## Title: Rezension: “Der Freischütz” von Carl Maria von Weber (Teil 2 von 3) ## Author: Fouqué, Friedrich de la Motte ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030454 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Auch ein Gespräch über den Freischützen.(Fortsetzung.)Bernhard. Lieber Freund, aber ich bin vielleicht ein so großer Bewunderer von weißen Rosen, als es je auf Erden Einen gegeben haben mag, und höchstens etwa die weißen Lilien möchten mir noch drüber gehn. Aber was hör' ich denn im Freischütz von den weißen Rosen, bevor sie wirklich ihr Schützeramt ausgeübt haben? – Albert. Die sinnvollsten und entschiedensten Andeutungen hörst du davon, und zwar gleich von Anfang herein. – Du schüttelst staunend den Kopf? – Wie denn? Solltest du wider all deine Gewohnheit ein Dichterwerk so ausnehmend nachlässig gelesen haben, und in so höchst vergeßlichen Muthe? Bernhard. Gelesen! Ich hab' es gar nicht gelesen, aber unterschiedlichemale mit inniger Achtsamkeit auf der Bühne gehört und erschaut. Albert. Aber du sonst fleißiger Leser, warum bliebst du denn diesmal zurück? Bernhard. Weil Dichter und Musiker die Oper doch wohl zunächst für's Sehen und Hören geschaffen haben. Eine gelesene Oper! Das ist ja nicht viel anders, als eine gehörte Pantomime! Albert. Auch wenn Friedrich Kind der Operndichter ist? Bernhard. Ich sage dir, ich habe mich an der Liederpoesie des Opernbuches erquickt, wie wohl kaum an der Gesammtpoesie manches Musenalmanaches. Aber zu viel muthet der Dichter seinem schauenden und hörenden Publikum zu, wenn es nach einer rauschenden und in der That den Sinn befangenden Eröffnungsscene noch Ohr haben soll für einzelne leise Anspielungen im Dialog. Dergleichen gehört in die Exposition der ersten Scene herein, wenn es den Geist ohne störende, ja wirklich ängstende Räthselhaftigkeit erfassen soll. Albert. Glücklicherweise hat mich mein lieber Freischütz hier mit herausbegleitet. – (Indem er ihm das Buch hinhält). – Da! Mir zu Liebe lies nur einmal die ersten Seiten. Bernhard. Gern. – Aber halt! Du hast ja in einer deiner Zerstreuungen, – wie sie sich zuweilen für allzustrenge Bedachtsamkeit an dir rächen, – das unrechte Buch mit herausgebracht. Eine Agathe und ein Einsiedler kommen freilich auch drin vor. Aber der Eremit eröffnet ja das Stück, und – und dann tritt gleich Agathe herzu – Albert. Lies doch nur, was sie mitsammen verhandeln. | Bernhard. Von bedrohlicher Gefahr, sprechen sie, durch ernste Ahnungen dem frommen Manne verkündet, – noch abzuwenden durch zarte Reinheit des Herzens; – von geweihten weißblühenden Rosen; – vom Pressen der Rosen singt anmuthig ernst der Eremit, – von prüfenden Läuterungsschmerzen der Menschenseele anmuthig ernst Agathe! – Mein Himmel, da ist ja auf Einmal Alles klar! Nicht prosaisch verrathen das magische Geheimniß des Ausganges, aber vorbereitet doch Alles, sowohl in der frommen Gewalt des Eremiten, als in der geheimnißvollen Macht der weißen Rosen! – Nun wahrhaftig, da möchte man ja mit einstimmen in das jetzt modegewordene Schreien über die Theater-Direktionen! Hört man doch von keiner Seite, daß irgend der Freischütz in dieser nothwendigen Vollständigkeit aufgeführt worden sey! Und ich dachte Wunder, was für treffliche Darstellungen ich davon erlebt hätte! Albert. Die hast du auch wirklich davon erlebt. Bernhard. Jaja, nur mit amputirter Exposition! Und dazu müssen sich nun Geister hergeben, wie Maria Weber und Friedrich Kind! Albert. Sacht mit deinem Eifer! Diesmal trägt Niemand die Schuld als die zwei künstlerischen Geister selbst, wenn man freilich ihre Sünden eigentlich nur Unterlassungssünden heißen darf. Karl Maria von Weber hat die Einleitungsscene nicht komponiren wollen, und Friedrich Kind hat sich's gefallen lassen. – Nun, du stehst ja ordentlich da, wie verdonnert und wie versteint! – Bernhard. Freilich steh' ich so! – Schon über die Nachgiebigkeit des Dichters bin ich ganz erstarrt; – aber nein, da hätt' ich Unrecht. Das fröhlich wehmüthige Dichtervolk hat es nicht anders an der Art, besonders, wo Einer gar viele Gebilde in sich herumträgt, und sein liebstes irdisches Leben findet im Aussprechen dieser Gebilde, – ja einen Theil seines ewigen Lebens dazu! – Da meint denn so Einer: was diesmal nicht voll zum Erblühen kam, bricht wohl aus irgend einem andern Zweige an's Licht! – Und überdem: nachgiebiger in allen Dingen, wo die Ehre unverletzt bleibt, findet sich wohl auf Erden keine andere Innung, als die der Poeten. – Aber daß ein Komponist, wie Maria Weber, dies Weglassen fordern konnte, – da, da, liegt's! möchte ich mit Hamlet ausrufen. Albert. So bedenke doch nur – Bernhard. Verzeih! Es ist da gar nichts zu bedenken. Ja, wenn die Expositionsscene matt gewesen wäre, prosaisch, oder auch nur unmusikalisch, – aber sieh doch nur einmal selbst an! – Der feierliche Morgenhymnus des Einsiedlers, – dann das furchtbare Visionsrecitativ, – dann wieder das Rückgehn und Erheben zu dem Hymnus; – nun die einfach idyllischen Reden des Eremiten mit sich, und die deutungsvollen mit Agathen, bis sich alles in das holde Duo auflöst: "Nimm hin des Freundes Gabe, Geweihet, keusch und rein!"Ist dir denn nicht, als ahnetest du schon in dir Maria Webers tiefe, sinnige Musik dazu? Albert. So mag es wohl dem Maria Weber schier selbst gewesen seyn, nur daß er natürlicherweise um ein gar schönes Theil deutlicher geahnet hat, als du und ich. (Der Beschluß folgt.)