## Title: Ende einer Institution – das Tutzinger Musikantiquariat Schneider schließt ## Author: Frank Ziegler ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A050368 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Mit der September-Liste 2020 erschien der letzte Verkaufskatalog des Musikantiquariats Hans Schneider; passenderweise illustriert mit Schuberts Schwanengesang. In der kurzen Vorrede wird die „endgültige Schließung“ des Antiquariats nach „71 Jahre[n] freudigem Schaffen im Dienste der Musik“ bekanntgegeben. Vom Namensgeber 1949 gegründet, hatte sich dieses Haus schnell zu einer der ersten Adressen des deutschen Antiquariatshandels im Bereich Musikalien entwickelt; das beschauliche Tutzing wurde somit zu einem Pilgerort etlicher Musikbegeisterter. Neben den Auktionskatalogen der „Global-Player“ Sotheby’s in London und Stargardt in Marburg/Berlin waren es die ebenso kenntnisreich wie liebe- und humorvoll gestalteten Verkaufskataloge Schneiders, die von Sammlern, Musikwissenschaftlern und Bibliothekaren immer gespannt erwartet und oftmals mit staunender Bewunderung zur Kenntnis genommen wurden, auch noch, als sie zuletzt anstelle der nobel gehefteten Bändchen „nur“ noch digital versandt wurden. Etliche Weber-Autographen gingen durch die Hand des Antiquars und seiner Mitarbeiter, sowohl Notenhandschriften als auch Briefe und persönliche Dokumente – einige davon gelangten, vermittelt durch die Weber-Gesamtausgabe, in die reiche Weber-Sammlung der Berliner Staatsbibliothek, in welcher auch die Berliner Arbeitsstelle der WeGA beheimatet ist. Über das Tutzinger Antiquariat kamen 1992 beispielsweise große Teile des Nachlasses des Weber-Forschers Hans Schnoor aus Bielefeld nach Berlin, eine wesentliche Informationsquelle zur Geschichte der Weber-Forschung in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, die auch wichtige Hinweise auf die Provenienz etlicher Weber-Quellen enthält. Daneben fanden mehrere Weber-Briefe den Weg von Tutzing in die Staatsbibliothek, zwei Manuskripte seien aber ausdrücklich hervorgehoben: 2007 konnte eine Partiturabschrift der Kantate Kampf und Sieg, einem Hauptwerk der Prager Jahre Webers, mit autographen Korrekturen des Komponisten erworben werden – die buchbinderische Ausstattung und der Provenienzweg legen nahe, dass es sich dabei um jenes Exemplar handelt, das Weber im Mai 1816 seinem Taufpaten, dem Landgrafen Carl von Hessen, übersandt hatte. Die letzte große Erwerbung aus Tutzing gelang 2015, als die Staatsbibliothek ein Blatt mit Notizen Webers ankaufte, das einstmals Bestandteil der Libretto-Entwürfe zur Oper Euryanthe der Helmina von Chézy gewesen war. Friedrich Wilhelm Jähns hatte dieses Blatt im März 1845 – eher widerwillig – aus dem in seinem Besitz befindlichen Libretto-Konvolut entnommen, als die Sängerin Jenny Lind ein Weber-Autograph erbat. Zwar widmete Jähns das Manuskript der Lind „in dankbarer Anerkennung ihrer ausgezeichneten Leistungen“, doch haderte er lange mit diesem Verlust; noch 1878 teilte er dem befreundeten Robert Musiol mit, er bedaure, dass er sich dieses Schriftstück hatte „abquälen“ lassen und fügte hinzu: „o schönes, schönes Autograph!!! daß du so ein Ende fandest!!!“ Siebzig Jahre, nachdem das Blatt aus seinem Zusammenhang herausgelöst worden war, fand es wieder zurück nach Berlin und liegt nun im Tresor der Musikabteilung ganz nahe dem Euryanthe-Textkonvolut. Dank guter persönlicher Kontakte konnten die Weber-Gesamtausgabe und die Weber-Gesellschaft aber auch von Hans Schneiders weiteren Geschäftsfeldern profitieren: In dem 1958 bis 2014 neben dem Antiquariat bestehenden gleichnamigen Musikverlag erschienen in Kooperation mit den beiden Weber-Institutionen der Ausstellungskatalog zu Weber in Darmstadt (1997), der Symposiums-Bericht zu Webers Klaviermusik (2001) und in den Jahren 2002 bis 2014 die Weberiana, die Jahreshefte der Internationalen C.-M.-von-Weber-Gesellschaft; Letztere hatte ihr langjähriges Mitglied Hans Schneider daraufhin 2003 zum Ehrenmitglied ernannt. Dem unvergessenen Hans Schneider (1921–2017) und seinen langjährigen Mitarbeitern Jürgen Fischer (Antiquariat) und Georg Zauner (Verlag) sagen wir hiermit nochmals herzlichen Dank für die beiderseits fruchtbringende und angenehme Zusammenarbeit! Neue Schneider-Kataloge, die stets mit freudiger Spannung erwartet wurden, werden in Zukunft fehlen!