Zur Erstaufführung der Euryanthe in Leipzig am 20. Mai 1825 (Teil 2/3)
Aus Leipzig.
(Fortsetzung.)
Der dritte Akt beginnt mit einer Introduction leiser, wehmütiger Klänge. Euryanthe folgt dem zürnenden Adolar in eine vom Mond beleuchtete schaurige Felsengegend. Er will sie morden. Sie ist sich ihrer Unschuld bewußt, aber selbst der Todesstreich von des Geliebten Hand dünkt ihr Seligkeit. Eine Schlange nahet sich. Euryanthe will, sich opfernd, sein Leben retten. Adolar weiset ihr großmüthiges Anerbieten zurück und kämpft mit der Schlange hinter der Scene, während Euryanthe in liebender Angst Rettung für ihn vom Himmel flehet. Diesen Moment hat der Seelentonmaler Weber in der Arie: „Schirmender Engel Schaar“ bis zu den Worten: „Nun laß mich sterben!“ unübertrefflich geschildert. Adolar will nun ihr Richter nicht mehr seyn, ist aber grausam genug, sie in der Wildniß ihrem Schicksale allein zu überlassen. Die Morgenröthe bricht an, in der Ferne tönen einzelne Waldstimmen von Hörnern und Hirtenflöten. Ihr Herz bricht allgemach, indem sie in der Cavatine: „So bin ich nun verlassen!“ ihr Schwanenlied sang. Bei den Schlußworten:
„Die Blum’ im Thaue spricht:„Nein! sie verrieth Dich nicht!“sinkt sie ermattet unter eine Trauerweide. Tiefe Rührung füllt das Herz der Zuschauer. Bald darauf hört man Jagdhörner tönen. Die Jäger steigen den Felsen herab und singen den Jägerchor: „Die Thale dampfen, die Höhen glüh’n“. Dieser geniale Volksgesang mußte bei jeder Vorstellung auf Verlangen des Publikums wiederholt werden. Der König erscheint, man findet die dem Sterben nahe Euryanthe. Die Hoffnung, ihre Unschuld entdeckt und durch den König ihren zürnenden Geliebten versöhnt zu sehen, facht den verlöschenden Lebensfunken auf’s Neue in ihrem Busen an. Sich vom Lager erhebend singt sie mit aller Gluth athemloser Sehnsucht die Arie: „Zu ihm, zu ihm!“ durch welche der Tondichter allen‡ Charaktervollen, was sein Werk auszeichnet, die Krone aufsetzte. Wie ihn übrigens die Darstellerin Dlle. Sonntag hier nachfühlte, mag freilich selten einer andern in gleichem Grade gelingen. Und doch hören wir sagen: „die Dresdner Euryanthe, Mad. Devrient, übertreffe Dlle. Sonntag noch in manchen Momenten der Rolle.“ Wenn dem wirklich so ist, dann rufen wir der verehrten Künstlerin aus voller Seele zu: „Kommen Sie nach Leipzig! o kommen Sie schnell und gönnen uns das Vergnügen, sie zu bewundern!“ – Nach diesem frohen Aufflackern sinkt nun Euryanthe erschöpft zu Boden, wird sanft auf ein aus Zweigen geflochtenes Bette gelegt und durch die Jäger weggetragen.
