## Title: Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag. Berlin, Dienstag, 9. August 1814 (Nr. 10) ## Author: Weber, Carl Maria von ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A040704 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ An Mademoiselle Carolina Brandt Wohlgebohren Sängerin des Ständ: Theaters zu Prag. Am Juden TandelMarkt bey H: v: Schwarz wohnhaft. im 2t Stok. No: 10. Berlin d: 9. Aug: 1814. Mit der peinlichsten Ungeduld erwache ich jeden Morgen, verlebe ich den ganzen Tag, so oft die Thüre geht springe ich auf, jeden Postboten auf der Straße halte ich an, alle bekannten Banquier Comptoir durchlaufe ich, und noch immer nirgends und nirgends die Spur eines Briefes von Dir. So sehr ich mich mit dem Gedanken zu trösten suche daß einer verlohren gegangen sein könnte, so sehr quält mich die Furcht daß du vielleicht krank bist, oder Briefe unterschlagen werden. 1000 Hirngespinste nehmen meinen Kopf ein, nur das nicht, daß meine Lina vielleicht nicht schreiben wollte. Nein das glaube ich nicht, kann ich nicht fürchten, erlaube ich mir nicht zu ahnden. Was sollte Dich auch dazu bestimmen können? In Hinsicht Deiner Gesundheit hält mich der Gedanke aufrecht, daß wenigstens die Bach mir gewiß davon geschrieben hätte. — ich will noch ruhig einige Tage warten, ruhig? das ist nicht möglich, aber ich will mir Millionenmal vorsagen wie leicht ein Brief verspätet wird, wie unrichtig die Posten oft gehen pp. alles will ich hervorsuchen um nur keinen trüben Ideen Raum zu geben, die ohnedieß meiner Seele so natürlich geworden sind. Es ist ganz eigen wie sehr der tiefe Ernst mein ganzes Wesen umflort hat. ich habe hier gewiß alle Ursache recht froh zu sein, denn von allen Seiten strebt man das seinige dazu beyzutragen, ich bin auch mitunter recht heiter, und in Prag würde man das schon lustig nennen, und doch muß ich alle Tage und von allen Leuten Vorwürfe hören, über mein finstereres ernsteres Wesen das gar keiner Freude sich mehr zu öffnen scheinte. Es ist wahr ich bedarf nur noch eines mächtigen Stoßes um mich ganz aus dem Reiche des Frohsinns und Glükkes hinausgestoßen zu fühlen, aber ich trage doch auch die Gewißheit in mir daß ich noch recht glüklich und froh gemacht werden kann; ob ich aber noch die Fähigkeit besizze andre glüklich zu machen, bezweifle ich fast, und es müßte nur eines aus dem andern hervorgehen. in mir liegt gewiß die Kraft ein Wesen mit unendlicher Liebe zu umfaßen, aber es so liebevoll auszusprechen ist mir nicht vom Schöpfer verliehen. — | Gott sey Dank daß die 2 verfloßenen Tage vorüber sind. d: 7t waren früh um 5 Uhr schon Leute in meinem Quartiere die den Einzug des Königs sehen wollten. Dieser Troubel dauerte bis Mittag, den ich bey Gabains im ehemaligen Barschkiren Zirkel zubrachte. Abends war ich in beyden Theatern, im Opernhause Prolog von Kozebue, und ein Ballet, im Schausp: Fanchon!!! Der König wurde mit unbeschreiblichem Jubel empfangen. Dann wurde ich bis 2 Uhr herumgeschleppt die Iluminationen zu sehen wobey ich so müde wurde beynah wie in Prag, obwohl ich blos mit Männern gieng. Dabey muste ich mich etwas erkältet haben, denn ich bekam Gestern Morgen ein heftiges Erbrechen. Gegen Mittag wurde mir aber wohler. Die größte Freude machte mir das unverhoffte Finden Tieks, der seiner Seits auch große Freude zeigte, und meinte, nun hätten die Illuminationen