## Title: Aufführungsbesprechung Dresden: Festspiel zur Nachfeier der Vermählung des Prinzen Johann am 28. November 1822 (Teil 1 von 3) ## Author: Böttiger, Carl August ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030667 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden.Donnerstags, am 28. Nov. *)*) Wir tragen zur Vervollständigung noch nach, daß seit der eltzten, in No. 282 dieser Blätter angezeigten, Darstellung bis zu dieser noch aufgeführt wurden: Am 24. Nov. Die großen Kinder und Strudelköpfchen. Am 26. Nov. Das Gut Sternberg. Am 27. Nov. Cenerentola.. Zum Empfang der allgefeierten Neuvermählten ein Festspiel in einem Akt von Ludwig Robert, die Musik vom königl. Kapellmeister C. M. v. Weber. Zur Nachfeier einer hohen Vermählung, für welche auf jedem Hausaltar in Sachsen die Flamme der feurigsten Gelübde hoch auflodert, wünschte auch der Bühnenverein des königl. Hoftheaters in einen angemessenen Festspiel seine Huldigung darbringen zu können. Das allegorische Drama, welches Herr Robert, der patriotische Sänger der Kämpfe der Zeit und vieler anderen durch Wahl und Vortrag ausgezeichneten Lieder und dramatischen Arbeiten, dazu gedichtet hatte, liegt in vervielfältigten Abdrücken vor den Augen unsers Publikums und wird, wie verlautet, bald auch in einem der gelesensten Unterhaltungsblätter außer Sachsen gekannt und beurtheilt werden können. Bei den Bedingungen und Verhältnissen, unter welchen diese Festallegroie hervorgerufen wurde, kann sich in unserem Blatte die Kritik um so weniger einen Spruch anmaßen, als auch der gefeierte Dichter nicht erst seit heute und gestern der Freund des Berichterstatters ist, und so das verdienteste Lob doch immer in zwiefacher Rücksicht einem bestochenen ähnlich sehen würde. Es gnüge der Versicherung, daß sicherem Zeugnisse zu Folge dieß Festspiel in der höchsten Instanz für würdig erklärt und mit Beifall gesehen worden ist. Wie schwierig ist in den mit Ehrfurcht zu beachtenden Schranken hier das piu e meno in jedem Worte anzuwägen, wie leicht neigt sich das Zünglein in der Wage rechts oder links. – Man mag entweder die durchaus beabsichtigte Einfachheit dieser personificirten Huldigung der Zeiten, der Künste und der Stände in's Auge fassen; oder die in feinangepaßten Sylbenmaßen gegliederten Monologe und tüchtig eingreifenden Chorgesänge, nach Rhythmus und Klang abmessen; oder das Rein-Poetische der leichtscheinenden und doch wohl nicht ohne Mühe gerade so gehaltenen Diction beachten; oder endlich die ungeschminkte Wahrheit beherzigen, mit welcher, was von zwei der ältesten Fürstenhäuser Deutschlands und den hier durch die heiligsten Bande verknüpften Sprößlingen dieser zwei Königseichen verkündigt wird, so ausgesprochen wurde, daß die unbestechliche Muse der Geschichte jedes Wort in ihre Tafel schreiben könnte und auch nicht Eine Stelle vorkömmt, worin nicht Stadt und Land in zwei sich berührenden Königreichen von Herzen einstimmen müßten: so ist die schwierige Aufgabe zwar sehr einfach, aber doch befriedigend und zweckmäßig gelöset worden. Wir enthalten uns aus guten Gründen einzelne Stellen hervorzuheben; doch wird auch ohne unsern Fingerzeig ein Jeder Stellen finden, wie in der leichthinschwebenden Rede Thalia's die Steigerung, die mit den Worten schließt: "wenn die Väter Landesväter, Völker Hochzeitgäste sind", oder die begeisternde Schilderung in der letzten Rede der personificirten Vergangenheit von der schönen Zwillingrose, die man gewiß auf lange in sich aufbewahrt. Indeß darf vom treuen Berichterstatter – denn nur als solcher will er hier angesehen werden – auch wohl mancher kleiner Zweifel nicht verschwiegen werden, den wir gegen die Muse des Dichters, als ein Mädchen aus der Fremde, indem man sich wohl des geistreichen Weinbergs an der Elbe und eines dramatischen, sehr gelungenen Prologs bei früheren Veranlassungen erinnerte, hie und da scharf genug aussprechen hörten. Die Haupt-Allegorie des Stücks, so sagt man, ist nicht im romantischen Figuren neuer Mysterien oder Masken, sondern ganz im antiken Styl der alten classischen Welt gehalten. Aurora ist die Vorrednerin. Die Vergangenheit und Zukunft sind Horen in Begleitung der rosenfingrigen Himmelspförtnerin. Wir befinden uns, wie Apollo's Bildsäule andeutet, im Musenhayn. Melpomene und Thalia mit ihren Schwestern treten sogleich mit ein. Auch nach der Verwandlung blicken wir in den offenen Apollotempel, vor welchem Stufen zum Altar in der Mitte führen. Wie kommt nun auf einmal der Lehr-, Wehr- und Nährstand, dieser ganz moderne Begriff im 16t. Jahrhundert zuerst in Deutschland ausgeprägt, in diesen Kreis? Auch die Griechen – und griechisch sind ja die neun Musen, – hatten Lehrer, Landleute und Gewaffnete zur Vertheidigung von Heerd und Altar. (Die Fortsetzung folgt.)