## Title: Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: darunter „Die Zerstreuten“ von August von Kotzebue, September 1814 ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031914 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Prag. – Den 1. Sept.: Die Zerstreuten, Lustspiel v. Kotzebue, und: Der Schatzgräber, oder: Der geprellte Geitzhals, Lustsp. in 1 Aufz. – Herr Carl Döbbelin, k. preuß. Schauspieldirector, gab in dem ersten Stück den Hauptmann Mengkorn, im zweyten den Geronte als Gastrolle, und bewies in diesem wie in jenem, daß er ein sehr brauchbarer komischer Schauspieler sey; vorzüglich gelangen ihm einige Charakterzüge der zweyten Rolle, und der Moment, wo er mit gleichen Füßen in die Kiste springt, um den Bedienten zu verhindern, daß er nicht den doppelten Boden eröffne; und auch in dem Augenblicke, wo er sich ganz getäuscht sieht, umging er glücklich die Klippe, an welcher Schauspieler in solchen Situationen zu stranden pflegen, daß sie nähmlich durch gräßliche Verzerrungen Entsetzen statt Lachen erregen. Er wurde in dem ersten Stück durch Herrn Wilhelmi als Major v. Staubwirbel, im zweyten durch Herrn Polawsky als Dorval, und Herrn Gerstel als Bedienter vortrefflich unterstützt, und dankte, als er hervorgerufen wurde, in den bescheidensten Ausdrücken. Den 7.: Die Unvermählte, Lustsp. in 4 A. von Kotzebue. – Herr Unzelmann wagte als Lieutenant Lorring seinen zweyten theatralischen Versuch – der erste war Fridolin, worin er nur wenig Beyfall fand – und bewies, daß er weder Kraft noch militärischen Anstand zu dieser Rolle besitze. Es ist sonderbar, daß die Rekruten der Schauspielkunst sich so selten entschließen können, von unten herauf zu dienen, sondern gleich sich an größere Rollen wagen, ohne auch nur Erkundigung einzuziehen, ob selbe etwa vor Kurzem von ausgebildeten Schauspielern gut vorgestellt wurden; noch schlimmer ist es, wenn sie größere Städte und Bühnen zu ihrem ersten Ausfluge wählen, wo ihnen dann die Gleichgültigkeit oder das Mißfallen des Publicums den Muth zum Fortschreiten benimmt; dieß wird wahrscheinlicher Weise auch bey Hrn. U. der Fall werden, wenn er ferner auf die Nachsicht des Prager Publicums lossündigt, und nicht lieber in einer kleinen Stadt seine erste Bildung zu erwerben sucht. Mad. Liebich gab das Fräulein von Bredow meisterhaft. Den 10.: Die beyden Klingsberge, Lustsp. in 4 A. von Kotzebue. – Herr Döbbelin gab den alten Grafen von Klingsberg, und fand keinen so ungetheilten Beyfall, als bey seiner ersten Erscheinung; denn obschon er manche Scenen sehr wahr darstellte, so war es doch keineswegs eine so vorzügliche Ausstellung, als jene des Geronte, und er verfehlte durchaus das adeliche Air der Rolle. Herr Polawsky spielte den Grafen Adolph mit Feuer und Leichtigkeit. Mad. Schröder hat die unbedeutende Rolle der Mad. Friedberg übernommen, und theilte ihr Interesse mit. Auch Herr Löwe spielte den Lieutenant Stein recht brav, und Dlle. Böhler d. ä. gab die Henriette mit Innigkeit und zarter, weiblicher Delicatesse; nur Frau Wunschel würde gewonnen haben, wenn selbe Mad. Junghans statt Mad. Böhler gegeben hätte, der es an Geläufigekit und Deutlichkeit fehlt. Den 12.: Fanchon, das Leyermädchen, Liederspiel von Kotzebue. – Herr Döbbelin gab den Tapezier Martin zur dritten Gastrolle, und erhielt, obschon er sich von Übertreibung nicht so frey hielt, als in seinen frühern Rollen, dennoch vielen Beyfall. Den 14.: Das unterbrochene Opferfest, Oper in 2 A. von Winter. – Mad. Werner, erste Sängerinn vom Mannheimer Theater, gab die Myrrha als erste Gastrolle. Wenn gleich ihre Stimme weder die Kraft noch Fülle und Sicherheit hat, als jene der Mad. Grünbaum, so ist sie doch rein und wohlklingend, und ihre Methode untadelhaft. Sie gefiel sehr, und mußte die Arie: „Ich war, wenn ich erwachte, &c.“ wiederhohlen. Was die mimische Darstellung der Rolle betrifft, so ist jene der Mad. Grünbaum natürlicher und tiefer durchdacht; doch zeigt auch Mad. Werner, daß sie als Schauspielerinn etwas leisten könne. Den 18.: Don Juan, Oper von Mozart in 2 A. – Mad. Werner gab die Donna Anna zur zweyten Gastrolle, und erhielt großen Beyfall, obwohl sie in dieser Singparthie noch weniger im Stande war, ihre Vorgängerinn zu erreichen.