## Title: Carl Maria von Weber: Dramatisch-musikalische Notizen (Dresden): „Heinrich IV. und d'Aubigné“ von Heinrich Marschner ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030319 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Dramatisch-musikalische Notizen.Als Versuche, durch kunst-geschichtliche Nachrichten und Andeutungen, die Beurtheilung, neu auf dem Königl. Theater zu Dresden erscheinender Opern zu erleichtern.#lb# Von Carl Maria von Weber.Es ist eine eigene, feierliche Sache um das erste Erscheinen eines Componisten vor dem größern Publikum. Wie viel hängt von dem Erfolg desselben für ihn ab. Wie leicht kann ihn ein Mißlingen irre an sich selbst, an seinem Berufe machen. Kommt ihm gleich, als sich Neuversuchenden, eines Theils die Nachsicht der Hörer zu Gute, so ist ihm dagegen die Nichtbeachtung und die sich nicht tief eingehender Aufmerksamkeit hingebende Stimmung derselben, einem unberühmten Namen gegenüber, fast noch verderblicher, besonders wenn ihn sein Talent auf eigner Bahn führt, die natürlich anfangs des Unebenen, und noch nicht ganz zweckmäßig Geordneten manches haben muß. Das eben ist des Rufes größter Vortheil, daß die Erzeugnisse des Namens, den er mit seinem Glanze hervorhebt, mit sicherer Erwartung von etwas Vorzüglichem empfangen werden; und man selbst Sonderbarkeiten mit der schon einmal hegenden Achtung in's Gleichgewicht zu bringen, und ihren Grund aufzusuchen sich die Mühe nicht verdrießen läßt. Nun, nicht Jedem wird es so gut, vor einem aufmerksamen Dresdner Publikum seinen ersten Ritterdank verdienen zu dürfen. Ein wahrhaft vaterländisches Erzeugnis tritt in die Schranken. Heinrich Marschner, geboren 1794 in Zittau, ist der Componist der Oper Heinrich IV. und d'Aubigné, die den 12. Juli zum erstenmal auf dem königl. Theater erscheint. Mit Freuden wird man den Landsmann mit lebendiger, eigenthümlicher Erfindung, blühender Melodie, und reicher, fleißiger Ausführung ausgestattet sehen, und ich erlaube mir meiner Seits den Glauben auszusprechen, daß uns aus solchem Streben nach Wahrheit, aus so tiefem Gefühl entsprungen, ein gewiß recht achtungsvoller, dramatischer Componist erblühen wird. Im 9ten Jahr trat Marschner in'sins Gymnasium und den Sing-ChorSingeChor zu Zittau ein. Er wurde bald Concertist, und schon in diesem Alter entzündeten ihn die Werke unserer besten Meister so sehr, daß er oft schnell nach Hause lief – um auch so etwas zu machenschreiben – aber ach, es war ja nicht einmal Gelegenheit da, den Generalbaß zu erlernen. Da kam Hering nach Zittau und ertheilte dem Wißbegierigen, wenn auch nur selten, Unterricht. Nach so nur etwas gebrochener Bahn, suchte er selbstforschend in Büchern und Partituren zu lernen. 1813 ging er nach Prag und Leipzig. Dem Hören größerer Werke und der Gewogenheit unseres trefflichen Schicht, glaubt er fast alles zu dankenverdanken zu haben. Seine Ideen wurden heller, die dunklendunkeln Bilder traten in's klare Bewußtseyn. Einige Sonaten, Cantaten und Lieder etc.pp die er hier schrieb, erschienen auch in der Leipziger Musikhandlung. Aber die Oper, und in ihr Mozart's Genius, zogenzog ihn vor allen an. Er ging Anfangs 1816 nach Wien und nahm bald darauf ein Engagement bei dem Grafen Joh. Zichy in Preßburg an; wo er Muße hatte, größere Werke anzufangen. Aber wo ein Buch hernehmen? Aus Verzweiflung und im Drange, die Flügel zu regen, bearbeitete er die der Leipziger Ausgabe beigefügte deutsche Ueberse tzung der Oper: Titus. Natürlich auf ewig von ihm vergraben. Im Novbr. 1816 componirte er den Kyffhäuserberg in 1 Akt, und endlich 1817 erhielt er von Heinrich Alberti (ich glaube, der nicht unrühmlich, besonders in Baiern, gekannte Dichter Ekkschlager) das Buch zum Heinrich. 1818 schrieb er die ernste Oper: Saidar von demselben Dichter, die in Preßburg mit Beifall aufgenommen wurde, und hoffentlich künftigen Winter dem Publikum Gelegenheit geben soll, in den verschiedenen Gattungen der Conversations- und ernsten Oper seinenihren Mitbürger beurtheilen zu können.