## Title: Aufführungsbesprechung Wien, Kärntnertor-Theater „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber am 7. März 1822 ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030522 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Schauspiele.(Hoftheater nächst dem Kärnthnerthor.) Dlle. Schröder hätte zu ihrer Einnahme statt eines Theaters der Arena zu Verona bedurft, um die neugierige Menge fassen zu können, welche gekommen war, um Maria v. Weber zu sehen, der an diesem Abende, wie früher das schaffende, so jetzt das leitende Princip war. Es gibt Leute, welche einem teutschen Publicum keinen Enthusiasmus zutrauen – (wir meynen hier den theatralischen Enthusiasmus). – Es ist wahr, daß der Teutsche nicht so schnell angeregt, nicht so mächtig gefaßt werden kann, als z. B. der Transalpiner und Transrhenaner. Bey dem ersten Eindruck läßt er die Phantasie noch durch die Reflexion beherrschen; er zweifelt und prüft, und erst, wenn er ein Kunstwerk innig in sein Gemüth aufgenommen, wird er durch und durch von demselben erwärmt und bewahrt dessen Andenken liebend und verehrend in der Brust. So ist es den größten Meisterwerken der Tonkunst ergangen, daß sie im ersten Augenblicke wohl empfunden, aber nicht begriffen wurden und erst allmählig ihre Herrschaft über die Herzen der Gläubigen in Apollo erlangen konnten. Der Anzeigende erinnert sich dieses Umstandes noch von der ersten Vorstellung der Zauberflöte her, und Diejenigen, welche der ersten Production des Freyschützen beywohnten, werden ihm nicht widersprechen. Da der Enthusiasmus für das wahre Schöne, und das schöne Wahre ebenso so rühmlich ist, als er, in eine kritische Anzeige übergehend, diese übel kleiden würde, so will der Schreibende hier nur ein treues Referat dessen niederlegen, was bey der in Rede stehenden Vorstellung des Freyschützen erfolgte. Bey dem Eintritt in sein Hauptquartier (das Orchester) wurde der musikalische Feldherr mit einer einmüthigen, mehrere Mahle wiederhohlten Freudensalve empfangen; er konnte daraus entnehmen, daß er die Schlacht schon gewonnen hatte, ehe sie noch anfing; dieß aber machte den vielerfahrnen und bescheidenen Kämpen nicht irre. Mit der größten Ruhe und Besonnenheit leitete er alle Bewegungen mit seinem Feldherrnstabe (einem zusammengerollten Bogen Papier). Nach jedem Manöver erneuerte sich die freudenvolle Theilnahme und steigerte sich auf das Höchste, als nach der ersten Waffenruhe herabflatternde Gedichte des Tonhelden Ruhm verkündeten. Vier Mahl gerufen erschien er am Ende in der Mitte seiner Unterfeldherrn, welche zugleich Trophäen und Theilnehmer seines Sieges waren, und er mußte eine um so gerechtere Freude über denselben empfinden, da er ihn vor einem Auditorium errang, dessen Autorität in Kunsturtheilen vollgültig und überall anerkannt ist. Daß die singenden, streichenden und blasenden Künstler Alles aufbothen, diesen Abend nach ihren besten Kräften zu verherrlichen, versteht sich bey ihren Fähigkeiten und ihrem Entzücken über diesen Triumph der teutschen Kunst von selbst; es werde daher billig von dem Einzelnen geschwiegen und nur das Ganze als höchst gelungen in allen seinen Theilen, dankend gepriesen. […]