## Title: Aufführungsbesprechung Lemberg: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber (Mai? 1823) (Teil 1 von 2) ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031664 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Lemberg.#lb#Den 7. May.Der Freyschütze. Die Musik – wer wüsste das nicht? – von Weber. Zum wie vielsten Mahle? – darüber muss man den Regisseur vernehmen. – Wie gut? – Das ist leider eine unabweisbare Recensenten-Frage. – Aber warum leider? Lobt er, so hat er nie genug gelobt; tadelt er, so hat er gehässige Nebenabsichten! Sein Trost muss der seyn, dass das ganze volle Haus, was diese Oper, so oft sie gegeben wird, immer um sich her versammelt, mehr oder weniger aus lauter solchen Recensenten besteht, die aber, zum Glück für sich und für uns nicht alle drucken lassen. Ehe ich zur Darstellung und den Darstellenden selbst übergehe, will ich noch ein paar Worte vorangehen lassen. – Ich hatte das Glück bey einem Durchreisenden, das unbeschnittene Original dieser deutschen Muse zu sehen, und da fand ich denn, dass dem Leser dieses Nachtstückes zwey Scenen, als Vorspiel, gratis überlassen werden, die vermuthlich den Compositeur nicht ansprachen, denn sie wurden nicht mitcomponirt. Hierüber ist zwar nichts einzuwenden, desto mehr aber über die Auslassung dieses einleitenden, und den ganzen religiösen Knoten der Catastrophe schürzenden Vorspieles bey der Aufführung. Es wäre doch leicht, diese beyden Scenen zwischen dem Eremiten und Agathen, in ihrer gebundenen Versification, wie einen schwülen Tag dem furchtbaren Gewitter, in reiner Rede, vorauszuschicken, und dann erst die Blitze und Donner der Ouverture ihnen folgen zu lassen. Ohne hier über die Macht guter und frommer Eindrücke und Empfindungen, nur ein Wort verlieren zu wollen; noch über die Theorie derselben, als Volkseinwirkung, die doch nie sorgsam genug eingeleitet werden kann, was auch wohl der Dichter (Fr. Kind) fühlen mochte; sollten Theateregien doch nie den hohen Gesichtspunct aus den Augen lassen, durch welchen sie eigentlich, als ein Consistorium der Volksbürtigkeit erscheinen, und eben darum zu einer lebendigeren Wirksamkeit auf das Ganze sich berufen fühlen müssen, als der Dichter, der nur dem Einzelnen zeigen kann, was er vermag. – – (Schluss folgt.)