## Title: Wichtige Verbesserung des Horns ## Author: Gottfried Weber ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031201 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Wichtige Verbesserung des Horns. Das Erfinden neuer Instrumente, wenigstens das Sinnen darauf, ist jetzt an der Tagesordnung: eine Erscheinung, welche, bey dem täglich steigenden Luxus der Instrumentation und den immer höher gespannten Forderungen der Componisten, nicht ausbleiben konnte. Allein noch keinem von so manchen in neuern Zeiten erfundnen Instrumenten, von der Harmonika und dem Euphon, Callipson, Melodion, Anemochord, Clavicylinder, Triphon, Xylosistron, Uranion, bis zum Harmonichord und Panmelodion, von der als unentbehrlich vorgeschlagnen sogenannten Tenorviola, (man sehe meine Abhandlung darüber, oder vielmehr dagegen, im 5ten Jahrgang d. m. Zeit. von 1803) bis zum allerneuest erfundnen Kriegsbass –Kriegs-Bass-Instrument mit Kanonen, noch keinem hat es bis jetzt gelingen wollen, sich ein ständiges Bürgerrecht in unsern Orchestern, eine feststehende Zeile in den Partituren unsrer Componisten zu erwerben. Noch immer begnügen diese sich, auch um die grössten Instrumental-Effecte hervorzubringen, mit den gewöhnlichen Orchester-Instrumenten, und die neuen Aspiranten alle irren noch als heimlose Neulinge umher, darauf beschränkt, sich bald hier bald dort einmal als Soloinstrumente den Neugierigen zu produciren; noch sieht man keines bedeutend mitwirken, um den Effect der Productionen unsrer jetzt vorhandenen Meisterwerke der Composition zu erhöhen, so dass man – da der Werth von Tonwerkzeugen am Ende doch hauptsächlich nach ihrer Brauchbarkeit und Anwendbarkeit zu messen ist – die Frage nicht unbedingt verneinen möchte– es entstehet daher die Frage: ob eine bedeutende Verbesserung eines schon eingeführten Instruments nicht wichtiger, wenigstens vor der Hand praktisch nützlicher sey, als das Erfinden neuer Arten? Besonders wohlthätig erscheinen, aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, Verbesserungen an solchen Instrumenten, die an sich selbst, vermöge ihres eigenthümlichen Tones, von vorzüglicher Wirksamkeit, aber wegen Beschränktheit ihres Wirkungskreises nicht überall zu brauchen, und darum einer Vervollkommnung so werth, als bedürftig sind. Das bedeutendste unter diesen ist ohne Zweifel das Horn – ein Instrument, welchem gleich kein anderes mehr so schmelzende Weichheit mit eben so viel ausfüllender und durchschlagender, man möchte sagen, colossaler Kraft in sich vereinetUnter den eingeführten Instrumenten ist gewiss das Horn eines der bedeutendsten; und doch, wie beschränkt ist der Kreis seiner Thätigkeit! Der ganze Reichthum von Tönen, welche es mit Kraft u. Nachdruck anzugeben vermag, beschränkt sich auf die lückenhafte Tonreihe: C, c, g, c', e', g', b', c'', d'', e'', f'', g'', as''; (ich bezeichne hier die Tönedie Töne sind hier überall so, wie sie für das Horn im ViolinschlüsselG-Schlüssel geschrieben zu werden pflegen, nicht, wie sie eigentlich klingen;) und selbst von diesen Tönen gehört das untere Drittheil eigentlich nur dem Secundarius, das obere dem Primarius ausschliessend an; ja mehrere der höhern sind, bey etwas hohen Toneinsätzen, z. B. auf dem G-Horn, selbst vom Primarius, nicht mehr zu bändigen und gehörig zu temperiren. Die zwischen den oben angeführten Tonstufen liegenden ganzen und sogenannten halben Töne, wol gegen 30 an der Zahl, fehlen dem Instrumente ganz, und sind theils gar nicht herauszubringen, theils nur durch das sogenannte Stopfen zu erkünsteln, welche letztere dann aber durch die unverhältnismässige Schwäche und Dumpfheit ihres Klanges auffallend gegen ihre stärkern Nachbarn abstehen, dass sie zu Hervorbringung von Instrumental-Effecten sowol dem Componisten völlig unbrauchbar sind, als selbst den Solo-Vortrag