## Title: Aufführungsbesprechung Stuttgart: „Oberon“ von Carl Maria von Weber am 10. April 1831 ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031354 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Nachrichten.Stuttgart, im July. Unter den Neuigkeiten, welche seit dem letzten Berichte auf dem hiesigen Hoftheater in die Scene gesetzt wurden, nimmt C. M. v. Weber’s längst ersehnter „Oberon“ mit Fug und Recht die erste Stelle ein. Er wurde bey überfülltem Hause das erstemal zum Besten des Wittwen und Waisen-Fonds der K. Kapelle aufgeführt, und seither noch einige Male wiederholt. Wenn diese Oper nicht durchaus den allgemeinen glänzenden Beyfall erhielt, den man von ihrem Erscheinen erwartete, so liegt die Schuld wohl haupt sächlich daran, dass man allzu gespannt auf die Resultate dieses Kunstwerkes war und doppelt hohe Anforderungen an dasselbe machte. Wir sind indess der Meinung, dass bey öfteren Wiederholungen dasselbe eine ausgedehntere und grössere Anerkennung finden wird. Ref. hat blos anzuführen, welchen Eindruck im Allgemeinen und in's Besondere die Tondichtung des genialen, leider! zu früh verblichenen Meisters bey unserm Publicum hervorbrachte. Die Ouverture fand, wie früher in den Concerten, auch im Theater stets rauschenden Beyfall. Die wunderliebliche Introduction wurde von den Eingeweihten gewiss gefühlt und verstanden, ging bis jetzt aber von Seiten der Beyfall zollenden Menge lautlos vorüber. Kein besseres Schicksal hatte das erste Finale. Dasselbe ist schön gearbeitet: aber nicht aus einem Gusse. Die Solostellen der Rezia inmitten des auf eine bizarre Weise behandelten wahrhaft nationell-türkisch seyn sollenden Themas von wenigen Tacten, welches einen wunderbar originellen Contrast mit jenen bildet, streifen, wie mich däucht, allzu sehr an Rossini's Form und Manier. Das zweyte köstliche, überaus liebliche, eben sowohl harmonisch als melodisch fein aufgearbeitete Finale, hätte einer lebhaftern und dankbarern Auszeichnung gewürdigt werden sollen. Rezia's kleine Romanze (die Vision) sprach allgemein an, desgleichen ihre grosse Arie, welche jedoch die Sängerin Dem. Haus in Ton und Geberde zu stark auftrug, und sich einige Male übernahm. Störend wirkte auf Ref. in dieser Arie die Reminiscenz aus der stretta der Ouverture, da diese Stellen sich für Instrumente wohl eignen, keineswegs aber für eine menschliche Stimme, und überdem für den begeisternden Ausdruck der Situation etwas Unedles, Gemeines, Walzerartiges enthalten. Das Recitativ vor der Arie ist trefflich, und rein declamatorisch; so wie namentlich alle Recitative in der Oper als sehr gelungen betrachtet werden können. Hüons Arie im ersten Act, von Hrn. Hambuch kräftig und feurig ausgeführt, ein Paradestück, das Effect macht, aber keinen bleibenden Eindruck hinterlässt, gefiel; mässig jedoch sprach dessen Preghiera mit obligaten Violoncells an. Sie ist an sich zart und gemüthlich, aber etwas zu lang, vom Dichter nicht gut placirt und nichts weniger als dramatisch. Als Concertstück und am Klavier würde sie ohnstreitig mehr gefallen. Die beyden Romanzen Fatime's, von Frau von Pistrich eben so allerliebst vorgetragen, als sie es in der That sind, fanden Anerkennung, desgleichen ein Duett im dritten Acte zwischen Fatime und Scherasmin. Hr. Pezold gibt letztgenannte Rolle sehr brav, mit eigenthümlicher Natur, Laune und Leben. Das grosse Quartett D # im zweyten Aufzuge für Rezia, Fatime, Hüon und Scherasmin ist wohl mit eins der gehaltreichsten Tonstücke der ganzen Oper, und erhielt verdienten anhaltenden Beyfall. In einer der letzteren Darstellungen sang für Frau von Pistrich, welche auf einige Monate bey der deutschen Opern-Gesellschaft in Paris engagirt ist, Dem. Gnauth (Tochter unsers sehr beliebten Komikers) die Fatime mit einer sonoren Altstimme, und wurde beyfällig aufgemuntert. Hr. Tourny war in der ziemlich schweren, nicht eben dankbaren Rolle des Oberon zu loben; die sämmtlichen Productionen im Ganzen kann Ref. nur rühmen: der Chor war gut einstudirt und griff in einander, unsere Kapelle bewährte ihren ehrenvollen Ruf; die Tänze und Gruppirungen, von dem seit Kurzem neu errichteten Ballet-Institut ausgeführt, halfen mit zum guten Gelingen, Costüme und Decorationen waren durchaus neu, und selbst das Maschinenwesen that sich gegen früher wacker hervor. Nur das schwache, auf Stelzen einherschreitende Machwerk des Poeten erregte mitunter Unlust, Widerwillen und Langeweile. An Wieland’s höchst treffliches Gedicht darf man nun freylich ganz und gar nicht denken.“