## Title: Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: „Irenens Feyer“ von Wolfgang Adolph Gerle am 6. und 7. Juli 1814, zur Rückkehr des Kaisers ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032149 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Prag. – (Verspätet) Den 6. July zur Feyer der Rückkehr Sr. Majestät des Kaisers in seine Staaten und des glorreich errungenen Friedens bey voller Beleuchtung des Hauses: Irenens Feyer, ein Festspiel in freyen Versen von W. A. Gerle. – Wenn die so glücklich vollendete Sache, für die so herzlich das teutsche Blut floß, tausend Federn in Bewegung setzte, die in politisch-statistisch-historischer u. s. w. Hinsicht bewiesen, daß diese Wiedergeburt teutscher Freyheit eines der glorreichsten Feste sey, welche die Weltgeschichte jemahls beging, so steht es allerdings auch der Poesie an, diese an das Wunderbare gränzende That mit ihren frohesten Spielen zu feyern; doch ist es auch, trotz der Begeisterung, die ein solcher Stoff wohl zu erwecken vermag, keine kleine Sache, einer solchen, so nahe an unsern Blicken vorübergegangenen politischen Haupt- und Staatsaction poetisches Leben und Anschaulichkeit zu geben; denn gewöhnlich verhallt in dem Jubel des äußern Lebens die innere Herzensstimme, und nicht selten geht die poetische Anschauung in der politischen Bestimmtheit unter. Vorzüglich ist es die dramatische Kunst, die hier mit nicht gemeinen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Jede andere Form fügt sich geschmeidiger an den gegebenen Stoff, und selbst in einem Ballete ließe sich der große Kampf auf eine leichtere Weise allegorisch darstellen; doch hat Herr G. die dramatische Form gewählt, um dieß wahrhafte Krönungsfest des teutschen Zeitgeistes zu feyern, und ein Dramolett geliefert, welches, nach seinen frühern Arbeiten, die höchsten Erwartungen erregte – leider aber nicht durchaus befriedigte. Wie sehr jene gespannt war, ist dadurch bewiesen, daß trotz eines sehr heißen Tages das Haus um halb 7 Uhr schon überfüllt war; ob, und wie viel der Dichter Schuld war, wenn nicht einem Jeden Genüge gethan worden, wollen wir nunmehr näher beleuchten. Irenens Feyer ist an sich eine äußerst liebliche Bagatelle, die uns das eben überstandene Übel und neu errungene Glück wie in einem reinen Metallspiegel vorüber führt, und wenn etwas den Genuß der Dichtung störte, so ist es die Wahl der vorkommenden Personen und Mythen; denn es berührt in der That seltsam, altteutsche Heldenstimmen sich – und zwar manchmal etwas breit – über die neuesten europäischen Angelegenheiten besprechen zu hören; es macht einen fremdartigen Eindruck, daß sich der Dichter die Freyheit genommen hat, nordische und römische Mythologie mit dem christlichen Glauben zu vermischen, da doch ihre Elemente so ganz verschieden sind. Wenn gleich dem Dichter ein genügender Spielraum für seine Fantasie gegönnt seyn muß, so sollte er sich doch einigermaßen bescheiden, und nicht Irene prophezeyen lassen, daß die Europäer ferne Zonen zum christlichen Glauben bekehren würden. – Wahrlich eine Kühnheit, die selbst Dante und Petrarch nicht ausübten. Was aber mit diesem sonderbaren Einfall wieder versöhnt, sind die rührenden Bilder und freundlichen Gedanken des Dichters, der seinem kleinen Werk durch die romantische Mischung und Durchkreutzung der Versarten noch einen erhöhten Reitz verlieh; besonders sind die Jubeltöne über die glücklich vollbrachte Erlösung auf das herzlichste ausgedrückt, und konnten ihre Wirkung nicht verfehlen, die freylich noch erhöht worden wäre, wenn er auf die Ausfeilung seiner Verse mehr Zeit verwandt hätte; denn so reimt er z. B. erfreut und Freyheit – Bitten und biethen. (!) Die Aufführung, tonische und scenische Umgebung, entsprach nicht durchaus ihrem Zweck, den Glanz des Festspiels zu erhöhen; denn, wenn gleich die beyden Frauen (Mad. Schröder, Irene, und Mad. Brunetti, Thusnelde) durchaus nichts zu wünschen übrig ließen, so schien es dagegen, als hätten die beyden Herrn (Bayer, Hermann, und Wilhelmi, Sigowin) ihre Rollen nicht gehörig memorirt, und sie vernichteten nicht selten den Rhythmus ihrer Reden; vorzüglich war der erstere zu Anfang des Stücks ganz unverständlich. Die Tänze, vorzüglich der Waffentanz, waren durchaus nicht auf den Geist des Stücks berechnet, und schadeten dem Ganzen mehr, als sie nützten; selbst der Schlußgesang, obschon ein ernstes, und fast im kirchlichen Styl gehaltenes Tonstück, hatte den Fehler einer übermäßigen Länge, und da man kein Wort verstand, so erkaltete der Enthusiasmus, welchen die begeisterte Declamation der Mad. Schröder in den Schlußterzinen erzeugt hatte, und der Vorhang fiel unter mäßigen Beyfallsbezeigungen. Am 7., als am Tage der allgemeinen Beleuchtung, wurde das Festspiel wiederhohlt; das Haus war nicht so gefüllt wie am vorigen Abend, doch der Beyfall beynahe lebhafter. Nach der ersten Vorstellung dieses Festspiels wurde der Brief aus Cadix aufgeführt, welches Stück trotz seiner ziemlich ermüdenden Empfindeley durch das unnachahmliche Spiel des Hrn. Directors Liebich zum Liebling des Publicums geworden ist. – Am zweyten Tage gab man: Teutsche Treue, von Mad. Weissenthurn.