## Title: Carl Maria von Weber an Friedrich Rochlitz in Leipzig. Hosterwitz, Freitag, 16. Juli 1819 ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A041519 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ S. Wohlgebohren dem Herrn Hofrathe Fried: Rochlitz. zu Leipzig. Wo soll ich anfangen, wo aufhören? mein theurer, herzlieber Freund? Es hat sich so viel begeben, und doch auch wieder so leicht in wenig Worte zusamenzufaßendes. Ihnen möchte ich so gerne auch die kleinsten Umstände erzählen, und doch habe ich weder die Kraft noch den Muth es zu thun. Seit ein paar Wochen bin ich wieder schreibefähig. habe auch schon manchen Geschäftsbrief expedirt, aber es erfüllt mich eine häßliche Unlust nach außen, ich möchte lieber blos über mir selbst brüten. Es ist so gar nicht das recht Herzens-lebensfrohe mit dem man nach überstandener Gefahr wieder ins Leben tritt. ich kann mir wohl ohngefähr erklären wie das komt, es liegt nehmlich in denen Grundursachen die meine Krankheit herbeigeführt haben. die ist nicht Folge eines einzelnen Anstoßes, einer Erkältung oder dergl. gewesen, nein, seit 2 Jahren wurde an ihr gebaut, so lange nagte es an mir, und angestrengte Arbeit, Sorge, und Kummer vollendeten das Ganze. Nun das überstanden ist, kann ich aber doch noch nicht das zur Erregung gedient habende vergeßen. Die Gleichgültigkeit mit der ich alles Theaterwesen, meinen Dienst, ja fast die Kunst ansehe, erschrekt mich oft sogar. Mein einziger Trost ist daß ich doch wieder im Selbstschaffen Genuß finde, und somit hoffe ich denn daß sich einmal durch irgend ein freundliches Ereigniß wieder dieser gedrükte und dumpfe Zustand verliehren soll. Es hat mich recht gekränkt daß ich bei dem lezten Besuch Ihrer trefflichen Gattin, sie durch die Dumheit meiner Dienstleute oder Umgebung nicht zu sehen bekam. sie war so herzlich gut theilnehmend. Gott lohn es. ich müste überhaupt undankbar sein wenn ich nicht bekennte daß bei Gelegenheit meiner Krankheit ich von vielen Seiten ganz unerwartete Theilnahme fand. das thut auch wieder wohl. und so herrlich lindernd und ins Herz sprechend kamen nun auch Ihre lieben Zeilen vom 8t May: ich habe sie oft, und wiederholt gelesen, wenn ich so in der Sonne saß, um mich gesund kochen zu laßen; und sezte sich dann das Gespräch mit Ihnen in Gedanken fort, und manches lehrreiche Wort, mancher treue Freundes Wink trat wieder le | bendig vor mich in seiner sich täglich mehr begründenden Wahrheit. kurz, ich war oft bei Ihnen, und weis, Sie waren auch bei mir. Meine gute treue Lina hat sich sehr erholt an Leib und Geist. Sie flicht durch Ihre Heiterkeit wirklich Rosen in mein Leben, und ich darf es ihr nicht merken laßen, daß ich noch ein bischen grau sehe. ganz ist sie übrigens auch noch nicht hergestellt. Im Februar blinkte einmal ein fröhliches Ereigniß, und ich wollte mich fluggs hinsezzen es Ihnen mitzutheilen, aber ein gewißes Etwas hielt mich ab, und siehe da, das Etwas hatte Recht. Graf Vizth: ertheilte mir nehmlich Nahmens des Minist: den offizziellen Auftrag eine große Oper zur Vermählung des Prinzen Fried: zu schreiben. Bedeutende Anstalten wurden dazu gemacht. Kind dichtete das Buch. Gerstäkker wurde dazu verschrieben. alles offizziell mit großem Jubel aller deutsch gesinnten, der Graf ich werde krank, der Graf reißt dann ins Bad, und während seiner Abwesenheit findet es sich daß S: Maj: nichts davon gewust haben, und auch nichts Neues haben wollen. — — Er hätte nur so vorläufig Auftrag gegeben, Anstalten zu treffen — meynten der Herr M:  Was trifft man denn zu einem so großen Kunstwerke für Anstalten? präparirt man sich das Leder dazu, wie der Schuster zu einem paar Stiefeln? Als Beleg zu meiner oben erzählten Stimmung kann ich Sie versichern, daß ich mich nicht einmal darüber geärgert und noch viel weniger verwundert habe. — —  daß die saubere Geschichte mit H: Benelli den Graf: Vizth: veranlaßte bei seiner Abreise um seinen Abschied anzusuchen, werden Sie wohl wißen. Man sagt er würde ihn nicht bekommen, sondern ein Pflaster von 400 rh: Zulage. Noch ist aber nichts entschieden. Wir würden sehr viel an ihm verliehren, er liebt die Kunst, hat den besten Willen, ehrt den Künstler, und ist ein streng rechtlicher, mitfühlender Mann. Wenn wir so einen bloßen Ja Herrn bekämen, wie sähe es da um die Kunst aus? — — wie Gott will. ich thue meine Schuldigkeit, und übrigens Punktum. | Die Einladung in Ihr Sorgen Frey in Konnewitz, hat mich, ich kann wohl sagen wahrhaft gerührt mein theurer Freund. ich weiß was es sagen will, Jemand um sich haben zu wollen, und erkenne mit dankbarer Freude daraus die Stelle die Sie mir in Ihrem Herzen einräumen. ich drükke Sie dafür in Gedanken innigst an das Meine; und sage aufgeschoben ist nicht aufgehoben. bis jetzt war ich wirklich noch krank. jetzt brauche ich Bäder, und dann winkt mir mit Macht wieder die verwaißte Oper in Dresden, also dieses Jahr möchte ich wohl nicht mehr der Freude genießen Ihrem lieben Rufe zu folgen, ob Ihnen aber künftigen Sommer nicht eine Einquartirung auf mehrere Tage droht, davon mögen Sie sich dann die Folgen selbst zuschreiben Die Entfernung des Gutschmids. Hauses von Dresden, thut mir recht leid. wir haben uns zwar nicht so oft gesehen als ich es wünschte, /: das lag aber nicht an beyden Partheyen [:/] dafür war es mir aber auch immer, der eigenen Lieblichk[eit] und Herzlichkeit ohngerechnet, – ein so schönes Fest d[er E]rrinnerung an die fernen Lieben. Doch nun mahnt mich mein Kopf für heute zu schließen, Nächstens ein mehreres über meine vorhabende Arbeit, pp. Die besten Grüße von meiner Frau an Sie und die Ihrige. Gott erhalte Sie gesund und heiter. Mit treuster Liebe und Achtung wie immer Ihr Weber. Hosterwitz bey Pillnitz. d. 16t July 1819.