## Title: Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: „Die Macht der Verhältnisse“ von Ludwig Robert (Teil 2 von 2) ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032440 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Theater.Die Macht der Verhältnisse. #lb#(Beschluß.)Vierter Aufzug. Die Comtesse ist in Verzweiflung, sie fleht den Grafen an, beym Fürsten um Gnade für Weiß zu bitten; während dem kommt Wall und bringt Emilien zur Gräfinn, ihren Schutz erbittend. Der Minister hat mittlerweile sich von dem Fürsten die Gnade erbethen, in diesem Prozeß sein Richteramt nicht verwalten zu dürfen, und diese Bewilligung erhalten; er sieht Emilien, und als er hört, wer sie sey, billigt er ihren Aufenthalt nur in der Rücksicht, daß sie in seinem Hause bloß ihren Vater erwarte. Der Präsident des Tribunals kommt und bittet um eine geheime Unterredung. Dieß verweigert der Minister, der in der Prozeßsache des unglücklichen Weiß nichts, am wenigsten etwas Geheimes hören will. Trotz aller Versicherungen der höchsten Wichtigkeit einiger Papiere, die bey Weiß gefunden worden, und die bloß den Minister angingen, ist doch dieser durchaus nicht zu bewegen, davon anders als in Gegenwart des Majors und der Gräfinn unterrichtet zu werden. Der Präsident eröffnet endlich, und es zeigt sich, daß August Weiß nicht der Sohn des Pastors, sondern ein Kind der Liebe von dessen Schwester und dem Grafen von der Falkenau sey, der sie verlassen hatte. Die Unglückliche hatte sich zu ihrem Bruder begeben und bey ihrem Tode ihre Papiere und die Beweise ihres Unglücks versiegelt hinterlassen. Der Pastor, welcher selbst den Verführer seiner Schwester nicht kannte, erzog den Knaben als seinen Sohn. Das schreckliche Gefühl des Brudermordes, der durch seine Schuld vollbracht wurde, ergreift den Minister; der Präsident versichert ihn, daß Weiß selbst nichts von den Papieren wisse, und erbiethet sich, sie zu vernichten; dieß will der streng Gewissenhafte nicht annehmen, obschon seine Ehre auf dem Spiele steht. Jetzt entschließt sich die Gräfinn, die Gnade des Fürsten zu erflehen, und läßt sich von dem Major dahin begleiten. Fünfter Aufzug. Weiß im Gefängnisse hat von dem herzugekommenen Pastor die Nachricht erhalten, daß er nicht sein Sohn sey. Der Pastor sucht ihn durch Gründe der Religion zu beschwichtigen; aber seine Seele ist noch zu sehr in Aufruhr, um für diese zugänglich zu seyn. Bey den Worten: „Ich bin im Reinen mit mir – Nur meinen Vater noch! schaffen Sie mir meinen Vater!“ öffnet sich die Thüre und der Minister tritt in den Kerker. Der Prediger läßt Vater und Sohn allein, und jener, durch diese gewaltige Katastrophe in den Grundfesten seines Wesens erschüttert, spricht so sanft zu Weiß, daß dieser bedauert, ihn, den die Welt als kalt, schroff und unzugänglich verschrie (!), nicht aufgesucht zu haben. Erschütternd ist die Erkennungsscene, wie ihm der Minister bekennt, daß er sein Vater sey; die Ausbrüche des Hasses, die Vorwürfe des unglücklichen Sohnes und der Übergang zu Mitleid und Liebe. Auf Augusts Bitte gibt ihm sein Vater eine Phiole mit Gift zurück, die man bey ihm gefunden, und er leert sie schnell. Nach dem Abschiedsgespräche kommt die Gräfinn mit der Comtesse, dem Pastor und dem Major; sie hat die Gnade des Fürsten erbethen – aber zu spät. August ist, ein Opfer der Convenienz und seiner Ehrsucht, gefallen, und ein Tag hat dem Minister seine beyden Söhne geraubt. – Obschon die ganze Last des Stückes nur auf zwey Personen ruht – von denen nur eine ganz vollendet vorgestellt wurde – alle übrigen durch diese beyden in Schatten gestellt werden, und selbst die Handlung der beyden ersten Acte etwas langsam vorwärts schreitet, so erfreute sich doch dieses Stück eines ungetheilten Beyfalls. Wenn wir sagen, Herr Bayer stellte den August Weiß vortrefflich dar, so ist dieser Ausdruck durchaus unpassend; denn er war in jedem Moment ganz dieser Charakter, der in seinem Innersten verletzt, nicht leben kann ohne blutige Rache. Weniger entsprach Herr Seewald der Rolle des Ministers, die er zwar als denkender Schauspieler aufgefaßt, aber nicht ganz mit dem Anstande durchführte, der ihm das höchste charakteristische Interesse geben muß. Mad. Liebich gab die Gräfinn und Mad. Sonntag die Comtesse mit Geist und Kunstsinn, und besonders haben wir Herrn Liebich zu verdanken, daß er die kleine Rolle des Präsidenten übernommen hatte. Am wenigsten Glück machten die Herren Polawsky und Wilhelmi als Oberst und Major, und es ist auch in der That nicht zu läugnen, daß diese beyden Rollen unter die durchaus undankbaren gehören.