durch unvermeidliche Tonungleichheit entstellen. Wieder andre Töne sind von Natur falsch, wie f'' und fis'', und vorzüglich a'', welcher letztere schon auf E- und F-Horn gar nicht mehr zu bändigen ist. Dazu kommt noch das leidige Bedürfnis des häufigen und unbequemen Mutirens – welches alles zusammengenommen das prächtige Instrument doch zu einem höchst unvollkommnen und beschränkten macht, so dass es von gebräuchlichen Instrumenten nur Trompete und Pauke an Unbehülflichkeit noch übertreffen. Eine Erfindung, welche diese unangenehmen Unvollkommenheiten zum bey weitem grössten Theile durch eine leichte und einfache Vorrichtung beseitigt, muss also nicht allein den Künstlern auf diesem Instrumente, sondern auch Componisten und Musikdirectoren eine höchst willkommne Erscheinung, und besonders letztern die Einführung derselben in den Orchestern angelegen seyn. Eine solche Erfindung, oder vielmehr der erste Versuch, sich eine, jedem naheliegende Idee auszuführen, ist vor kurzem dem hiesigen Hofmusikerkönigl: Hofmusiker zu Mannheim, Hrn. Dikhuth, gelungen. Die Vorrichtung, welche er an seinem Horn (von Franz Mazzogatto in Wien) angebracht, ist folgende: Die innere erste, grosse Windung des Horns ist an der Stelle des Zirkels, welche von der rechten Schulter des Spielers (vorausgesetzt, dass er die Stürze zur rechten Seite hält,) am entferntesten ist, senkrecht durchgeschnitten, die abgeschnittnen Enden sind einwärts umgebogen, und beyde in paralleler Richtung gegen die rechte Schulter zu, (d. h. in derselben Richtung, wie die Enden, in welche die Einsetzbogen gesteckt werden,) um etwa eine halbe Spanne verlängert. In diese zwey Enden passet ein Bogen, ganz wie ein Posaunenzug im Kleinen gestaltet, und eben so leicht hin und her beweglich, von der Länge einer kleinen Spanne (besser noch etwas länger) dem Aufschnitt gegenüber. Nämlich in der Gegend der rechten Schulter des Spielers ist ein UhrfederhausOhrfederhaus befestigt und um dieses eine Saite oder Schnur aufgerollt, welche, mit dem andern Ende an den Posaunenzug in der Mitte seiner Länge befestigt, denselben beständig aufwärts zieht und folglich immer bis auf den äussersten Punkt herausgezogen hält, so lange der Daumen der linken Hand ihn nicht wieder abwärts und herein zieht, welcher letztere zu dem Ende immer in einem, am gedachten Zug für ihn angebrachten Haken ruht. Was und wie diese Vorrichtung wirkt, und den eminenten Vortheil derselben, hat wol jeder Kenner jetzt schon auf den ersten Blick errathen und überschaut. Ganz heraus gelassen, wirkt der Zug einen halben Ton; durch Herauslassen desselben können folglich alle nächst unter den natürlichen Tönen liegenden Semitönehalben Töne, folglich H, fis, h, dis', fis', a', h', cis'', dis'', fis'', ja selbst das unglückselige a''B (h), fis, b, eingestrichene dis, fis, a, b, zweigestrichene cis, dis, fis, ja selbst das a, die Klippe, an der auch die Geschicktesten so oft, so leicht scheitern, u. a. m. eben so rein und leicht, und mit gleicher Tonfülle und Kraft angegeben werden, wie die sogenannten Naturtöne; die übrigen, welche sonst nur durch arges Stopfen dem Instrumente abzubetteln waren, wie b, d', f', as'bes, eingestrichene d, f, as, werden jetzt unter Mithülfe des Stimmzuges durch mässiges Stopfen eben so leicht und gut hervorgebracht, als zuvor die zuerst erwähnten SemitöneHalbtöne, (d. h. sie werden nur um einen halben Ton gestopft, nicht, wie sonst, um einen ganzen.) Freylich wirkt zwar bey tiefen Toneinsatzbogen der Zug weniger stark, als bey höhern: allein zum Glück ist bey tiefen Einsätzen das Stopfen am leichtesten und wirksamsten, die volle Wirksamkeit des Zuges also weniger nöthig, indess bey höhern Einsätzen, wo das Stopfen mühevoller ist, der Zug gerade desto wirksamere Hülfe gewährt. Wie unendlich mehr sich nun durch ein