## Title: Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: Oktober – November 1815 ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032213 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Theater.Prag. – Den 16. October: Titus, Oper in 2 Aufzügen von Mozart. Mad. Czegka, geborne Auernhammer, debutirte als Sextus und ward mit großem Beyfall aufgenommen, den sie wohl mehr ihrer Singmethode – die zwar nicht die edelste italienische, doch systematischer als die unserer geschätzten Mad. Grünbaum, und weniger mit unnützen Schnörkeln überladen ist – als den Gaben, welche ihr die Natur verliehen, zu danken hat; denn ihre Stimme ist sehr scharf und ihr Spiel noch äußerst unb[e]ho[l]fen, so daß man wohl sieht, es habe ihr längere Zeit an Übung gefehlt. Da sie jedoch schon früher bey der Bühne gewesen ist, so können wir mit Recht hoffen, bald auch ihre mimische Darstellung so wie ihre Singmethode loben zu können. Mad. Grünbaum (Vitellia) sang vorzüglich die zweyte Arie vortrefflich, in welcher sie sich alles unnützen Schmuckes enthielt, und zeigte, was sie uns werden könnte, wenn sie ihre wunderschöne Stimme zu dieser Art von Gesang verwenden wollte. Herr Grünbaum (Titus) und Herr Siebert (Publius) waren diesen Abend gar nicht bey Stimme. Mad. Allram (Annius) und Dlle. Böhler (Servilia) bemühten sich, alls mögliche zu leisten; leider aber sind sie in der ernsten Oper durchaus nicht an ihrer Stelle. Mad. Czegka und Mad. Grünbaum wurden hervorgerufen. Den 1. Nov.: Don Juan, Oper in 2 Aufzügen. Mad. Czegka gab die Donna Elvira zum zweyten Debut und gefiel nicht ganz so gut als im Titus. Den 12. Nov.: Figaro, Oper in 2 Aufzügen. Mad. Czegka spielte die Gräfinn und erschien dießmahl in noch günstigerm Licht als die beyden ersten Mahle. Ihr Gesang war richtig und geschmackvoll und selbst ihre Stimme schien minder scharf (wozu vielleicht die Gewohnheit viel beyträgt); auch im Spiel zeigte sie etwas mehr Gewandtheit; nur wäre ein etwas vornehmeres Wesen und eine minder große Vertraulichkeit mit ihrer Kammerjungfer ihr zu empfehlen. Im Ganzen ist uns zu dieser Aquisition Glück zu wünschen, da wir selten eine Sängerinn von ihrem Werthe finden werden, die sich zu zweyten Rollen entschließt, welche doch in allen Opern, wo zwey Sängerinnen erfordert werden, ihr zu Theil werden müssen, da auf jeden Fall zwischen ihr (und allen Sängerinnen, die wir seit Jahren hörten) und Mad. Grünbaum schon die Natur eine unendliche Kluft gebildet hat, und überhaupt wenige Städte Teutschlands eine Künstlerinn besitzen, die mit dieser letztern in die Schranken treten dürften, wenn sie sich entschließen könnte, den Beyfall wahrer Kunstkenner dem wüthenden Klatschen der Liebhaber der Künsteleyen vorzuziehen. Herr Siebert sang den Figaro sehr gut und auch sein Spiel war freyer und belebter als gewöhnlich. Herr Kainz (Graf Almaviva), Dlle. Brand (Cherubin) und Dlle. Böhler d. j. (Hannchen) gaben ihre Rollen recht brav. Über die Darstellung und den Gesang der Mad. Böhler (Marzelline) und des Hrn. Bachmann (Bartolo) wollen wir den Mantel der christlichen Liebe decken. Es wäre sehr zu wünschen, daß Mad. Allram die erstere Rolle übernähme.