## Title: Johann Gottfried Wohlbrück an Ernst Schleiermacher in Darmstadt. Karlsruhe, Freitag, 16. August 1811 ## Author: Wohlbrück, Johann Gottfried ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A047791 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Carlsruhe d. 16ten August 1811. Hochwohlgeborner Herr, Insonders Hochzuverehrender Herr Geheimer Kabinetts Secretair! Nach so vielen Beweisen von Ew. Hochwohlgeboren mir unschätzbarem Wohlwollen, darf ich wohl auf eine geneigte Aufnahme dieser Zeilen hoffen, welche theils die Pflicht, theils der Wunsch, auch aus der Entfernung Ihnen meine Ehrerbietung an den Tag zu legen, mir gebieten. Obgleich mein Reiseurlaub auf 6 Wochen bestimmt ist, so glaubte ich doch vor Ablauf derselben wieder in Darmstadt eintreffen zu können und ich äußerte dies, auf allergnädigste Anfrage, Sr Königl Hoheit des Großherzogs. Allerhöchstdessen Schreiben an die Frau Marggräfin K Hoheit, hatte ich das Glück den 23t d v. M. zu überreichen. Höchstdieselben äußerten gegen mich sehr huldvoll, daß sie meine Darstellung zu sehen wünschten, daß aber wegen der tiefen Trauer, dies während Ihres Aufenthalts in Baden nicht wohl geschehen könne, in Carlsruhe aber, wo sie den 10t August eintreffen würden geschehen solle. Es würde mir nun eine Verletzung der schuldigen Ehrfurcht gegen die Höchste Person der Frau Marggräfin geschienen haben, wenn ich es hätte wagen wollen, früher auf der hiesigen Bühne als Gast aufzutreten. Hiedruch, und durch die Anwesenheit der ...schen Familie und des Tenoristen Berger vom Hoftheater in Stuttgart, die mit ihren Darstellungen die meinigen unterbrechen, verzögert sich mein hiesiger Aufenthalt bis gegen das Ende dieses Monats. Es ist mir dies um so schmerzhafter, da ich vernehme, daß Iffland früher, als man bei meiner Abreise vermuthete, in Darmstadt eintreffen wird, und ich nun den großen Verlust habe, dies seltne Vorbild in meiner Kunst nicht zu meiner Belehrung beobachten zu können. Lange hat mir kein Zufall so wehe gethan als dieser . – Ew. Hochwohlgeboren werden mich sehr verpflichten wenn Sie den Grund meiner verzögerten Rückkunft Sr Königl Hoheit gelegentlich vorzutragen die Güte haben wollen, damit Allerhöchstdieselben keinen Augenblick den Verdacht hegen, ich sey des strafbaren Leichtsinns fähig, meines ...es an Sr Königlichen Hoheit uneingedenk zu seyn. Gestern wurde hier das Tauffest der neugebornen Großherzogl Prinzeßin gefeyert. Der Hof besuchte zum Erstenmal, seit der Trauer, das theater, wo die Karthagerin / Masinissa / Oper v. Paer aufgeführt wurde. – Ich habe mehreren Proben von dieser Oper beygewohnt, aber nichts besonders Geistreiches in der Musik bemerken können. Sie und die Handlung haben viel Einförmiges und Paers Manier ist bis zur Selbstberaubung auffallend. Drey Elephanten und zehn und so viel Pferde sind auf der Bühne ein geringer Ersatz für eine Langeweile in 3 Akten. Welch einen Genuß gewährt dagegen Voglers Samori! den man hier aber, wegen Mangel an Orchester und Chor gar nicht würde aufführen können. Sehr schön waren mehrere neue römische Hallen und Gemächer, den erfreulichsten Anblick aber gewährte der […] zirkelförmige Schauspielsaal, der über dem Parquet 6 Reihen, gedrängt voll Zuschauer, amphitheatralisch zeigte, in deren Mittelpunkt der hof, ein großer Staat, prangte. Die Beleuchtung des Cirkels, dem Schlosse gegenüber, die nach Beendigung des Schauspiels statt hatte, gewährte einen unbeschreiblich schönen Anblick beinhae die ganze Breite der Stadt, die in einem Halbkreise dem Schlosse gegenüberliegt, schein Ein Einziger von 60,000 Lampen beleuchteter Pallast zu seyn, und weder Wien, noch Paris oder London, bieten ein ähnliches vortheilhaftes Local zu einer Beleuchtung an festlichen Tagen dar. – – Indeß alle diese Herrlichkeiten, verscheuchen nicht auf einen Augenblik die Sehnsucht nach dem geliebten Ort, der durch die Gnade und Kunstliebe des Besten aller Fürsten mir das Wertheste auf Erden ist. Ich zähle die Stunden wo ich mich ihm wieder nahe, wo mir vielleicht die Gelegenheit dargeboten wird, meinen reinen Willen, thätiger als bisher zu bewähren, und wo ich oft persönlich das Glück habe die Gesinnungen der innigen Verehrung an den Tag zu legen, mit denen ich unausgesezt verharre Ew. HochWohlgeboren gehorsamster Diener GWohlbrück.