## Title: Bericht zur Einstudierung des Oberon in Bayreuth ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032384 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ (Theater-Bericht.) Allen Freunden wahrhaft guter Musik hat Herr Stein einen höchst angenehmen Dienst durch die am letzten Sonntag wiederholte Aufführung v. C. M. v. Weber’s Oberon erwiesen. Die Oper hat anfangs überall, wo man die erste Bekanntschaft mit ihr macht, dem Publikum gegenüber einen schweren Stand. Vom Texte erwartet man den reichen Zauber der anmuthigsten, mannigfaltigsten Erfindungen, durch welche Wieland’s herrliche Dichtung in eines Jeden Gedächtnisse lebt, nun auch auf die Bühne versetzt und dort vielleicht mit noch größerer Wirksamkeit begabt zu sehen; in der Musik hofft man all die Lieblichkeit eindringlicher, leicht faßlicher Melodien wieder zu finden, durch welche der Freischütz mit Recht eine Lieblingsoper aller Welt geworden ist. Beide Erwartungen werden getäuscht. Der Englische Dichter des Operntextes bleibt in seiner dramatischen Bearbeitung des Stoffes unendlich weit hinter der Deutschen romantisch-epischen zurück. Seiner Musik aber hat Weber, als denkender Künstler, nicht auch hier wieder den Reiz populären Gesanges geben wollen, welcher dem Boden altdeutscher Volkssage, auf welchem der Freischütz sich bewegt, so wohl angemessen war; er sah sich hier auf ein ganz anderes Gebiet, auf das Gebiet ritterlicher Abentheuer und orientalischer Mährchen versetzt, und aus diesem Lande der Wunder und phantastischen Gebilde mußten denn nun auch seine Töne ganz anders herüber klingen. Diese Klänge mögen anfangs immerhin fremdartig und ungewohnt seyn und nicht sogleich den Weg zum Gemüthe der Hörer finden; bei einem wiederholten Hören entgeht es gewiß nicht, | mit welcher Meisterschaft Weber die luftigen Chöre der Geister zu behandeln, mit welcher Nationalität er die Chöre der Sklaven u. s. w. auszustatten, welche Tiefe und Innigkeit der Empfindung er in die Gesänge der menschlichen vier Hauptpersonen zu legen, wie er, bei aller Sonderung der einzelnen Charaktere, doch über das Ganze die gemeinschaftliche Farbe einer gewissen tiefglühenden und doch wundersam und lieblich spielenden Pracht zu verbreiten gewußt hat. Auch hier hat sich bei der zweiten Aufführung durch die lebhafte Theilnahme des Publikums bewährt, daß, wenn nur erst das Befremden getäuschter Erwartungen überwunden ist, die wahre Schönheit der musikalischen Composition dieser Oper ihre Wirkung nicht verfehlen kann. Allerdings kam hinzu, daß die Rolle des Hyon nun von Herrn Eike gegeben wurde, welchem das hiesige Publikum schon so manchen schönen Genuß verdankt, während dieselbe bei der ersten Aufführung sich in den Händen eines Darstellers befand, welcher sich auf der Bühne noch ganz und gar fremd zu fühlen scheint, und bei einer großen, wahrscheinlich eben daher stammenden Aengstlichkeit auch die wirklich vorhandenen guten Eigenschaften seines Gesanges nicht geltend zu machen weiß. – […]