Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad: 24. bis 27. Juni 1818 (Teil 1 von 2)

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Am 24. Juni. Auf dem Linkeschen Bade: Der Lügner und sein Sohn. Lustspiel in 1 Akt, nach dem Franz. Durch die wahre Komik, die hinreißende Lebendigkeit und die ächte Characterisirung, mit welcher unser Gast, Herr Wurm, den alten Gascogner von Krack gab, gewann diese unbedeutende Kleinigkeit ein höchst ergötzliches Leben.

Männertreue. Zum Beschluß:

Der Schauspieler wider Willen. Herr Wurm zeigte hier die volle Mannigfaltigkeit seines Talents in sieben verschiednen Verkleidungen. Jede Rolle, die er gab, war hoch belustigend, vor allen doch zeichnen wir den Juden Hirsch, und in dieser wieder die Declamation von Schiller’s Taucher aus, welche mit der feinsten Komik gegeben ward. Allgemeiner Beifall ward dem braven Künstler zu Theil.

Am 26. Juni. Ebendaselbst. Das Intermezzo. Dem Matz geschah durch Herrn Wurm das vollste Recht, er ließ uns nicht aus fröhlichem Gelächter, so oft er sich nur auf der Bühne zeigte. Wir müssen kürzer über diesen Gegenstand seyn, als wir gern möchten, um der folgenden längern Beurtheilung Raum zu gewähren.

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Am 27. Juni. Im königl. Theater in der Stadt: Die Drillinge, nach dem Französischen, von Bonin. Dritte Gastrolle von Hrn. Wurm.

Nur im Zauberkessel eines solchen Hexenmeisters oder Lustkünstlers, wie Herr Wurm, konnte dies verjährte Stück mit veralteten und abgenutzten Späsen und Verlegenheiten noch einmal aufgekocht und wieder belebt erscheinen. In unserm Stadttheater möchte es ohne diese Gunst des Augenblicks sonst schwerlich Gnade gefunden haben. Viele alte Erinnerungen wurden bei dieser Gelegenheit wieder lebendig. Wir dachten dabei an unsern vielgestaltenden Opitz. Das Ganze strotzt aber von schreienden Unwahrscheinlichkeiten. Auch dienen alle übrige Schauspieler nur dem Einen, der die Drillinge in Einer Person darstellt, zur Folie.

Herr Wurm gnügte durch das Aufgebot aller seiner Künste und Fertigkeiten der Rolle der drei Ferdinande auf eine höchst ergötzliche Weise, doch war das Publikum weit weniger erregbar und lachlustig, wozu der Umstand, daß es hie und da sehr an rasch eingreifenden Zusammenspiel fehlte, wohl auch das seinige beitrug. Das Ganze ist ja ein leicht aufgischtender Schaum. Alles ist verspielt, wenn man dabei die Kritik zur Besinnung oder gar zum Worte kommen läßt. Das wahrhaft Lohneswürdige im heutigen Spiel des gefeierten Gastspielers bestand theils in einer erstaunlichen Beweglichkeit, die rastlos fortschreitend alles mit sich fortreißt, theils in der vollendeten Beherrschung jeder der drei Rollen. Man sieht, der Künstler besitzt sich in jedem Momente seines Spiels. Es muß gelingen und es gelingt. So wie jede der drei Rollen aufgefaßt und in Umriß aufgezeichnet dasteht, so bleibt sie in unverrückter Continuität bis zum Schluß. Er kann sich im Grundton, aus welchem jede Rolle gespielt werden muß, vergreifen. Aber selbst ein Fehlgriff ist die Consequenz eines Meisters, der seiner Sache gewiß ist. – Der eigentliche Verstandesmensch in diesem Drillingsdreieck ist der Ferdinand aus Berlin. Um ihn vornehm zu spielen und höher zu stellen, gab ihn der Künstler eine gewisse schroffe Kürze und Abgeschlossenheit, die doch in einigen Unterredungen, be¦sonders mit dem Mohren, noch etwas mehr Feuer und einige kräftigere Formen recht wohl vertragen hätte. Denn wenn nicht auch dieser zuweilen etwas heftiger Natur ist und auflodert, so wird die Unwahrscheinlichkeit, daß ihn alle Uebrige mit den zwei Brüdern verwechseln können, noch greller und auffallender. Am Besten gefiel er uns in dieser Rolle in dem Moment, wo die vermeintliche Gattin, die dem entlaufenen Ehemanne nachreiset, auf ihn eindringt. Da war die ausweichende, abwehrende Geberdung ächt characteristisch. Sie erregte – das höchste, wohin es hier gelangen kann – bei den Zuschauern ein leises Lächeln. Wir würden den häufigen Gebrauch des immer herausgezogenen und figurirenden Sacktuchs nur zu den absichtlichen Zugaben dieser Rolle zu rechnen geneigt seyn, wenn wir dasselbe Manipuliren des weißen Tuchs nicht auch in andern Rollen häufig bemerkt hätten. Die unfertige Restauration unter unsern Antiken ist die, wo der modernde Bildergänzer einer schönen athenischen Kanephore ein Schnupftuch in die Hand gegeben hat!

