## Title: Aufführungsbesprechung Berlin: Konzertante Aufführung der Musik zu „Preciosa“ von Carl Maria von Weber am 31. Januar 1869 ## Author: Jähns Otto Gumprecht ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032412 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Am Sonnabend fand die siebente Soiree der Berliner SinfonieKapelle statt. […] Das Konzert gewährte uns außerdem Beethovens A-dur Sinfonie und Webers Musik zu „Preciosa“. Die Ent stehung der letzten fällt in die Zeit unmittelbar nach der Vollendung des Freischütz, also in den Anfang des Jahres 1820. Sie trat eher in die Oeffentlichkeit als jener und half ihm den Weg zum Herzen des Volkes bereiten. In diesem Singspiel, das auf solche Weise den drei romantischen Opern des Meisters präludierend voranging, schlägt Webers Muse zum erstenmal den vollen Blick ihrer sinnigen blauen Augen zu und auf. Trotz aller spanischen und zigeunerischen Tänze ist der Kern des Werkes echt deutlich, vor allem die weibliche Hauptfigur, diese stillere Zwillingschwester der Agathe. Der knappe melodische Rahmen gewährt allerdings blos den Platz für eine Reihe von musikalischen Miniaturbildern. Als der Generalintendant der Berliner Bühnen, Graf Brühl daran dachte, Wolffs „Preciosa“ zur Aufführung zu bringen, wurde Weber von ihm und dem Verfasser ersucht, dem Singspiel, das schon einmal früher in Eberwein einen Komponisten gefunden, den Schmuck seiner Töne zu leihen. Die Aufforderung kam ihm zuerst ungelegen, er erklärte, daß er eigentlich verschworen habe, Musik zu Schauspielen zu schreiben, da dies künstlerisch so gar nichts zu gestalten sei, indeß, weil es Brühl und Wolff seien, es einmal wagen wolle. Je mehr er sich aber in die Aufgabe vertiefte, um so wärmeren Antheil gewann sie ihm ab. Das Lokalkolorit der Handlung, ihre Zigeunerphantastik, die sinnige Mädchengestalt, endlich der Wald, die grüne Heimath seiner Muse, übten auf ihn ihre Macht. Die Weisen, die er zu Dichtung gefügt, sind erfüllt und durchdrungen von dem Zauber jener, dem inneren Drang entspringenden Freiwilligkeit, die allein den Gebilden der Kunst die rechte Weihe zu geben vermag. Von der Popularität, die sie sich gewonnen, giebt der Umstand Zeugniß, daß bis auf den heutigen Tag einzelne Wendungen des Textes im Munde des Volkes leben und zum | Schatz seiner geflügelten Worte gehören. Auch die Aufführung am Sonnabend bewies wiederum wie traulich diese Klänge zum deutschen Ohr und Gemüth sprechen. Den Mitwirkenden wie den Empfangenden ging das Herz auf bei der naiven Sangeslust, die in den thaufrischen Chören frohlockt. Wohl in acht nahm das Orchester den bunten instrumentalen Zierath, mit welchem der Komponist das Werk durchflochten. Das „Einsam bin ich nicht allein“ gelangte in dem Munde des Frl. Kempner zu freundlichstem Ausdruck. Der Charakter der Stimme paßte ganz zur kindlich unschuldigen Melodie. Die Entfernung der Sängerin vom Publikum (sie stand im Cäciliensaal) trug überdies dazu bei, den Ton zu idealisieren, ihm gleichsam alles Körperliche abzustreifen. Herr Dr. Schwarz sprach den verbindenden Text, Frl. Meineber die melodramatisch begleitenden Verse der „Preciosa“. –t.