so hergerichtetes Horn effectuiren lässt, übersieht jeder auf den ersten Blick. Die ganze Tonreihe Tonreihe kann durchgängig gleich, voll, stark, mit einem Wort, durchaus in sogenannten Naturtönen angegeben werden – und Sätze wie gerade eben so gut, kräftig, und erstere beynahe, letztrer ganz so leicht, wie sonst dieselben Figuren im ewigen C dur. Auf diesem Horn sind nun Figuren, wie z. B. im Finale aus Sarti’s fra due litiganti T. 33–34 im Andante (B-Dur) des Finale secondo von Giuseppe Sartis Fra i due litiganti il terzo gode nicht mehr dem Misslingen ausgesetzt; und Ref. kann kaum sagen, wie sehr er jüngst überrascht war, in Beethovens Sinfonia eroica über den Effect der Hornstelle: Ludwig van Beethoven, Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55, IV. Satz, T. 381–396 welche sonst kaum gehört wird, auf diesem Instrument aber die frappanteste, durchgreifendste Wirkung that. Als nicht unwichtige Nebenvortheile kommen noch in Anschlag: dass die Vorrichtung nicht nur zuweilen das Mutiren, z. B. aus E nach Es, aus F nach E, ganz erspart, indem durch blosses Loslassen des Zugs das Horn auf der Stelle um einen halben Ton tiefer steht, so dass man auf diese Art nöthigen Falls leicht As-Horn, Fis-Horn und H-Horn machen kann, dergleichen nicht allzuselten wirklich vorkommen (z. B. in der VoglerschenAbt Voglers Pastoral-Messe) und wozu die Hornisten selten die erforderlichen Bogen besitzen; sondern auch das wirkliche Transponiren um einige Töne ist ohne Vergleich, gegen zuvor, erleichtert durch den grössern Reichthum an natürlichen Tönen. Man kann, im Fall des Bedürfnisses, um beliebige Schwebungen höher oder tiefer stimmen, ohne das Instrument von den Lippen abzusetzen u. s. w. Die Manipulation des Zuges ist so einfach, dass jeder geübte Spieler sich in dieselbe, so wie in die etwas veränderte Haltung der rechten Hand, leicht und bald finden wird. Uebrigens bleibt ein so hergerichtetes Instrument nach wie vor auch für den brauchbar, welcher sich des Zugs nicht zu bedienen versteht. Dass es durch den beweglichen Zug im Ganzen etwas an Tonstärke verlieren werde, schien zwar im voraus zu befürchten: der Erfolg hat aber gezeigt, dass, wenn er so fleissig gearbeitet wird, wie diesen der hiesige Uhrmacher Molinger gearbeitet hat, der Klang nicht im mindesten leidet. Eine ganz detaillirte und nach Zoll und Linien bestimmte Beschreibung der Mechanik habe ich um deswillen nicht gegeben, weil jeder Musiker, mit Hülfe eines geschickten Arbeiters, die einmal gegebne Idee an seinem Instrumente leicht ausführen kann, und die Details der Ausführung nach dem individuellen Bau des Instruments, der bald so bald anders geführten Windungen, und dem Ort, wo die Einsatzbögen angebracht sind, modificirt werden muss. Uebrigens wäre zu rathen, den Zug eher länger als kürzer machen zu lassen, um ihn so weit herauslassen zu können, als der Daumen zu reichen vermag. Rechnet man nun das Gesagte zusammen – bedenkt man, wie mühsam man oft, um auf andern Blasinstrumenten einen einzigen Ton zu gewinnen oder zu verbessern, eine oder wol mehrere, schwer zu behandelnde Klappen anbringt, indess Hr. Dikhuth durch die einfachste und leichteste Vorrichtung seinem Instrumente ganze Tonreihen auf Einmal neu gewonnen, die Tongleichheit unendlich verbessert, und dabey die Spielart nicht nur nicht erschwert, sondern bedeutend erleichtert hat: so möchte man beynahe bedauern, dass die Erfindung in Deutschland gemacht worden, wo Prämien und Patente für dergleichen nicht – hergebracht sind, wo der bescheidne Erfinder sich durch die, sich selbst gewonnene Erleichterung und grössere Vollkommenheit seines Spiels schon belohnt achten muss, und sich am Ende etwa gar noch wundert, dass seine Erfindung einer öffentlichen Erwähnung gewürdigt ward. Mannheim, im October 1812. Gottfried Weber.