Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Wallensteins Tod” von Friedrich Schiller am 20. Mai 1819 (Teil 2 von 3)
Wallensteins Tod.
(Fortsetzung.)
Wir sahen das Terzkysche Ehepaar in diesem Stücke oft vergreifen und in’s Gemeine herabziehn. Wie erfreulich mußte es daher seyn, die Rolle des Grafen Terzky ganz mit der Keckheit und edlen Zuversicht, die dem Wallenstein zunächst steht, spielen zu sehn. Hr. Julius zeigte darin gerade so viel Kühnheit und Ungeduld, als sich mit einem so gestellten Oberhaupte verträgt, das nirgends mit dem wirklich gemeinen Illo, von Hrn. Metzner angemessen nur mit zu gemeiner Geberde vorgestellt, auf einer Linie stehn darf. Mad. Hartwig gab bei der zweiten Vorstellung die Gräfin Terzky so stolz und hochfahrend, dem nahe, wie wir uns diese Ehrgeizige denken mögen. Vorzügliche Kraft, bald im spöttischen Hohn, bald im andringenden Ernst, entwickelte sie in der alles entscheidenden Unterredungsszene, nachdem Wallenstein den schwedischen Obersten gesprochen hat. So muß es auch seyn, wenn Wallenstein nicht als Schwächling und Frauendiener erscheinen soll. Die kundige Künstlerin weiß übrigens wohl selbst am besten, wie hoch diese Rolle im weltklugen Anstand gestellt werden kann, wird aber schwerlich je mit Mad. Wolf, die in ihr Spiel ein schwärmerisches Gefühl für Wallenstein legen soll, übereinstimmen. Vorzüglich gelang ihr dießmal der Schluß, wo sie ihr irdisches bestellt hat, durch gehaltene Tiefe und Ruhe und es erwarb ihr, wie billig, lauten Beifall.
Octavio’s die Gemüther bearbeitende Unterredungen mit Isolan, Buttler und seinem eignen Sohn durchdrang dießmal weit mehr Gemüthlichkeit und Kraft. Nur so ist der allzugehässige Anstrich in dieser Stütze der Legitimität zu mildern. Aber noch fehlte viel, daß alles von der Erscheinung ins wahre Seyn übergehe. Es ist ja die schwierigste Aufgabe im ganzen Stück, in welcher Schiller selbst einige unaufgelös’te Dissonanzen gelassen hat. Hr. Kanow spielte den Max mit dem lebendisten Gefühl und hatte oft in den weichen Tönen viel, das zum Herzen sprach. Aber die äußere Erscheinung, die Einerleiheit der Modulation in der Stimme, gewisse Lieblingsgebehrden setzten Dämpfer auf dieß von innen rein hervorloderne Licht. Der Künstler hat ein Fach, worin er unübertroffen ist. Aber gegen den Stempel, den die Natur selbst aufdrückt, strebt aller Kunstaufwand und das redlichste Studium der Rolle vergeblich. Hr. Schirmer ist ¦ ganz geeignet zum Gordon. Diese redliche, immer wieder hervorbrechende Gemüthlichkeit kann nur so dargestellt werden. Ueber einige kleine Rollen, die heute durch andere Künstler zum erstenmal besetzt waren, sei unser Urtheil zu einer zweiten Vorstellung verspart. Aber nicht unberührt darf es bleiben, daß selbst der Gefreite von den Pappenheimer Cuirassiren, von Hrn. Toussaint, recht wacker gesprochen, und der schwedische Hauptmann von Herrn Wilhelmi, mit vielem Anstande gespielt wurde.
Die anmuthigste Erscheinung und lebendigste Darstellung war die der Thekla durch Mad. Schirmer, für welche freilich auch der Dichter alles gethan hat. Bei allem, fast bis zu jedem starken Aufathmen, Senken und Anpressen der Arme, Niederschlagen oder Aufblick des Auges gewiß berechneten Spiel athmete aus dem Ganzen doch eine solche Innigkeit und alles war mit sich selbst so im Einklange, daß der höchste Kunstaufwand nur freie Gabe der Natur, nur so eben dem crystallhellen Brunnen des reinsten Gefühls entqollen zu seyn schien. Und es ist hier keine Kunstlüge möglich. Alles bloße Spiel ist falsche Münze, kann auch wohl Bewunderung entlocken, aber nicht die zarten Saiten des Mitgefühls anschlagen, das sichtbar und hörbar bei allen Zuschauern sich offenbarte. Nur wenige Andeutungen für auswärtige Leser mögen hier gnügen. Unserm Publikum braucht so etwas nicht vorerzählt zu werden. Schon die ganze Costümirung in der ersten Hauptscene ist sehr vortheilhaft. Sie sagte dem durch den einfachen Haarputz gerundeten Köpfchen, mit Perlenschmuck in den Ohren und übrigen Theilen sehr gut zu und gab der ganzen Figur bei wahrer Vornehmheit etwas Mädchenhaftes und Zartes. Mit feiner Berechnung steigerte sie die Beklommenheit bis zum Wegwerfen der Laute – mit großer Gewaltsamkeit, versteht sich, die hier unerläßlich ist. In der alles entscheidenden Abschiedsscene mit Max war ihr stummes Spiel das beredteste. Unbeweglichkeit ist der Rahmen. In diesen zeichnet sie nun, so wie der Wortwechsel zwischen Max und Wallenstein sich heftiger fortspinnt, leisere Zuckungen und Bew[eg]ungen des Kopfes und der Arme. Sie ist die zarteste Sinnpflanze. Leis zuckendes Geschehnlassen, als Max ihren Arm ergreift. Im entscheidenden Moment Emporheben des Blicks auf den Geliebten, als ihn der Vater Kind des Hauses genannt hat. Den Vater sieht sie nicht mehr an. Ihr Herz ist von ihm gerissen wegen seines Treubruchs.
(Der Beschluß folgt.)
Editorial
Summary
Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Wallensteins Tod” von Friedrich Schiller am 20. Mai 1819 (Teil 2 von 3). Der erste Teil erschien in der vorigen Ausgabe, der letzte folgt in der nächsten.
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Fukerider, Andreas
Tradition
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Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 131 (2. Juni 1819), f 2v