdner Theater engagieren zu können, so erwähnt er im Tagebuch ein Vorsingen von Caroline Unger.
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“… von der Männe — gelekt”Weber dachte dabei an die erste Strophe des Volksliedes: „Guten Abend, gut’ Nacht,| mit Rosen bedacht,| mit Näglein besteckt,| schlupf’ unter die Deck.| Morgen früh, wenn Gott will,| wirst du wieder geweckt“.
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“… , ist aber sehr curios”Weber hatte am 7. Februar 1822 die Partitur-Kopie der Preciosa an das Braunschweiger Nationaltheater abgeschickt. Der Empfang des Honorars ist im Tagebuch erst am 14. September 1822 vermerkt.
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“… von dem verliebten Fahnen schmidt”Vermutlich das bereits im frühen 19. Jahrhundert bezeugte Scherzlied Der versoffne Fahnenschmied gemeint („Das neue Lied, das neue Lied | von dem versoffenen Fahnenschmied | und wer das neue Lied nicht kann | der fängt es heut zu lernen an | Und wer das Lied nicht weiter kann | der fange es von vorne an“). Die allgemeine Geläufigkeit dieses Liedes bezeugt auch die Parodie von Grillparzers Ahnfrau, verfasst von Adolph von Schaden (Berlin 1819), in welcher dieser der Person Grete die Worte in den Mund legt: „Immerhin das alte Lied | Vom Versoffenen Fahnenschmidt“, vgl. August Kotzebues Literarisches Wochenblatt, Bd. 3, Nr. 21, März 1819, S. 163.
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“… Mariechen”Kosename für das ungeborene Kind, Max Maria von Weber wurde am 25. April 1822 geboren.