## Title: Carl Gottlieb Reißiger an Christian Heinrich Stobwasser in Berlin. Dresden, Mittwoch, 18. Februar 1824 ## Author: Reißiger, Carl Gottlieb ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A042234 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Drähsen, am 18. Febr. 24. Verehrtester Herr Stobwasser! Ich glaubte nicht, daß mein langweiliger Aufenthalt solange dauern würde, sonst hätte ich Ihnen schon früher geschrieben. Immer hoffte ich noch zu Ihrer lieben Frau Gemahlin Geburtstag mit einer schmelzenden Musik aufwarten zu können, aber es ist unmöglich, und ich bitte Sie herzlich, mich deshalb bei Ihrer wertesten Frau Gemahlin zu exkursieren, zugleich aber, da ich nolente marito füglich nicht selbst an dieselbe schreiben kann, auch meine herzlichen Glück- und Segenswünsche, insonders eine recht häufige unter bestem Wohlsein wiederkehrende Repetition dieses benannten Festtages, derselben als meinen eigenen Wunsch herzudeklamieren. Was nun mein Treiben dahier anbelangt, so ist mir dasselbe höchst zuwider, ob ich gleich überall die beste Aufnahme finde und ich unverschämt gelobt werde, allein ich bin nicht heimisch, fühle mich fremd und kann nicht arbeiten, wozu denn wohl die Ungewißheit meines Schicksals viel beiträgt. Den zweiten Akt meiner Oper habe ich verkürzt. Und ich hoffe, es wird dadurch der Effekt vergrößert. Heute sollte sie gegeben werden, aber nun ist die Sandrini krank und ich bin abandonato! Schrecklich, daß ich nun bis über acht Tage warten muß. Die Veltheim habe ich gestern gehört und bewundert, ihre Stimme sowie ihre Manier erinnert an die Seidler, aber alles im verjüngten Maßstab. Die Funk hat eine mächtige, hinreißende Stimme in der Kehle, aber sie kann durchaus nicht rein singen, bald ist sie zu hoch, bald zu tief. Die Sandrini hat als Julia in der Vestalin das möglichste geleistet, und wenn sie verhältnismäßig so als Dido aushält, so kann ich zufrieden sein, denn sie singt rein und spielt gut. – Ich kann mir wohl denken, daß Sie mich wegen meiner Reise hierher tadeln, allein, was hilft’s? Ich möchte mir selber Ohrfeigen geben, es ist nun einmal geschehen und da muß ich aushalten, denn sonst hätte ich die ganze Reise umsonst gemacht. An Vergnügen fehlt es indes nicht, und die herrlichen Empfehlungen des Herrn Appell-Rat Körner und auch des lieben Hellwig haben viel beigetragen. Die Bekanntschaft der hiesigen Dichter hat mir viel Freude gemacht. Theodor Hell ist vorzüglich freundschaftlich gegen mich; Gehe hat mir halb und halb ein Opernbuch versprochen, doch ist darauf nicht zu bauen und ich habe daher an Hofrat Georg Döring nach Frankfurt a. M. geschrieben, den Spohr empfohlen hat. Die Herren Richard Roos, Kind und Fr. Laun treffe ich stets auf der Harmonie. Gestern führte mich die Tarnow zur Frl. Winkel, einer ausgezeichneten Künstlerin, sowohl in Musik als Malerin. Nun die Bekanntschaft hat mir Freude gemacht! Aber denken Sie sich, was einem zugemutet wird. Von ½ 7 bis ¾ 10 Uhr hat sie Harfe gespielt, acht verschiedene Pièçen, und das alles wurde bei einer Tasse Tee abgemacht! Weber hat mir aufgetragen, Sie zu grüßen, ebenso empfiehlt sich Ihnen mein lieber Fürstenau. […]