## Title: Aufführungsbesprechung Frankfurt/Main: „Oberon“ von Carl Maria von Weber am 23. September 1827 (Teil 2 von 2) ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032101 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Chronik der Frankfurter Schaubühne.Sonntag den 23. Sept. Oberon, von Weber. (Schluß des in Nr. 195 abgebrochenen Berichts) Alle Musikstücke von der Ouverture bis zum Schlußchore wurden lebhaft applaudirt; besonders Furore machten: Die Ouverture, unnachahmlich schön und kräftig von unserm herrlichen Orchester vorgetragen; die große Arie Huon's im ersten Act, welche Hr. Nieser hinreißend schön sang, besonders dürfte derselbe im Vortrage des cantabilen Mittelsatzes nicht leicht unter den deutschen Tenoristen einen würdigen Nebenbuhler finden; im ersten Finale die Arie Rezia's und das Duett derselben mit Fatime, in welcher sich die herrlichen Stimmen beider Künstlerinnen zu einem schönen Ganzen vereinigten; die große Arie Rezia's im 2ten Act: „Ozean! Du Ungeheuer“ in der uns Dem. Hauß mit ihrer mächtigen Stimme zuletzt zur lauten Bewunderung hinriß. Die kleineren Gesänge der Fatime und des Scherasmins öffneten gleich morgenländischen Blumen ihre köstlichen, duftenden Kelche, und erquickten uns mit ihrem aromatischen, lieblichen Wohlgeruch; wir glaubten östliche Luft zu athmen. Köstlich wurden diese kleinen Liederchen, besonders das letzte im 3ten Act, von Mad. Brauer vorgetragen; überhaupt müssen wir gestehen, daß diese Künstlerin bedeutende Fortschritte macht und sich dadurch in der Gunst des Publicums einen festen Platz nach dem andern erobert. Hr. Hauser (Scherasmin) verbreitete durch seine launigen Einfälle, und durch eine humoristische Stimmung, die fern von aller Uebertreibung sich in den Grenzen des Schicklichen bewegte, eine wohlthuende Lebendigkeit über das Ganze, und die Rolle selbst, die ein gewöhnlicher Spaßmacher leicht ins Abgeschmackte ziehen kann, gewann dadurch sehr. – Dankbar erkennen wir auch die getroffene Abänderung der Rollenbesetzung von Obe ron und Puck. Ersterer war schon bei der Austheilung Hrn. Marrder zugefallen, der sie aber, durch Krankheit abgehalten, wenige Tage vor der ersten Aufführung an Hrn. Tourny abtreten mußte. Dieser leistete, was ihm möglich war, gab auch die Gesangsparthie recht gut, ließ jedoch im Dialog vieles zu wünschen übrig. Hr. Marrder hingegen erfüllte alle Anforderungen dieser Rolle. Sein angenehmes Aeußere kam ihm heute sehr zu statten. Nicht weniger hatten wir mit Puck (Dem. Esser) alle Ursache zufrieden zu sein, und ganz vernünftig war es von ihm, daß er sich bei der Geisterbeschwörung als singenden Gehülfen seinen Freund Droll, in der Person der Dem. Noisten, substituirt hatte. Eine ausgezeichnete Erwähnung verdienen sämmtliche Chöre; besonders war das Pianissimo des ersten Elfenchors meisterhaft gelungen, und nur gleichsam hingehaucht. Der scenische Gang war untadelhaft, die Gruppirungen malerisch geordnet, überhaupt die ganze Vorstellung wie aus einem Gusse. Die neuen Decorationen sind größtentheils von unsern Theatermalern, zwei aber von den Hrn. Gebr. Orth aus Carlsruhe. Wir verbreiten uns einigermaßen auch über die Decorationen, weil sie bei dieser Oper einen wesentlichen Theil ausmachen. – Die erste Wolkendecoration war ohne große Wirkung bei der ersten Vorstellung, was der verfehlten Anordnung des Malers für deren Bewegung zuzuschreiben war; sonst kann man der Malerei das Lob nicht versagen, daß sie leicht und luftig gehalten ist. Die veränderte Bewegung der Wolken war weit zweckmäßiger und von größerer Wirkung. Diese Decoration und der orientalische Garten sind von den Gebr. Orth. Letzterer ist trefflich und mit vieler Freiheit ausgeführt; die Baumgruppen sind malerisch geordnet. Die Zimmerdecoration im ersten Finale mit einer Aussicht in einen vom Monde beleuchteten Garten ist architectonisch korrect, allein im Colorit etwas düster behandelt. Sie ist von Hrn. Meiler. Der Hafen von | Ascalon ist ein wahres Guckkastenbild, aber eben deßwegen verfehlte diese Decoration ihre Wirkung nicht auf das größere Publicum; diese, wie die so sehr gelungene und effectvolle erste Decoration (Oberons Halle) im ersten Act sind von Hrn. Bille. Die Felsenhöhle mit der Aussicht auf das Meer (von Hrn. Meiler) ist gut angeordnet; das Gewitter, der Mondschein und der Sonnenuntergang recht täuschend, so viel es die wenige Tiefe unserer Bühne zuließ. Dieß wird bei Decorationen, die mehr in's Optische als in's Malerische gehören, immer störend bleiben. Aus allem Gesagten geht deutlich hervor, daß diese Oper für jedes Publicum, so gegeben wie gegenwärtig bei uns, sehr interessant, und für unsere Direction eine Zug- und Cassenoper – nach der Terminologie gewöhnlicher Theaterunternehmer – werden muß. Denn es dürfte wohl nicht leicht jemand, der Webers Freischütz gesehen, sich den Genuß dieser herrlichen, wahrhaft romantischen Oper versagen. Auch bei diesem letzten Werke des leider zu früh dahin gewelkten Tonmeisters muß man ausrufen: Geschmack und Genie stammen vom Himmel, und sind wie die Sonne immer beständig und einerlei; wem die Muse einmal so freundlich zugelächelt, wie dem Schöpfer des Freischützen, dem entzieht sie nie mehr ihre Huld, und beglückt und bereichert die Menschheit durch ihren Priester mit Schätzen – die den Abglanz des Göttlichen in sich tragen. […]