## Title: Dramatisch-musikalische Notizen (Dresden): „Emma di Resburgo“ und „Alimelek“ von Meyerbeer (Teil 1 von 2) ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030315 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Dramatisch-musikalische Notizen.Als Versuche, durch kunst-geschichtliche Nachrichten und Andeutungen, die Beurtheilung, neu auf dem Königl. Theater zu Dresden erscheinender Opern zu erleichtern.#lb# Von Carl Maria von Weber.Wenn man den Gang der Kunsterscheinungen und deren Erfolge auf den Theatern Deutschlands beobachtet, so drängt sich gewaltsam die trübe Ueberzeugung auf, daß meistens nur Zufall und Glück, das Gelingen der ersteren bestimmen. Die Wahl derselben folgt oft einem eben so zufällig entstandenen Rufe, als es nun dem GlückeGlük anheim zu stellen ist, ob auch die Mittel an dem Ort der Aufführung vorhanden sind, die gerade zum ZweckeZwek führend, das Kunstwerk in allen seinen Theilen, der ursprünglich dabei vorwaltenden Idee gemäß, wiedergeben können. Wo ist aber auch die Theaterverwaltung zu finden, die ohne Einwirkungen von Oben, Unten, Außen und Innen, frei einem auf wahre Kunstprinzipe begründeten Plane folgen könnte? In alle diesem möchte wohl die Lösung des scheinbaren Räthsels liegen, wie in so entschiedenen Gegensätzen hoher Beifall und gänzliches Mißfallen ein und dasselbe Werk treffen können: und wie glücklich dagegen der Komponist in Frankreich und Italien sey, wo der Erfolg fast ganz in seine Hände gelegt ist – hält er nämlich Gefallen für seinen höchsten Zweck – und wo er dann nur gewandt genug seyn darf, alle ihm dargelegten Mittel wirksam aufzustellen und zu verwenden. Hat er aber auch in einem einzelnen Lande Lorbeern errungen; will er nun der Welt angehören, verbreiten sich seine Werke: wer steht ihm dafür, daß gerade dasjenige am dritten Orte gewählt werde, das am sprechendsten ihn bezeichnet, aus seiner bessern, vollendetern Epoche genommen sey?. Abermals der Zufall, das Glück. Und diesen beiden möge es auch der Komponist Mayerbeer verdanken, daß das Zusammentreffen mancher Umstände die Aufführung von zwei seiner Opern fast zu gleicher Zeit, bedingt hat. Wir erhalten im Laufe nächster WocheWochen von ihm: Emma di Resburgo. Opera seria. Italien. Alimelek. Komische Oper. Deutsch. Zwei der verschiedenartigsten Blüthen seines reichen, herrlichen Genius; die ihm hoffentlich den Beifall der Freunde der italienischen und der deutschen Tongestaltungen, und den des wahren Kenners, der inmitten dieser Partheien steht und das Gute würdigt, es komme woher es wolle, es von dem Standpunkte des Erzeugers desselben beurtheilend, erwerben werden. Herr Meyerbeer aus Berlin machte schon in seinen Kinderjahren Epoche als Klavierspieler, welches Talent er späterhin zu einer Vollkommenheit ausbildete, die ihm den Rang unter den ersten, wenn nicht gar des Ersten Klavierspielers unsrer Zeit anweiset. Unabhängig von Sorgen für seine Existenz weihte er sich mit voller Liebe der Musik, deren ernstes Studium in ihren geheimsten Tiefen er sich angelegen seyn ließ. Dem zweijährigen Umgange des verewigten Abt Voglers dankt er nächst eigenem Forschen, den größten Theil seiner musikalischen Bildung, die auf den Grunddem Grunde einer sorgfältigen Erziehung in literarischlitterarischer-wissenschaftlicher HinsichtBeziehung und Kenntniß fremder Sprachen gebaut, ihm das verlieh, was jedem Künstler, dem es Ernst ist mit der Kunst, nie als Basis fehlen sollte. In dieser Epoche (1811 Darmstadt) schrieb er ein Oratorium Gott und die Natur, gedichtet von Schreiber. *)*) Aufgeführt im Mai 1811 in Berlin. Ein treffliches, feuerloderndes Werk, voll tiefer harmonischer Schönheit und contrapunctischer Verwicklungen, ohne dabei der reizendsten Melodien zu entbehren. Doch natürlich das durch Studium Liebgewordene vorherrschend. UngefährOhngefähr in demselben Geiste schrieb er die große ernste Oper Jephta (ebenfalls von Schreiber gedichtet) für München; und wenn die Haltung derselben damals manchem Kenner etwas bunt erschien, so lag das wohl in dem Bestreben, dem Sänger überhaupt mehr zu genügen, das mit der Ueberfülle harmonischer Verflechtung, besonders in den Chören, einen Zwiespalt, durch Nachgiebigkeit und innere Ueberzeugung im Gegensatze, vorblicken ließ. Schon im Jahre 1813 ernannte Se. K. H. der Großherzog von Darmstadt, aus eigenem Antriebe, als Anerkennung der Talente Meyerbeers, denselben zu seinem Kammer-Compositeur. Für Stuttgart zunächst schrieb er nun die Oper Alimelek, (welche er später in Wien umarbeitete und die besonders in Prag viel Glück machte), ging dann zu Vervollkommnung seiner Bildung, nachdem er Deutschland durchkreuzt hatte, nach Frankreich und von da nach Italien, wo er in Padua die Oper: Romilda e Constanza, mit Erfolg auf die Bühne brachte: Neustens aber durch Emma di Resburgo in Venedig einen unglaublichen Enthusiasmus erregte, den alle öffentliche Blätter bestätigen. Dem Wunsche des Komponisten zu Folge wird bei uns diese Oper den Reihen eröffnen. Ich erlaube mir aber zuerst von Alimelek, als dem Erstgebornen, zu sprechen. Der anziehende, heitre und gemüthvolle Stoff (der erwachte Schläfer aus tausend und einer Nacht) ist vom Dichter, Hrn. Wohlbrück (dermalen in Leipzig) mit vieler Theaterkenntniß, Laune und Musik begünstigend, geschrieben. Der Componist hat in Einheit und Haltung des Ganzen und Zeichnung der Charactere sich als Meister bewiesen. Dabei entfaltet er die Beweise seines ernsten musikalischen und dramatischen Studiums, durch die schöne Verbindung selbstständiger Melodie-Formen. Alles voll reger lebendiger Phantasie, ohne Weitschweifigkeit immer schnell in der Handlung fortrückend, bloß die möglichst dramatische Wahrheit vor Augen habend, treffliche Declamation, liebliche, oft üppige Melodieen, reiche neue Harmoniewendungen, oft in überraschender Zusammenstellung gedachte Instrumentation, die mit einer Zierlichkeit verschlungen, auch freilich fast die Sorgfalt eines Quartett-Vortrags erfordert; – dieses möchte das Bezeichnende dieses Werkes seyn, und es ganz als deutsches Kunstwerk stempeln. (Der Beschluß folgt.)