Konradin Kreutzer an Anton Schindler in Aachen
Köln, Freitag, 25. Dezember 1840
Ihre l.‡ Schreiben habe ich diesen morgen erhalten‡, und, um ja bey meinen vielen Geschäften und Zerstreuungen die Antwort nicht zu verzögern – setze ich mich sogleich ans Schreibpult. – –
Ich dachte wohl manchmal bey Lesung der hiesigen ZeitungsArtickel über Theater – an Sie – und daß Sie sich daran amusiren würden – Indessen ist die Sache lange nicht so ernstlich, als sie gedruckt aussieht – über das ganze herrscht auch mißverständniß – wohl auch böser Wille der Weberschen Parthie, die gern im Trüben fischen möchte! – ich bin auf meiner Hut – und denke an meinen Vortheil – stelle mich für die Zukunft so sicher, wie möglich.
Für mich wichtiges hat sich dieser Tage folgendes ereignet Es war die Wahl des Commitées für das PfingstFest-Conzert es wurden 7 meiner besten Freunde – mit einer Stimmenmehrzahl von 53 unter 65 gewählt – denn die Webersche Parthie wollte natürlich – ihn zur Direction dieses großen Conzertes vorschlagen.
Nun zu Ihrer Angelegenheit: – Ich kann Ihnen mit gutem Gewissen zur Steuer Wahrheit zusichern – daß die Oper Eureanth von CarlM: Weber, bey den ersten 2 oder 3 Vorstellungen, die er selbst dirigierte, im ganzen nicht sehr angesprochen hat! Die HauptUrsache hievon, war wohl die übermässige Länge dieser Oper, denn die erste Vorstellung währte von 7 Uhr bis 3/4tel über 11 Uhr – auch war die Besetzung etwas mangelhaft – Dll: Sontag war für die Rolle der Eureanth in Gesang, Stimme, und Spiel zu schwach – Madam Grünbaum zu kalt. – Aber ich werde diese Oper nach den drei ersten Vorstellungen im gleichen Jahre höchstens 6 mal noch dirigiert haben – dann | blieb sie ganz vom Repertoir weg – in späteren Jahren kam sie wieder unter der Direction des Grafen Gallenberg in die Szene – ja Madam Schröder Devrient sang selbst unter der Direction des Hℓ Duport die Eureanthe, ohne daß das Wiener Publicum eine grössere Vorliebe dafür gezeigt hätte, und so blieb diese Oper meines Wissens bis jezt vom Repertoir. – noch muß ich Ihnen beyfügen – daß mich Carl M: v Weber bey der vorlezten Theater-Probe der Eureanthe um meine offene Meinung fragte – ob wohl diese Oper in Wien gefallen würde – worauf ich Ihm ohne Hehl sagte – ja, aber nur unter einer Bedingung nemlich wenn er die Partitur um ⅓tel kürzen würde! – worauf er nur erwiedert „das kann und werde ich nicht thun![“] – den andern Tag aber nach der 1ten Vorstellung kam er zu mir – übergab mir seine Partitur mit der Bitte – nach der dritten Vorstellung – solches ganz nach meiner Ansicht, die ich Ihm mündlich mittheilte, zu streichen, und Ihm eine Abschrift hievon nach Dresden zu senden – was auch geschah – und nach welcher Einrichtung er diese Oper später in Dresden, und an andern Theatern zur Aufführung brachte. –
Von diesen Notitzen können Sie nun nach Belieben Gebrauch machen es sind Thatsachen, die ich verbürge. –
Madame Esborn ist seit ein paar Tagen hier – ich hoffe bey der immerwährenden Unpäßlichkeit der Dlle Ost wird Sie wohl hier zum singen kommen – dann werden die Reibungen erstrecht anfangen – und ich mit meiner Tochter aus dem Spiel kommen. –
Haben Sie in Achen nun auch sehr schönes Wetter, ich hoffe nur, daß Sie zu Ihrer Pariser Reise eben so günstige Witterung haben werden – und daß Ihnen dort alles nach Wunsch gelingen möge – das zum Neuen Jahr! |
