## Title: Aufführungsbesprechung Prag: „Euryanthe“ von Carl Maria von Weber am 11. März 1824 ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031859 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Korrespondenz-Nachrichten.Prag, Februar, März, 1824.(Fortsetzung.)Ich komme nun zu etwas Bedeutenderem. Es ist dies, die aller Orten vielverschriene K. M. v. Webersche: „Euryanthe“, die uns am 12. März mit ihrer Erscheinung erfreute. Es bleibt wohl nach Anhörung dieser Oper kein Zweifel mehr, daß sie ein herrliches Tongemälde sey, worüber sich aber der Schatten einer gewissen Ueberfüllung nur zu weit ausbreitet. Weber suchte offenbar den Ruhm, den er sich durch seinen „Freischützen“ erworben, durch diese neue Schöpfung nicht nur neu zu begründen, sondern auch zu erhöhen. Viele Stellen der „Euryanthe“ tragen nur allzudeutlich das Gepräge eines Haschens und Strebens nach Unerreichtem und Unerreichbarem, indeß sich das Talent des Kompositeurs aus andern Partieen wieder auf eine so überraschende Weise ausspricht, daß gewiß ein Jeder, dem das Gedeihen teutscher Komposition nicht gleichgültig ist, ungern eine gewisse Einheit in dem Ganzen vermißt, welche es zu einem gleichförmigen, ebenen Werke hätte umschaffen können. Sehr glücklich ist Euryanthens Cavatine im ersten Akte, ihr Duetto mit Eglantinen und die Aria furiosa der Lezteren. Wir führen hier nur diese wenigen Stücke an, obwohl es eine große Mehrzahl der überaus gelungenen Stellen gibt, (Adolars Lied, Jägerchor, Adolars Duett mit Euryanthen im dritten Akt u. s. w.) um jene Form anzugeben, in der wir das Ganze gewünscht hätten. Die Ouvertüre scheint uns das tadelhafteste Stück im gesammten Cyclus. Was wir bisher über die Dichtung gelesen haben, ist keineswegs mit Recht behauptet worden; die Verfasserin (Helmine von Chezy) hat hiermit Teutschlands Operndichtungsfeld mit einer angenehmen Blume beschenkt. Wohl gibt es hierin hie und da einige Stellen, welche weniger musikalisch sind, was uns bei der zuweilen etwas bizarren Manier der Dichterin nicht befremden darf; und wenn man über die Entwicklung der Handlung selbst nicht ganz zufrieden ist, so muß man Frau von Chezy’s Erklärung in der Wiener Modezeitschrift (November 1823) gelesen haben, worin sie ihren vorigen Plan offenbart, der (obgleich weit besser) vom Kompositeur nicht gebilligt, und dafür dieser erwählt wurde, oder vielmehr erwählt werden mußte. Die Aufführung auf unserer Bühne war nicht ganz glänzend. Schwach besezte Chöre und ausgelassene Tänze, Gruppirungen u. dgl. wirkten störend ein. Vorzügliches Lob verdiente Dem. Comet als Euryanthe, Herr Binder als Adolar und Herr Kainz als Lysiart. Herr Michalesi brachte Flecken in die Vorstellung. Die Aufnahme von Seiten des Publikums war sehr kalt, sehr wenig wurde beklatscht, man ging frostig auseinander und sah seitdem die Oper erst einmal wieder.