Moritz Gottlieb Saphir: Bericht über die Aufführung des Oberon in Berlin am 9. Juli 1828
Kronik der Berliner Novitäten.
Königliches
Opernhaus.
Am 9. Juli. Stück:
„Oberon, König der
Elfen,“ romantische Feenoper in 3 Abtheilungen.* Nach dem Englischen des
J. R. Planché. Musik von C. M. v. Weber.
Mit gespannter Erwartung sahen wir der endlichen Aufführung dieses Schwanengesanges unseres unsterblichen deutschen Meisters entgegen, und wenn diese Erwartung auch nicht übertroffen wurde, so wurde sie doch größtentheils befriedigt. – Den Unsinn des Textes beschreibt keine menschliche Feder; eine solche alberne Verstümmlung eines poetischen Werkes hat noch nie stattgefunden, und es blieb den Engländern aufbewahrt, auch in dieser Erfindung | das höchste geleistet zu haben. Der dritte Akt ist das non plus ultra aller Lappalien, und wir ehrliche Deutsche haben nichts gethan, um diese Fadheit zu mildern oder zu mindern. – Die Composition des genialen Weber’s werden wir an einem andern Orte ausführlich besprechen. Hier genüge es zu sagen, daß auch dieses Werk häufige Spuren eines außerordentlichen Talentes an sich trägt, daß die Ouvertüre meisterhaft ist, und daß mehrere Nummern über alle Begriffe herrlich sind. – In der Ausstattung hat sich die Direktion besonders ausgezeichnet. Die Pracht aller Spontinischen Opern zusammen, verschwindet gegen diese wahrhaft feenartige Pracht, und wenn Spontini’s Gegner demselben den Vorwurf machten, daß die Dekorationen, Ballette u. s. w. den größten Reiz seiner Opern bilden, so werden sie jetzt etwas in Verlegenheit kommen, wie sie diesen Vorwurf vom Oberon herabwälzen werden. Da sind alle Künste und alle Elemente, alle Götter und Engel, alle Berge und Wolken, alle Städte und Blumen in Anspruch genommen worden, Tänze und Märsche, Aufzüge und Dekorationen, kurz eine erdrückende Pracht, eine Unsumme von Aeußerlichkeiten blendeten unsere Sinne. Die Dekorationen des ersten Aktes insonders, sind von Herrn C. Gropius mit außerordentlicher Meisterhaftigkeit ausgeführt, und die Ansicht von Bagdad ein vortreffliches Werk*. Das Ganze ist wahrhaft gelungen in die Scene gesetzt worden. Allein die Darstellung des Werkes selbst ist höchstens mittelmäßig zu nennen. Herr Stümer kann den Hüon nicht singen, aller Eindruck wurde verwischt, und die sichtliche Anstrengung wirkte nicht angenehm. Mad. Seidler als Rezia sang, wenn man will, sehr schön, ja vielleicht so schön, wie sie lange nicht gesungen hat, und das mag allerdings mit Recht Vielen genügen. Wenn man jedoch verlangt, daß eine Parthie wie die Rezia mit deklamatorischem Vortrage, mit tragischem Gefühle gegeben werden soll, so war keine Spur von dem Allem da. Die Arie: „Ozean, du Ungeheuer!“ verlangt einen dramatischen Gesang und durchaus keine leichte, spielende, fast tändelnde Manier. Da war keine | Spur von hoher Leidenschaftlichkeit, keine ergreifende Seelenmalerei des großen Sturms der Natur, der sich in ihr selbst wiederfindet.*
Mehr genügte uns Mlle. Hoffmann als Fatime (welches eigentlich die Rolle für Madame Seidler ist), sie sang und spielte allerliebst. Mlle. Diemar zeigte uns als Puck (die eigentliche Rolle der Mlle. Hoffmann), daß Weber auch ohne Contrabässe ein großer Compositeur bleibt, Herr Bader gab die kleine Parthie [des Oberon] ansprechend, allein Herr Devrient d. j. machte aus dem Scherasmin einen Sancho Pansa. Das Publikum nahm die Oper mit Enthusiasmus auf, so daß wenn man den wattirten Enthusiasmus davon abzieht, doch noch ächter genug da bleibt, um die Manen des großen Weber zu befriedigen.
Editorial
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Frank Ziegler
- Korrektur
- Eveline Bartlitz
Tradition
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Text Source: Der Berliner Courier, ein Morgenblatt für Theater, Mode, Eleganz, Stadtleben und Localität, Jg. 2, Nr. 432 (11. Juli 1828), pp. 1–3
Commentary
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“… romantische Feenoper in 3 Abtheilungen.”Laut Tagebuch der deutschen Bühnen die 3. Aufführung des Werks im Königlichen Opernhaus (nach Vorstellungen am 2. und 4. Juli 1828).
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“… von Bagdad ein vortreffliches Werk”Auf dem Theaterzettel sind als Dekorationsmaler lediglich Carl Gropius (I. Akt) sowie Friedrich Wilhelm Köhler und Johann Carl Jakob Gerst (II. und III. Akt) genannt, für die „Ansicht von Bagdad“ liegt allerdings ein Entwurf von Carl Friedrich Schinkel (vom April 1828) vor; vgl. Ulrike Harten, Die Bühnenentwürfe (Denkmäler deutscher Kunst / Karl Friedrich Schinkel. Lebenswerk, Bd. 17), München, Berlin 2000, S. 447–450.
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“… sich in ihr selbst wiederfindet.”Hier folgt im Druck ein größerer Leerraum von mehreren Zeilen.