## Title: Bemerkungen über Konzeption und Rezeption ihres Librettos der “Euryanthe” von Helmina von Chézy ## Author: Helmina von Chézy ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031379 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Anfrage.Etwas überrascht von einer Erwähnung meiner Operndichtung Euryanthe in diesen Blättern, wo | ein Referent aus Prag versichert: der Text verdiene die „Verachtung“ nicht, mit welchem ihn Wiener Referenten behandelten, fühle ich mich bewogen zu fragen, in welchem Tageblatte irgend etwas von mir mit Verachtung behandelt worden? Dies Wort und mein Name klingen nicht zusammen, so viel ich weiß! Zwar habe ich in namhaften Blättern, wenn gleich von Ungenannten, über Geist und Wesen eines, „guten Opernbuchs“ wohlgemeinte Belehrungen und Aufschlüsse empfangen, durch welche es mir klar geworden, wie es zugeht, daß seit Operngedenken die trefflichsten Opernbücher in Wien gemacht worden, jedoch, wie angelegen sich hiesige Kunstrichter auch meine und Webers Belehrung angelegen seyn ließen, muß ich gestehen, daß sie Alle ihren Tadel mit der Entschuldigung begleitet, daß ein Werk von mir „und welches sich einem Weber zur Composition anbietet“ (hierüber habe ich schon Auskunft gegeben) zu hohen Anforderungen berechtige – Dresden kennt die Euryanthe nun, deshalb wäre es überflüssig, etwas mehr darüber zu sagen. Eine Operndichtung ist kein Drama, sie ist das Grundgebäude zu einem Ganzen, das die Musik erst überkleiden muß. Mühsamer, und in jeder ersinnlichen Hinsicht undankbarer, als irgend eine andere Arbeit für den Dichter, scheint mir jeder, der sich ihr unterzieht, wenigstens eines Opferkranzes würdig, wenn auch nicht der Palme. Aus Liebe und Bewunderung für Webers Genius und mit unbedingter Hingebung in seine Ansichten und Erfordernisse habe ich die Euryanthe ganz nach seinen Wünschen gedichtet und vielfach umgearbeitet. Ich würde bei einer zweiten Oper, die ich schreiben könnte, für den Componisten, der mir gleiche Gesinnung einflößte noch immer dasselbe thun, mit dem Unterschiede, daß ich sie zuvor nach einem selbstgeschaffenen Plan vollenden, und dann nur in Einzelnheiten umarbeiten würde, nicht aber im Innern umgestalten, denn dies kann nicht mehr musikalisch und dramatisch klar und wirksam werden, wenn es nicht ursprünglich so empfangen und geboren. Es scheint mir unerheblich, daß die Klippe meiner Dichtung, das Surrogat für das höchst romantische aber unmusikalische Veilchen der Euryanthe nicht ganz glücklich umschifft worden. Die Geisterwelt sollte mit in die Elemente der Composition eingewebt werden, ich wünschte das ursprünglich, weil sie Weber auf dem Meere der Töne gleichsam die Montgolfiere darbot, zum kühnsten und zartesten Aufschwung, und ich hatte Recht. Emmas geheimnißvolle Klagetöne wehen mit unnennbarem Zauber der Wehmuth hindurch, und werden in allen Gemüthern, die ächt musikalisch sind, anklingen. Ueberhaupt sey es mir zum Schluß vergönnt, einem leisen Zweifel in die Theorie aller Referenten, welche über meine Arbeit abgeurtheilt haben und aburtheilen werden, hier Luft zu machen, und ihn zu hegen, bis einer dieser Herren selbst einem großen Meister eine zum durchcomponiren gearbeitete Dichtung geliefert, die ich in allen ihren Bestandtheilen, zu welchen ich die Schwachheit habe, Sprache und Versbau mitzurechnen, über meine Arbeit setzen muß; denn „Grau, mein Freund ist alle Theorie!“ sagt der hohe Meister, der unter andern auch einige Opern gedichtet, und der noch manches andere gesagt, was heurige Kunstrichter sich zu Herzen nehmen könnten. Wien, den 8. Mai 1824. Helmine von Chezy.