Antwort auf den Aufsatz über den Umstand, dass der Oberon von Carl Maria von Weber noch nicht auf Berliner Bühnen gespielt wurde (Teil 2 von 2)

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Warum ist der Oberon von Carl Maria von Weber noch nicht in Berlin zur Aufführung gekommen?

(Antwort.)

(Beschluß.)

Wer, der jemals in fremdem Auftrag ein Geldgeschäft wahrzunehmen gehabt hat, kann es uns also verargen, wenn wir uns dem Vorwurf, ja der möglichen Rechtsklage nicht aussetzen wollten, aus bloßer Vorliebe für die Königliche Bühne einen von andrer Seite dargebotenen Gewinn ausgeschlagen zu haben, zumal da man uns hier eine sofort zu veranstaltende Aufführung der Oper zusicherte, dort aber geradezu erklärt hatte, die Darstellung werde vor Ende des eben anfangenden Jahres nicht Statt finden können.

Wir schlossen also volle 48 Stunden nach dem abgelaufenen Termin mit der Direction des Königstädtschen Theaters einen gerichtlichen Contract ab, in welchem uns nicht nur der Preis von 800 Thalern unverkürzt zugesichert, sondern auch noch eine gewisse Tantieme von aller Einnahme nach der 30sten Vorstellung ausbedungen ward. Vergeblich bemühten wir uns, die Direction dahin zu bewegen, daß sie gegen Ermäßigung des Honorars darin willige, daß die Oper auch auf der Königlichen Bühne nach Verlauf einer gewissen Zeit gegeben werden könne. Wir mußten uns begnügen, dieses unser Verlangen in die Verhandlung aufgenommen zu sehn. Immer waren wir der Meinung, daß der volle Werth der Oper, vor einem Publikum, wie das Berlinische, ¦ dessen Stimme vor ganz Deutschland so entscheidend seyn mußte, am besten durch die Concurrenz werde zum Vorschein kommen, und daher wäre uns damals so wohl, wie später, kein Opfer zu groß gewesen, zu welchem wir unsre Committenten für diese Bedingung nicht hätten überreden sollen. – Bei der Aushändigung des Contracts erfolgte die Ablieferung der in unsern Händen befindlichen Partitur.

Wenige Stunden nach dem Abschluß des Contracts erhielten wir von Seiten des Königlichen Theaters die Aufforderung, diesem Geschäft noch Anstand zu geben, weil das andre Theater die Oper Oberon als nicht zu ihrem Genre gehörig, nicht werde auf ihr Repertoir nehmen können. Es wäre doch gut gewesen, uns das früher zu sagen, denn an diesen Einwand hatten wir bei Abfassung des Contracts nicht denken können, da er früher nie erhoben und dieselbe Oper mit der Wranitzkyschen Musik (doch mit einer komischen Person weniger) den ganzen Winter hindurch auf dem Königstädter Theater gegeben worden war. Die Sache war nun nicht mehr zu ändern und es konnte nichts anders geschehn, als daß man den Spruch der schiedsrichterlichen Commission ruhig abwartete, so schmerzlich es auch war, die Aussicht auf die nahe Aufführung der Oper und die Erhebung des Kaufpreises schwinden zu sehen. Indessen glaubten wir doch, in einigen Wochen eine Entscheidung über das Schicksal des uns anvertrauten Gutes erwarten zu können und benutzten diese Frist auf das Thätigste, um die beiderseitigen Directionen zur Annahme der Concurrenz zu bewegen, als in welchem Falle wir in Betreff des Honorars die günstigsten Be|dingungen von unsern Committenten zu erwirken versprachen, indem die Subsistenz der Familie seitdem fester begründet sey, und ihr, eben so sehr, als uns, daran liegen müsse, daß die Oper endlich und wo möglich auf beiden Bühnen in Berlin zur Aufführung komme. Es geschahen auch wirklich, nachdem wider Erwarten vier Monate ohne Entscheidung verstrichen waren (denn die Königstädter Bühne mochte wohl mancherlei Rücksichten zu nehmen haben, die sie hinderten, auf Entscheidung zu dringen) allerhand Annäherungen, es kam ein Austausch anderer Opern in Vorschlag, gegen deren Abtretung oder Gestattung das Königstädter Theater den Oberon der Königlichen Bühne zur Concurrenz und früheren Aufführung überlassen wollte, allein die Unterhandlungen zerschlugen sich, und der Herbst kam heran, ohne daß unser Betreiben eine Aenderung in der Lage der Sache hervorbringen konnte.

