Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 2. Oktober 1817: Schreyvogel, Donna Diana (Teil 3 von 4)
Donna Diana oder Stolz oder Liebe.
(Fortsetzung.)
Das Stück verdient und erhält gewiß bei einem so gebildeten Publikum, wie das unsere ist, mehr als eine Wiederholung. Bei einem so schwierigen Stück konnte nach sechs Proben die erste Vorstellung immer erst für einen Hauptversuch gelten. Unsre Künstlerin, die sich selbst nie gnügt, wird vielleicht manches noch mehr bezeichnen, wird, wenn es ihr gut dünkt, gleich bei der ersten Empfangsscene noch mehr kindliche Gemüthlichkeit gegen den Vater (und wäre es selbst durch einen Handkuß) zeigen, wird die höchste Steigerung des Affects beim Abgang im 4ten Akt noch etwas gewaltiger spielen, wird die nun ganz fertige Maske, da wo sie lieber zwei vornähme, gewiß vornehmen, und wie sonst die Kleinigkeiten heißen mögen. Aber die Aufgabe selbst kann schwerlich irgendwo würdiger und kunstreicher gelöset werden. Sie heißt: spiele diese Rolle so, daß nur der spröde Irrwahn, nicht die damit behaftete Spröde ausgelacht wird. Wirklich wurde bei der vereitelten Tactik dieser sich selbst bestrickenden Männerscheu oft laut aufgelacht. Aber es galt stets der Situation. Zum Kunstreichen gehört auch das dreifache Costüm, in welchem Donna Diana erscheint. Wenn hier vorzüglich das erste und dann auch die Ballkleidung in Pracht und Zierlichkeit jede Erwartung befriedigten, und dem Geschmacke der Anordnerin Ehre machten: so möchte wohl bei dem verführerischen Gartenanzug, den manche leichter drapirt, den Gliederbau zarter umfließend gewünscht hätten, die Künstlerin, die unschickliches nie verschuldete, vor allen zu hören seyn. Die silberne Redesilla im Haar, alles war auch da fein ersonnen. Endlich mag auch die von der Künstlerin angegebene pyramidalisch abgestufte Gruppirung, in welcher sich Donna Diana, beide Cusinen zu ihren Füßen, in der Rosenlaube zeigt, und welche allgemein gefiel, ihrem feinen Kunstsinn angerechnet werden.
Die Rolle des Don Cesar scheint, weil sie ¦ zwischen zwei Contrasten fest steht, die am wenigsten schwierige zu seyn. Aber sie fodert den gediegensten Anstand mit der geschmeidigsten Leidenschaftlichkeit. Das anhaltendste Studium wird manches hier noch auszumalen finden. Herr Julius verband mit dem Adel jener chevaleresken Galanterie, deren Sitz Spanien einst war, also mit dem Nationellen seiner Rolle die seltene Kunst, in den Monologen und Herzensergießungen gegen den einflüsternden, ermuthigenden Perin den glühenden, dem Ausbruch entgegen stürzenden Liebhaber mit dem, Stolz durch Stolz überbietenden, aus Erz gegossenen, spöttelnd-gleichgültigen, Sturmläufer gegen Amors Reich zu verschmelzen und beides gut und in allen Abstufungen und Uebergängen darzustellen. Sein feuriges Augenbrauenspiel, sein kühn emporgehobener Hals, seine ganze, mit anmuthigem Trotz gepaarte Haltung (dem das schöne, nur in der Manteleinfassung noch nicht ganz fertige Costüm nicht wenig frommte), kurz, seine Darstellung des gleichgültigsten Sossiego (um dies characteristische Wort des Spaniers für Gleichmuth zu brauchen) sprach so beredt als sein Mund, der auch dem Wohlklang der Verse nie etwas vergab. Vortrefflich war sein Spiel bei dem schnellen Einlenken, als er sich verrathen hatte, vortrefflicher noch im Garten, wo er am langsamen Feuer geröstet, doch so idyllische Blumenlust heuchelt, meisterhaft das zweimalige Spiel des Zerstreuten, erquickend das Uebergewicht über die zwei faselnden Prinzen und der bald bittere, bald scherzhafte Erguß vornehmer Ironie. Kurz er rechtfertigte durch seine bei jeder neuen Scene vergnüglicher hervortretende Erscheinung das Fallen der stolzesten, keck herausfodernden Frau vollkommen, welches wohl, wenn Diana so gespielt wird, das höchste Lob ist. Nur am Schlusse möchte man einen noch losgebundenern Ausbruch der so lange verhaltenen Liebesglut erwarten. Bisogna sfogarsi. Doch dem ganzen Schluß wird vielleicht bei einer neuen Vorstellung durch unmittelbare dichterische Hülfe die ihm noch fehlende Vollendung gegeben werden können.
(Der Beschluß folgt.)
Editorial
Summary
Aufführungsbericht Dresden: “Donna Diana” von Josef Schreyvogel am 2. Oktober 1817
Creation
vor 13. Oktober 1817
Tradition
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Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 245 (13. Oktober 1817), f 2v