## Title: Rezensionen zum Libretto der Oper Euryanthe von Helmina von Chézy ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031292 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Euryanthe. Grosse romantische Oper in drei Aufzügen von Helmine von Chezy, geborne Freiin Klencke. Musik von Carl Maria von Weber etc. Wien 1824. v. Wallishauser. 10 Gr. Wenn nicht wenige wohlklingende Verse neben manchen übelklingenden (wie S. 21. „Was höre ich? willkommne Höllenkunde!“) und einige wirklich auch lobenswürdig gedichtete Arien, eine gute Oper ausmachen; wenn, was darin vorgeht, durch Nachweisungen an die Auftretenden und andere Leute, wie S. 22 „Beide sind grässlich vom Blitze beleuchtet“ – „zürnende Elemente durch die ganze Scene“ – S. 30. „unter dem Juwelenkranze das schöne Haar herabwallend“ – und vieles dergleichen, in Schwung und Leben gebracht wird: dann ist dieses Operngedicht ein gutes, schwunghaftes und belebtes. Wenn aber zu einem guten Operngedicht gehört: eine interessant erfundene, vor den Augen der Zuschauer sich entwickelnde und deutlich hervorgehende Fabel; eine, mit fester Hand und entscheidenden Grund | zügen wenigstens in so weit skizzirte Charakterzeichnung der auftretenden Personen, dass sie wie Menschen aussehen, damit man, wenn auch nur so lange, als man sie vor Augen hat, mit ihnen denken und empfinden, an ihnen theilnehmen kann; wenn dazu gehören: bedeutende, eingreifende, so herbei- und so ausgeführte Situationen, dass der Componist, was in dem Innern der handelnden Menschen vorgeht, ausmalen und damit dem Zuschauer nahe legen kann; wenn dieses anderes noch unerwähnt, zu einem guten Operngedichte gehört: dann ist diess ganz gewiss keines; denn davon ist hier sehr wenig oder gar nichts zu finden. Donner und Blitz, Grabeshöhlen, Wahnsinn, intendirter Mord und Todtschlag u. dgl. machen die Fabel oder auch die einzelnen Situationen so wenig, als die schönen Haare und die Juwelen darin interessant; so wie auch, dass von den auftretenden Personen die eine ein eingefleischter Spitzbube, die andere eine erstaunlich edle Seele ist, sie noch nicht zu Charakteren macht. Sonach ist es kaum zu begreifen, wie der geistvolle und berühmte Componist, der überdies, wie mehrere seiner Beiträge zu Zeitschriften beweisen, ein wissenschaftlich gebildeter Mann ist, seine Kunst auf diese Dichtung hat verwenden können, wenn man nicht annehmen soll, er habe, wie ehedem Iffland, der auch nicht selten die seinige auf kaum mittelmässige Dichtungen und nichtige Personagen verwendete, um nur seine Sache ganz allein zu machen, verfahren wollen; was aber stets ein missliches und gewagtes Unternehmen bleiben, auch nie die volle Wirkung thun wird, als wenn zum Guten das Gute kömmt. Zwar sind fast alle Operngedichte der Italiener, die ernsthaften nehmlich, nicht anders und nicht besser, als diese Euryanthe: aber in Italien merkt auch Niemand auf das Ganze des Gedichts, ja, der Componist selber nicht. – Uebrigens hätten wir uns bei diesen wenigen Bogen nicht so lange aufgehalten, wenn nicht eben jetzt über das Werk und seine da und dort so ganz verschiedenen Schicksale des Redens und Schreibens so viel wäre.