## Title: Aufführungsbesprechung Wien, Kärntnertortheater: Antwort auf die Anmerkung zum Gesang von Catinka Buchwieser in „Wirt und Gast, oder Aus Scherz Ernst“ von Giacomo Meyerbeer am 20. Oktober 1814 ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032671 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Den Gesang der Demoiselle Buchwieser betreffend.Zweite Einsendung. An den Rezensenten in Nro. 116 der Theaterzeitung. Die in dieser Zeitung unterm 27. Oktober abgedruckten anonymen Bemerkungen, über die Oper: „Die beiden Kalifen,“ fordern den unpartheiischen Beobachter auf, einige Aufklärungen zu geben, die er der Wahrheit und reinen Kritik schuldig zu seyn glaubt. Die Musik hat keine glücklichen, wohl aber überspannte Ideen, die allenfalls auf dem Klavier ausführbar seyn mögen, für die Composition einer Oper aber gar nicht taugen. Freylich ist das Streben neu, und originell zu seyn deutlich mit im Spiele, aber ein Streben, welches so häufige Dissonanzen, besonders in der Singstimme hervorbringt, verräth doch kein besonderes Talent, und verdient gerade deswegen keine Würdigung, weil eben dadurch die Gründlichkeit am wenigsten beobachtet wird. Das Bessere sinkt, wie Herr Anony mus ganz richtig bemerkt, mit dem Schlechtern, folglich sind aber auch die guten Stimmen unserer Künstler mit der schlechten Musik so sehr gesunken, daß keine Gewalt im Stande gewesen wäre, dieselben zu erheben. Herr Anonymus muß bey der Vorstellung nicht persönlich gegenwärtig gewesen seyn, denn sonst hätte er nicht sagen können, daß der erste Chor mit Enthusiasmus aufgenommen worden seye. Es ertönte nicht ein Laut von Zufriedenheit und Beifall, im Gegentheil schien das zum richtigen Urtheil so sehr aufgelegte Publikum schon durch die Ouverture und durch den Chor die Überzeugung erhalten zu haben, daß die ganze Composition der Erwartung nicht entsprechen, und daß dadurch die Langeweile gerechtfertigt würde, welche das Publikum bei der Vorstellung am Tag legen mußte. Da nun die Intrigue des Stückes selbst ganz veraltet und schleppend durchgeführt ist, da die Musik nichts taugte, so konnte allerdings auch die Aufführung nicht befriedigend seyn. Herr Anonymus läßt den Herrn Weinmüller und Forti zwar einige Gerechtigkeit wiederfahren, nur auf die Demoiselle Buchwieser allein fällt die schwere Geißel seiner Kritik; und | nur auf ihre Schultern wirft er die ganze Schuld der mißlungenen Geburt des Herrn Maierbeer. Der Vergleich ihrer Kehle und Brust, die auf einmahl in dieser Vorstellung in ihrer vormahls guten Organisirung ganz zerstört werden mußten, mit einer Wagenachse, ist eben so trivial, als unrichtig. Wenn dieser Wagen-Bestandtheil einmahl ganz abgenützt ist, so muß er entweder vollkommen reparirt, oder ganz neu verfertigt werden, denn sonst kann ja der Wagen nicht mehr zum Gebrauch dienen. Eine ganz verlorne Stimme hingegen kann weder reparirt, noch neu gemacht werden. Wie kommt es aber dann, daß eben dieselbe Demoiselle Buchwieser mit ihrer vorigen angebornen Stimme, nach den Fall der beiden Kalifen, welcher am 20. Oktober bey der ersten Vorstellung erfolgte, am 24. darauf im „lustigen Schuster“, am 25. im „Figaro“, am 26. im „Johann von Paris“, im Conzert des Herrn Fränzl und am 30. in der Vestalinn zur größten Zufriedenheit des Publikums gesungen, und daß sie in allen diesen Vorstellungen die hohen und schweren Töne mit voller Stimme, Reinheit und Kraft genommen habe? – Die Stimme konnte doch vom 20. auf den 24. nicht reparirt, noch weniger neu geschaffen worden seyn. – Wenn man also unpartheiisch richtet, und sich nicht von Nebenabsichten und Groll leiten läßt, so müssen die Folgen aus der reinen und wahren Ursache abgeleitet werden. – Die Klaviertöne, die Herr Maierbeer der Kehle der Demoiselle Buchwieser durch seine Composition aufgedrungen hatte, konnten nichts anders als Dissonanzen aus ihrer gesunden Singstimme hervorbringen. Die Künstlerinn trägt also keine Schuld, wenn sie ein elendes Machwerk vortragen muß. Der Rath des unpartheiischen Beobachters an Demoiselle Buchwieser geht dahin, daß sie ih rer Bestimmung noch ferner treu bleiben, dem Reich der Gesänge nicht entsagen wolle, und ihrer Kunst noch ferner folge, womit sie dem gerechten Wiener Publikum schon so manche angenehme Abende verschaffte, und wofür sie auch jederzeit mit ausgezeichnetem und lautem Beifall den verdienten öffentlichen Lohn erhielt. Der Rath des Beobachters bleibt aber dabei nicht stehen, sondern er wendet sich auch mit der wohlmeinenden Bitte an den Herrn Anonymus, womit sich derselbe nie wieder mit Opern-Kritiken, und Schauspiel-Vorschlägen befassen möge, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen will, mit der einen oder der andern übel zu fahren. Daß derselbe auch der Zutheilung der Rollen im Schauspiel nicht gewachsen ist, beweißt er dadurch, daß er der Demoiselle Buchwieser den Antrag macht, die Rollen der Lady Macbeth, der Turandot, der Gonerill, Marie Stuart, der Gurli und des Mädchens von Marienburg zu übernehmen. Obschon Demoiselle Buchwieser sowohl als Sängerinn, als auch als Schauspielerinn mit Recht unter die Lieblinge des Publikums gehört, so würde man es ihr doch, ohne ihr offenbar Nachtheil und Böses zu wünschen, nie rathen können, die beiden letzten Rollen zu übernehmen, da weder ihre Gestalt, noch ihre sonst so vortrefflichen Anlagen gerade dahin passen. – Anmerkung.Unpartheilichkeit ist das Gesetzt dieser Blätter, dadurch gewinnen Publikum und Künstler. Demoiselle Buchwieser hat doppelt gewonnen, denn jene Kritik in 116 der Theaterzeitung, hat, so zu sagen, ein Heer von schlafenden Freunden und Gönnern geweckt; viele, die früher nie geschrieben haben, fühlten sich jetzt dazu berufen, kurz | alle Theaterfreunde vertheidigten Demoiselle Buchwieser. Wäre der Raum dieser Blätter nicht so beschränkt, der Redakteur würde den besseren Theil der Antikritiken ganz aufnehmen, so aber muß er sich, leider! nur mit dem Abdruck von zwei der besten begnügen. #lb#Der Redakteur.