Aufführungsbesprechung Dresden, Linkesches Bad: “Die Heimkehr” von Houwald am 26. August 1818 (Teil 2 von 2)
Die Heimkehr.
(Beschluß.)
Das Stück wurde mit großer Liebe und Wärme von Seiten einiger unsrer vorzüglichsten Schauspieler dargestellt. Es spielte sich aber auch gewissermaßen selbst durch die hier gar nicht zu verfehlende Wahrheit der Gefühle und die erwärmende Sprache. Wenn wir daher versichern, daß Dem. Tilly, als die holde Tochter zweier Väter, daß Mad. Hartwig, als die nur einmal liebende, aber zweimal treue Gattin, daß Hr. Kanow, als der biedre Förster Wolfram (der die vom Dichter weit über die Fassung dieses Mannes hinausgeschraubte Erklärung, wie er Dorners Freund sey, durch Gemüthlichkeit rettete und die bedeutungvolle Erzählung vom wilden Schwane recht brav vortrug), daß ferner Dem. Julie Zucker, als der muntre, naive Heinrich, ihren Rollen vollkommen genügten, und daß inbesondre Mad. Hartwig gegen das Ende mit so viel Glut der Empfindung und mit so viel Leidenschaftlichkeit und ergreifender Lebendigkeit die so vielfach geprüfte und bestürmte Johanna darstellte, als nur immer der Umfang des Stücks und die Bürgerlichkeit der Personen (eine Elvire darf hier freilich nicht hervortreten) zu gestatten schien: so theilte dies Lob der Dichter mit den Schauspielern. Doch zeichnen wir gern die Scene aus, wo Dorner die Johanna zur lauten Erklärung zwingt, welchen der beiden Männer sie folgen würde. Hier konnte die Künstlerin ohne allen Pathos der höhern Tragödie die denkende und motivirende Darstellerin in Mienenspiel und Vortrag meisterhaft zeigen. Die einzige Rolle, welcher die Kunst einen angemessenen Spielraum darbietet, ist die des Unbekannten, des Dorners. Hr. Werdy gab ihn in der Intention des Dichter mit ergreifender Wahrheit und verständiger Steigerung des Affects, der allerdings gegen den Schluß, wo ihm Wolfram zuruft: Mensch, Du wirst fürchterlich! an den höhern Kothurn streift, aber, da es eine reine menschliche Situation ist, nicht aus dem Charakter des ganzen Stücks herausgeht. Er ließ bei vieler Tiefe eines verwundeten Gemüths auch überall eine gewisse Schroffheit und rauh abstoßende Bitterkeit in Spiel und Stimme hervortreten, welche es erklärlich machen, daß er ein so zärtlich ihm ergebenes Weib dennoch dem wilderen Kriegerleben aufopfern konnte. Es kann aber gerade in dieser Heftigkeit zu viel geschehen, wodurch das Ganze eine sehr schiefe Ansicht bekommen würde. Als denkender und fein-nüanzirender Künstler zeigte er sich vorzüglich in der ganz verschiedenen und jedesmal der vorherrschenden Stimmung des Gemüths rein-entquellenden Weise, womit der Verhängniß-schwangere Vers:
¦ Der beste Friedensstifter bleibt der Tod,
dreimal nach einander, zuerst denkend langsam, als dämmere in ihm plötzlich ein Orakelspruch, dann kalt entschlossen und zuletzt wehmüthig erscheint, gesprochen wurde. Die heftigen Ausbrüche der verhaltenen Flamme in den Monologen befriedigten um so mehr, als dadurch der widerwärtige Vergiftungsplan uns erklärlicher und erträglicher wird. Auch unterbrachen wiederholte Beifallsbezeugungen sein kräftiges Spiel. Der Dichter hat es zuletzt auf eine rührende und malerische Gruppe angelegt. Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß sowohl diese als manche andere Kleinigkeiten im ganzen Zusammenspiel bei einer mehrmaligen, gewiß nicht ausbleibenden Wiederholung des Stückes noch eine leichte Nachhülfe erhalten werden. Die Stimme, welche, nachdem der Vorhang gefallen war, den Namen des Dichters laut ausrief, war völlig im Einklang mit allen Anwesenden. Wir möchten sie als eine Auffoderung an den Verfasser erklären, sich noch öfterer in dieser Gattung zu versuchen und uns bald auch mit einem längern Stück zu beschenken.
Hierauf folgten: Die Blinden von Toledo.
Böttiger.Editorial
Summary
Aufführungsbesprechung Dresden, Linkesches Bad: “Die Heimkehr” von Houwald (Teil 1 von 2), der erste Teil erschien in der vorigen Ausgabe
Creation
–
Responsibilities
- Übertragung
- Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas
Tradition
-
Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 220 (15. September 1818), f 2v