## Title: Aufführungsbesprechung Leipzig: „Euryanthe“ von Carl Maria von Weber ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032155 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Leipzig. ([…]) Zur allgemeinen Freude kam die bereits seit Jahr und Tag vorbereitete Euryanthe nun wirklich zur Aufführung; da diese liebliche Sängerin, welche die frische Stimme der Jugend mit der größten Fertigkeit der Kunst und dem seelenvollsten Spiele vereint, die Hauptparthie der Euryanthe übernahm, und darin dreymal das hiesige Publikum, wie so viele, welche darum meilenweit hergekommen waren, entzückte. Es haben sich bereits Stimmen genug über diese Oper von Wien, Prag, Frankfurt, Dresden aus hören lassen. Daß ihr je so allgemeine Anerkennung zu Theil werde, wie Webers Freyschütz, bezweifle ich. Auch der Zauberflöte und Don Juan muß sie nachstehen. Um so mehr möchte man Webern tadeln, daß er seine Kunst einem undankbaren Texte opferte, aus welchem die Handlung so dunkel und verwickelt oder wieder so unbedeutend entgegen tritt, daß die größte Aufmerksamkeit, oder eine recht einstudirte Bekanntschaft dazu gehört, den Faden nicht zu verlieren. Eben so wenig wird das Gemüth angesprochen. Der dritte Aufzug fällt sogar in’s Lächerliche. Erst bringt der Liebhaber seine Euryanthe in eine Waldschlucht, wo er sie ermorden  will, weil ein Neidhart ihm versichert, sie habe in seinen Armen gelegen, und zum Beweis einen ihr entwendeten Ring vorzeigt. Euryanthe hätte ihre Unschuld gleich im ersten Akte darthun können, wenn sie da ausgesprochen, was sie im dritten singt: Eglantinens flehend Kosen Lockt’ mir mein Geheimniß ab. Natter war sie unter Rosen, Die den Tod mir schmeichelnd gab. Dann wäre aber freylich die Oper mit einem Akte abgethan gewesen. Sie will sich einer Schlange entgegenwerfen, welche den Geliebten, der sie zu tödten im Begriffe ist, mit Gefahr bedroht. Das läßt er nicht zu, eilt der Schlange entgegen (was sie wieder geschehen läßt) und tödtet das Thier, welches – (das Stück spielt in Frankreich) – ein Lindwurm seyn muß, – denn Schäumend in Kampfeswuth, Qualmend in Dampf und Glut, Dringet die Feindin ein, Wie sie dichter ihn umzingelt! &c. Während des ganzen Kampfes singt sie jammerud fort! Der furchtbare Gebieter kehrt siegreich zurück. Nun will sie gern sterben. Indessen nimmt der Geliebte zu Herzen, daß sie doch für ihn hat sterben wollen, und tödtet sie nicht. Du – wolltest geh’n für mich in Tod – So kann ich nicht dein Richter seyn – Im Schutz’ des Höchsten bleibe hier allein! Das also Lohn, Dank und Gnade für jenen guten Willen! Sie mußte dem Hunger unterliegen, vielleicht einer andern Schlange Opfer werden, in der Waldschlucht verzweifelnd enden, wenn nicht zum Glück – der jagende König mit der Morgenröthe hierher käme, dem sie ihre Unschuld entdeckt, dann halb verzweifelnd scheintodt niedersinkt und liegen bleiben müßte, wenn nicht gerade, wie gerufen, ein Paar Leute mit einer Trage von Baumzweigen erschienen – (wie sie hierher kommen können – begreift man nicht) und sie wie ein erlegtes Wild wegtragen. Solcher Lächerlichkeiten mit gänzlich fehl gehendem Effekt finden sich mehrere. Das Ganze ist im Zuschnitt verdorben. Erwägt man aber, was Weber aus diesem starren Stoffe machte, wie er die einzelnen Charaktere (selbst wo sie in den großen Chormassen der Ritter, Landleute u. s. f. auftreten) fest und sicher musikalisch durchführt und die nur Liebe athmende Euryanthe, den zärtlichen Adolar, der, gehörig motivirt, gewiß auch in der ersten Scene des dritten Aktes nicht alle Milde verloren hat, den boshaften, wilden Lisiart, die von Neid und Rache getriebene Eglantine in jedem Recitative sogar in bestimmter Zeichnung festhält; so muß man | die Kunst des Tonsetzers bewundern, und das Meiste dem Besten an die Seite setzen, was wir deutschen Komponisten verdanken. Die Erkältung der frostigen Fabel darf man nicht auf seine Rechnung setzen. Die Cavatine: Unter blühenden Mandelbäumen, welche Adolar singt, – eine andere: Glöcklein im Thale &c., worin die schöne Sonntag das ganze Melodische ihrer Stimme legte und sie im herrlichsten Decrescendo bey den Worten: Ach, doch dein Blick nicht, Mein Adolar! verhallen ließ; das Recitativ Anfangs des zweyten Akts, wo bey Lysiart Angst und Haß mit einander kämpfen, bis am Ende in der Arie: So weih ich mich den Rachgewalten! der letztere siegt; besonders aber das von der Liebe selbst eingehauchte Duett: Nimm hin die Seele mein, Athme mein Leben ein! &c. sind nur einige unverwelkliche Blätter des schönen Kranzes, den sich hier Weber selbst gewunden. Die Oper ward mit solchem Aufwand, mit solcher Präcision im Spiel und allem äußern Beywerk, überhaupt mit einer Sorgfalt gegeben, daß Direktion und Mitgliedern gleiche Achtung und Ehre gebührt. Madame Fink als Eglantine, Herr Höfler als Adolar, Herr Köckert als Lysiart, zeichneten sich besonders in ihren schwierigen Parthien als Spieler und Sänger aus. […]