Den Seekapitän Ferdinand stattete unser Künstler mit aller erforderlichen Derbheit aus, den man das: mäßigen Sie sich! immer aufs neue zurufen muß. Es ist das Violoncello in dieser Instrumentirung. Die Baßgeige muß durchklingen. Und er schrie gewaltig. Daher hätte wir ihn noch eine Zugabe von hastiger, sich selbst überpolternder Heftigkeit gewünscht, wie wir sie in ähnlichen Rollen von unserm wackern Kanow mit ungemeiner Ergötzlichkeit dargestellt sahen. – Das ganze Füllhorn seiner Scherz- und Spashaftigkeit schüttete unser Comicus in der Rolle des Ferdinand von Köpenick aus, in der Darstellung eines kindlich-gutmüthigen, von seinem Bedienten am Laufzaume geführten, bald Schulknabenartig weinenden, bald ausgelassen hüpfenden, albernen Gelbschnabels. Die nur durch seinen Tact und große Gewandheit zu lösende Aufgabe ist hierbei, die rechte Linie zwischen ungeberdiger Bengelhaftigkeit und verächtlicher Gimpelhaftigkeit zu halten. Herr Wurm behauptete sich stets auf dieser Linie und ließ so seine ächte Witzader in erfreulicher Genialität ausströmen. Es versteht sich, daß von der höchst widerlichen Unsitte, die Beinkleider immer heraufzuziehen, womit uns andere Ferdinande in dieser Rolle bis zum Ekel heimgesucht haben, hier kaum einmal Gebrauch gemacht wurde. Sich selbst übertraf er in der Scene, wo er der Gastwirthin durch seinen Bedienten den Heirathsantrag macht. Die verschämte Blödigkeit, das Verkriechen hinter den Rücken des Brautwerbers, der ächt komische Gest, wo er mit steigender Ungeduld mit der Stirn in den Rücken des hochbetrauten Vorsprechers einbohrt, die quecksilbrige Beweglichkeit der füllenartig hinten und vorn ausschlagenden Springstöcke, Füße genannt, und die Süßigkeiten des ersten Kusses, dem er, als wäre er wie ein Honigtropfen an der Unterlippe kleben geblieben, noch lange hinterdrein nachzüngelt, sind allerdings Lazzi, wobei niemand ernsthaft bleiben kann, ächtes Naturgewächs, ohne allem Schein einstudirter Künstlichkeit. Freilich gehört es auch dazu, wenn alles in gehörigem Lichte hervortreten soll, daß Johann, der Bediente, nicht wie ein sentimentaler Präceptor und harmloser Tropf dastehe, sondern mit überall durchschimmernder Schlauheit tüchtig imponire. Es muß hier alles, wie ein Deckel zum Topf, sich bequem fügen und ineinander passen! -

(Der Beschluß folgt.)

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad: 24. bis 27. Juni 1818 (Teil 1 von 2), dabei besonders über “Die Drillinge” von Bonin. Der zweite Teil folgt in der nächsten Ausgabe

Creation

Responsibilities

Übertragung
Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 159 (6. Juli 1818), f 2v

Text Constitution

  • “eingreifenden”sic!

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