Die Scene verwandelt sich. Man sieht Landleute vor der Hütte eines Brautpaares und hört das mit Chor begleitete artige Volksliedchen:
„Der Mai bringt frische Rosen dar“ ,welches uns ein würdiges Seitenstück zu dem Jungfernkranz des Freischützen scheint. Es verlangt freilich einen guten Vortrag, dessen es sich nicht erfreute, da Dlle. Hanf, die es zu singen hatte, sich an diesem Abend unwohl befand. – Der betrübte Adolar nahet sich, wird von den Landleuten erkannt und von ¦ Eglantinens Verrath unterrichtet. Der Brautzug der Lysiart verlobten Eglantine nahet. Die Braut, von Gewissensbissen gefoltert, entdeckt den Betrug. Adolar zieht das Racheschwert gegen Lysiart, der König trennt sie. Lysiart mordet Eglantinen und wird als entlarvter Bösewicht abgeführt. Adolar macht sich Vorwürfe wegen der Grausamkeit, mit welcher er die untreu geglaubte Euryanthe behandelte. Da tönen Hörner, und Freuderuf verkündet, daß die Geliebte zum Leben erwacht sey. Sie sinkt mit den himmlischen Klängen: „Hin nimm die Seele mein!“ in Adolar’s Arme, und ein brillanter Schlußchor endigt das Stück. So viel über das Kunstwerk selbst, wobei die Kritik gerechterweise nicht verschweigen darf, daß, das oben Gerügte abgerechnet, die Dichterin Situation und Scenerie gut geordnet und auch durch die Worte im Einzelnen den Componisten trefflich unterstützt hat.
Die Ausführung anlangend, so wurde von Seiten der Sänger und Musiker Alles vorbereitet, was nur ein in so vieler Beziehung schwieriges Tonwerk verlangt. Das Orchester führte nicht allein die Musik mit Präcision auf, sondern wußte ihr auch Schatten und Licht zu geben. Und dieß verlangt Weber’s Euryanthe vor allen andern Opern. Ein schlecht geleitetes oder ungeübtes Orchester wage sich ja nicht daran. Vorzüglich ist an gar vielen Orten das bescheidenste Pianissimo in der Begleitung nöthig, wenn der Gesang, der doch immer der über dem Wasser schwebende Geist bleibt, gehörig effectuiren soll. Wenn in dieser Hinsicht der Fleiß und gute Geschmack unsers Musikdirectors Präger und die Geschicklichkeit der Mitglieder des Orchesters zu rühmen stehen, so dürfen wir zugleich die Verdienste des Herrn Fischer nicht übersehen, die derselben beim Einstudiren der Frauen- und Männerchöre sich erwarb. Sie gingen noch in keiner Oper so gut wie in dieser, und das sämmtliche Chor-Personale hat wirklich Treffliches geleistet. – Eglantine war durch Mad. Finke gut besetzt, denn uns will bedünken, als sei die Sängerin gerade in leidenschaftlichem Gesange recht an ihrem Platze. Die Parthie des Adolar sang bei der ersten Aufführung Hr. Höfler, bei der zweiten Hr. Vetter. Ersterer war gerade nicht bei guter Stimme, aber man fühlte wohl, daß in anderm Falle viel Schönes von seinem Vortrage zu erwarten sey. Ueber Herrn Vetter’s sichtbare Vervollkommnung im Vortrag und Spiel haben wir uns wahrhaft gefreut. Ihm hat die Natur eine so schöne Stimme gegeben, daß wir ihm nicht genug rathen können, sie fleißig zu üben, nach guten Mustern zu leiten, vorzüglich aber sich vor gewaltsamer Anstrengung derselben zu hüten, wozu ihn sein Naturell, besonders im Recitativ, gar zu gern hinreißt. Die Parthie des Lysiart war ebenfalls und zwar, wie verlauten will, in Folge eines Rollenstreites beider Sänger, doppelt besetzt. Einmal gab sie Herr Köckert, einmal Herr Genast, nach unserm Urtheile beide gut, denn obgleich stellenweise bei dem Einen das Spiel überwog, so glich dieß doch der Zweite durch gleiche Vorzüge in andern Momenten aus, so das[s] man nicht füglich sagen kann, welcher von Beiden der Bessere war. Nur müssen wir an Herrn Genast rühmen, daß er sein Aeußeres gefälliger hielt, denn gefallen muß doch ein Ritter können, der sich vermißt, das Herz der Euryanthe gewinnen zu wollen.
(Der Beschluß folgt.)
Editorial
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Bandur, Markus
Tradition
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Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 9, Nr. 152 (27. Juni 1825), pp. 608