Vergessen Sie nur in Paris nicht meiner! – Ich möchte gar so gerne, daß es möglich wäre, eine meiner schon componierten Opern als das Nachtlager, oder die Libussa, auf einem der bedeutenden Theater zur Aufführung bringen – ich glaube auch beyde Opern – mit etwelchen Abänderungen im Buch müßten dort so gut als in Deutschland gefallen auch glaube ich daß sich der genre der musick in beyden Opern, mehr für die Opera Comique, als für die grosse Oper eignen wird. – wenn Sie vorderhand durch den Hℓ: Schlesinger – oder […]‡– eine Unterhandlung für mich anknüpfen könnten – worauf ich mich, wenn ich im Juny oder July nach Paris käme, fußen könnte – so wäre das allerliebst vieleicht machen Sie Bekanntschaft mit einem guten Dichter – die sich ja in der Hoffnung Ihres eigenen Interesses – gerne mit einem Componisten von Ruf – vereinen und arbeiten, – lernen Sie einen solchen kennen – woran ich nicht zweifle – so kann ihre Empfehlung als Mann vom Fache – ja ganz sicher ein günstiges Resultat herbei führen! – Sollten Sie den Herrn Beriot Violinspieler – der Zeit Gatte der Mad: Malibran – kennen lernen – so sagen Sie Ihm Alles Schöne von mir – und ob er wohl im Sommer in Paris oder wo sonst seyn werde! – er war im verflossenen Jahr in Wien, wo wir uns sehr oft sahen er animirte mich lebhaft, ja nach Paris zu kommen und versicherte mich: daß ich gewiß als Compositeur der Zeit großes Aufsehen [erregen] werde – der Mangel an guten Theater Componisten sey wirklich sehr fühlbar. – auch gab er mir den Rath mich sehr vor MaierBeer und Schlesinger zu hüten und vorerst nur für das Theater Fedeau, oder la Renaisance zu schreiben um die Eifersucht des einen nicht zu sehr rege zu machen. –
Künftigen Dienstag soll Fidelio seyn – Sonntag ist Donjuan – heute die mir eckelhafte Oper Belisario! – Ich hoffe vor Ihrer Abreise noch ein Briefchen von Ihnen zu erhalten –
mit all[er] Achtung und Freundschaft Ihr er[ge]benster Conradin
von meiner l.‡ Frau und Kindern alles Glük zum Neuen Jahr
Sagen Sie dem Hℓ: Theaterdirector nebst meiner Empfehlung er möchte mir verzeihen, daß ich Ihm die Recitative pp zum Nachtlager bis dato noch nicht zugesandt habe ich habe mit dem hiesigen Copisten ein Kreutz – schon seit 5 Wochen habe die beyden Figaro* zum Ausschreiben gegeben – und bis zur Stunde nicht erhalten?
Editorial
Summary
spricht von einer ihm feindlichen Weber‑Partei; versichert, dass Euryanthe in Wien zunächst nicht gefiel; Ursache: Länge, Sontag u. Grünbaum zu schlecht; nach seinen eigenen weiteren 6 Vorstellungen sei sie verschwunden; er selbst habe Weber vorgeschlagen, die Oper um 1/3 zu kürzen u. Weber habe seine Kürzungsvorschläge nach anfänglichem Mißfallen übernommen; Schindler könne von diesen Notizen Gebrauch machen; empfiehlt ihm seine Opern für Paris u.a.
Incipit
“Ihre l: Schreiben habe ich diesen Morgen erhalten”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Mus. ep. Konradin Kreutzer 23Physical Description
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- PSt: COELN 26 5-6
Corresponding sources
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Anton Schindler, Biographie von Ludwig van Beethoven. 2., mit 2 Nachtr. verm. Ausg. Münster 1845, 1. Nachtrag S. 106–107 (Auszug)
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Joachim Veit, Frank Ziegler, Dagmar Beck, Eveline Bartlitz and Helmut Hell (Ed.), Carl Maria von Weber: “… wenn ich keine Oper unter den Fäusten habe, ist mir nicht wohl”. Eine Dokumentation zum Opernschaffen. Katalog zur Ausstellung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Wiesbaden 2001, pp. 160*
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“Ich will es nicht, wie weiland Carl Maria, machen”. Conradin Kreutzer, Meyerbeer und Friedrich Kind. Vier Skizzen, in: Weberiana, issue 21 (2011), pp. 75f.* ,