## Title: Aufführungsbesprechung Prag: „Euryanthe“ von Carl Maria von Weber im März 1824 ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032090 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Prag. Oeffentliches und Leben des Tages im März. (Beschluß.)[…] Die vielbesprochene Euryanthe sahen wir ebenfalls in diesem Monat zum ersten Mal. Wir glauben, daß diese Musik in Norddeutschland mehr Glück machen wird, als sie, namentlich in der Hauptstadt des südlichen Deutschlands, gemacht. Es ist eine große, declamatorische Musik; die Töne halten sich treu, an den Affecten nicht nur, an den Charakteren, der Personen des Gedichtes, wie Glucks Compositionen. Daß jenes Gedicht durchaus nicht dramatisch ist, daß erzählt wird, was vorgehen sollte, daß es nur heroische Namen, keine heroische Handlung hat; thut der Composition wesentlichen Eintrag. Der erste Vorwurf, den man ihr mit Recht machen kann rührt ganz daher: die vielen Recitative. Der Uibelstand des zweiten wird dadurch verstärkt: die Dunkelheit, welche das Undramatische der Handlung, der erzählte Knoten, mit sich bringen, vermehrt die Unverständlichkeit, der keineswegs faßlich gesetzten, sich in Schwierigkeiten gefallenden Musik. Der dritte Vorwurf, welcher die Composition trifft, entsteht ebenfalls aus dem Gedicht und wird durch dieses gemehrt: die Motive der Musik, die an sich etwas gespannt gehalten ist, treten im ärgsten Mißverhältniß zur Handlung, welche im Grunde in nichts besteht, als in einer ganz bürgerlichen Plauderei, Intrigue und Verläumdung. Das erste Mal gefiel bei uns aus der Oper nur Einzelnes, auch dies nur Einzelnen; die Stimme des Ganzen war entschieden dawider: Referent hat nur zwei Stimmen gehört, welche sich sogleich durchaus dafür erklärt hätten. Beim zweiten Mal vermehrte sich die Zahl der Günstigen, und das Urtheil neigt sich nach der zweiten Vorstellung dahin, daß es eine Musik ist, mit der man vertraut werden muß, weil, ihr in Schwierigkeiten versteckter Reichthum an Schönheit, erst allmählig zur Seele dringt. Unter den Stücken, welche ihre Wirkung sofort nicht verfehlen, gehört das Finale des ersten Aktes, wo aller Muth der Jugend, der Liebe, und eines kräftigen, unschuldigen Herzens, immer wieder, mit unvergleichlicher Frische, durch das dunkle Gewühl der Stimmen, des Neides, des Mißtrauens, der Bosheit schlägt, in den unveränderten Tönen Adolars: „ich trau’ auf Gott und meine Euryanthe!“ Es gehören ferner dazu: die erste Arie Lisuarts; das schöne kleine Duett des Wiedersehens zwischen Adolar und Euryanthe, das im Finale des Ganzen wiederkehrt: der Jägerchor im dritten Akt; der Chor: „der Sturm hat diese schönste Lilie gebrochen;“ endlich der Wahnsin[n] von Euryanthens treuloser Freundin; so wie die Charaktere, der leidenschaftliche der letzteren, der reine zarte Charakter der Euryanthe, sehr schön in den Tönen gehalten sind. […]