## Title: Aufführungsbesprechung Gotha: “Abu Hassan” von Carl Maria von Weber, 10. Januar 1813 ## Author: Reichard, Heinrich August Ottocar ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031019 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Korrespondenz-Nachrichten.Eisenach, 12. Januar. Meine gestrige Etape zu Gotha verschaffte mir ein unerwartetes Vergnügen, das mir, aus unwirthbarn Gegenden Kommenden, um so willkommner war. Mein gefälliger Wirth – gefällig, wie nach dem Zeugnisse bey der Armee die meisten Quartierwirthe dieser kleinen, aber von jeder geselligen und gebildeten, Stadt gegen ihre soldatischen Gäste seyn sollen – nahm mich des Abends mit sich in die Vorstellung auf einem Gesellschafts-Theater, von dem er Mitglied war. Man gab die Kleinigkeiten, von Steigentesch, ein langweiliges Stück; ich bedauerte die beyden artigen Frauenzimmer, die darin auftraten. Desto allgemeiner und auch verdienter war der Beyfall, den das folgende, dies niedliche Hiemer’sche Singspiel, Abu Hassan, erhielt. Die Musik ist von Maria Weber, der Harmonie, Originelles und Wohlklang mit vollen und reichen Händen darin ausgespendet hat. Das Sujet ist aus Tausend und einer Nacht genommen, und drollig genug; ein eingespicktes Duett schien mir nicht zu dem Uebrigen zu passen. Die drey Haupt-Rollen, Fatime, Hassan, Omar wurden von Mlle. Schlick und den HH. Sola und Waiz in Sang und Spiel trefflich ausgeführt. Ich glaube, daß es nicht besser, selbst von geübten Sängern und Schauspielern, gegeben werden kann, und würde jedem Theater zu einem Sänger und Schauspieler, wie Hr. Sola, Glück wünschen. Ueberhaupt ging Alles rund und machte ein gutes Ensemble. Das Kostum war richtig und geschmackvoll; selbst der Aufzug am Schluß hatte nicht das Kleinliche, was gewöhnlich auf kleinen Theatern solche Aufzüge haben, und Zobeide und mein alter Jugendfreund, der Beherrscher der Gläubigen, werden gewiß mit Wohlgefallen auf ihre beyden Stellvertreter herabeschaut haben, ein Paar edle, jugendliche Gestalten in einer reichen, schimmernden Tracht, und die das Wenige, was sie sagten, mit der Würde und dem Anstand eines Kalifen und seiner Favoritinn sprachen. – Das Theater ist klein, allein einfach und mit Geschmack dekorirt. Die Gesellschaft hat es auf ihre Kosten erbaut, und viele Mitglieder haben, con amore, zu dessen Ausstattung mit ihren Talenten beygetragen. Mein Wirth erzählte mir, daß einmal die Rede davon gewesen, eines auf öffentliche Kosten zu erbauen, und ich pflichte ihm darin bey, daß jenes vielleicht mehr Geld gekostet haben könnte, aber schwerlich seinen Zweck besser erfüllt haben würde, als dieses, das dem hiesigen theaterlustigen Publikum mit geringem Aufwande Genüge leistet. Dies Gesellschafts-Theater besteht erst seit dem August des vorigen Jahrs, und da ich noch keine Nachricht davon in Ihren Blättern fand, und eben im Briefschreiben bin, so erlauben Sie mir, daß ich die Lücke ausfülle.