Erst am 19ten November ward uns der Ausspruch der schiedsrichterlichen Commission: der Oberon dürfe in der Königsstadt nicht gegeben werden, bekannt gemacht. Wir hatten diesen Beschluß der uns nicht unerwartet kam und dessen Motive in den höheren und allgemeineren Grundsätzen der das gesammte Theaterwesen der Residenz leitenden Behörde beruhten, zu respectiren, glaubten aber doch, in der Ueberzeugung, daß die Concurrenz sehr wesentlich zu vollständiger Würdigung der letzten Weberschen Oper von Seiten des Berliner Publicums beitragen *) und diesem selbst nicht unerwünscht sein werde, den letzten möglichen Schritt nicht versäumen zu dürfen, um mittelst einer unterthänigen Vorstellung bei des Königs Allerhöchster Person, auf dem Wege der Gnade die Verstattung der Concurrenz zu erbitten, ein Schritt, der wie wir sogleich erfuhren, nicht in den Wünschen der Königsstädter Bühne lag, den wir aber, unsre Pflichten gegen den Künstlerruhm unsers entschlafenen Freundes und gegen das Beste seiner Kinder fest vor Augen haltend, nicht unterlassen zu dürfen glaubten, und von welchem wir beide Theater-Directionen mit der Anzeige in Kenntniß setzten, daß wir bei der schwierigen Lage, welche die Sache nunmehr gewonnen habe, die Verantwortung, in welche die ferneren Unterhandlungen uns verwikkeln könnten, nicht mehr zu übernehmen im Stande wä¦ren, deßhalb die Vormundschaft der minorennen v. Weberschen Erben gebeten hätten, uns von dem Auftrage in dieser Sache zu entbinden und sie ersuchen müßten, von jetzt an sich mit dieser in unmittelbare Correspondenz wegen des Oberon zu setzen. Es schien uns, als werde dieses Zurücktreten die weiteren Verhandlungen nur erleichtern können, da wir wohl Gelegenheit gehabt hatten, zu bemerken, daß unsre Vermittelung, so sicher wir auch waren, im Sinne unsrer Committenten zu handeln, doch nicht mit eben so günstigen Augen von einzelnen achtbaren Mitgliedern der hiesigen Direction betrachtet werde.

Nachdem wir allen Theilen von der erfolgten Allerhöchsten abschläglichen Resolution Nachricht gegeben, glaubten wir also unser Geschäft völlig beendigt, als von Seiten der Königlichen Theater-Direction die Partitur der Oper von uns gefordert wurde, die, wenn wir sie noch in Händen gehabt hätten, doch nur in Auftrag der Vormundschaft hätte ausgeliefert werden können. Sie befand sich aber noch in den Händen der Direction des Königsstädter Theaters und diese erklärte uns, sie wolle an ihren Contract gebunden sein und die Partitur, wenn sie auch für jetzt keinen Gebrauch davon machen könne, für etwanigen späteren Gebrauch behalten und bezahlen. Unser Contract nehmlich besagt, daß wir nach dem Verkauf des Werckes an die Königsstädter Theaterdirection dasselbe nicht anderweitig verkaufen dürfen, darum besteht diese auf die Vollziehung des Contracts und hält auch nach unserm Austritt die Vormundschaft zur Leistung der Bedingungen an, die wir in ihrem Namen, freilich ohne die Folgen voraussehn zu können, eingegangen sind.

Dies ist die gegenwärtige Lage der Sache, deren Hergang von uns hier mit aller Wahrhaftigkeit und ohne Verschweigung eines irgend bedeutenden Umstandes erzählt worden ist. Wir haben dagegen manches, was in diesen Streit hineingezogen zu werden pflegt, aber nicht zu dieser Geschichte des Verlaufes gehört (z. B. was Webers frühere Verhältnisse zu der hiesigen Theater-Direction, Honorar und Ertrag des Freischützen, Unterhandlungen wegen der Euryanthe u. s. w. betrifft) um so lieber unberührt gelassen, als wir auf die im Tages-Gespräch laut werdenden Urtheile kein so bedeutendes Gewicht legen können, daß sie einer Widerlegung bedürften. Man hat Unrecht, wenn man in dem Wahrnehmen eines amtlichen Interesse sogleich persönlichen Widerwillen vermuthet und dabei von Verunglimpfungen, die sich ein Künstler gegen den andern zu Schulden kommen lasse, redet. Ein Streit, den die auf mancherlei Weise an einer öffentlichen Angelegenheit der Kunst amtlich Be|theiligten unter einander führen, wird erst verdrießlich, wenn sich Unbefugte einmengen und durch ein, wenn auch noch so gutgemeintes, aber schiefes Urtheil, die Meinung des Publicums verwirren und es versuchen die Streitenden zur Erbitterung aufzuregen.

Dr. H. Lichtenstein Heinr. Beer.

[Original Footnotes]

  • *) Es lagen ja Beispiele genug vor, daß Werke, die bei der Aufführung auf der einen Bühne sehr gleichgültig aufgenommen waren, durch ein besseres Gelingen auf der andern zu Lieblingsstücken des Publicums geworden waren.

Editorial

Summary

Antwort, Teil 2/2

Creation

Responsibilities

Übertragung
Jakob, Charlene

Tradition

  • Text Source: Berliner Conversations-Blatt für Poesie, Literatur und Kritik, Jg. 2, Nr. 13 (18. Januar 1828), pp. 49–51

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