erst für ihn Bedeutung und Er wüßte warum er in Berlin wäre. Nachmittag fuhr ich mit Lichtenst: und der guten armen Koch, /:  ich weiß nicht habe ich dir schon geschrieben daß ihr Vater todt ist :/ nach Pankow zu Jordans, wo viel gespielt und gesungen wurde. um 1 Uhr kamen wir wieder zurük. Wie denn immer jedes Angenehme auch seine Kehrseiten haben muß so ist denn auch Gestern, mein Freund Wollank genöthigt gewesen eine Reise auf 4 Wochen anzutreten, und mich zu verlaßen. Es thut mir sehr leid seinen Umgang und Rath entbehren zu müßen. Vorläufig habe ich mein Concert auf d: 19t festgesezt, wenn ich es bis dahin zu Stande bringe. Die hiesigen Vorstellungen wollen mir gar nicht recht schmekken. Der 3t Akt von Fanchon gieng sehr schlecht, und ich wollte nicht rathen daß bey uns solche Lükken entständen. Sehr erfreulich ist mir auch die Anhänglichkeit die das ganze Orchester mir bezeigt. künftige Woche wird wohl vielleicht Silvana sein. Gern hat hat mir neulich die BaßArie daraus vortrefflich vorgesungen. In denen 8 Tagen die ich hier bin, habe ich schon mehr gespielt als die ganze Zeit meines Aufenthalts in Prag, auch fangen zu meiner Freude schon mancherley Musikalische Ideen sich wieder an, sich in meinem Kopfe zu entwikkeln und zu bilden. ich muß auch gewaltig fleißig sein, wenn ich alles zu Stande bringen will was ich mir vorgenommen habe. — Mein Leben ist doch ein ewig stürmisches Treiben ohne Rast und Ruhe, und doch giebt es so wenig | Resultate, doch bin ich beynah immer unzufrieden mit mir und glaube daß ich mehr thun könnte. — Eine ewige Unruhe jagt mich immer vom Stuhle auf. Es ist mir als müßte ich Heute Briefe von Dir haben, ich will diesen noch nicht schließen und erst an Liebichs noch schreiben. — Der lezte Augenblikk zur Post ist da, und noch nichts gekommen. — O mein gutes theures Leben, darf ich wirklich mich keinen trüben Ahndungen überlaßen? ist dieß bloßes Werk des Zufalls? ich fühle mich so beengt, so beklommen wenn ich nur ein wenig meiner Phantasie Raum gebe; ich muß mich recht mit Gewalt los reißen, und nur das bischen gute Wirkung das meine Umgebung hier hervorbrachte nicht wieder zu vernichten, und unwirksam zu machen. mit banger Erwartung sehe ich einem Briefe von dir entgegen, es ist mir als müße er mir wieder Schmerzen bringen. Vielleicht werde ich recht glüklich gestraft für diese unnüzze Besorgniß vielleicht erhalte [ich] gerade durch den Brief die höchste Ursache zur Ruhe und Zufriedenheit, und vollende dadurch den Sieg der heiteren Stimmung über die finsteren Dämonen. Jezt gehe ich in die SingAkademie, Abends in die Vestalin, möchten doch die Töne ihr altes Recht und Gewalt über mich üben, aber schon oft erlahmte ihre Kraft an mir. Lebe wohl mein geliebtes Leben; bedenke welche unendliche Freude mir ein Wort von Dir macht, wie so meine ganze Lebensstimmung davon abhängt, wie du mich zum Höchsten erheben und aneifern kannst, und eben so leicht mir alles unerträglich und widerstrebend zu machen im Stande bist. Glaube mir daß ich so brav bin, als du dir schwerlich auch nur wünschen kannst, daß nicht ein Gedanke in mir herrscht, der nicht von Liebe für dich erfüllt wäre, und daß du meine einzige lezte Hoffnung und Stüzze bist. ich umarme Dich Millionenmal in Gedanken denke nur eben so, und eben so oft an Deinen treuen C: Viel Schönes an die Mutter, und alle Bekannte. die Bach pp